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Englischer Bock / Thomson Bock
Ottilae Schacht, Clausthal
Gneisenau, Dortmund

Promnitz 1
Teutoburgia 2, Herne
Minister-Achenbach 4, Lünen
von Oeynhausen 1, Ibbenbüren
Holland 4, Bochum

Promnitz 2
Heinrich Robert, Hamm
Bonifacius 1, Essen
Radbod 1 / 2, Hamm
Carolinenglück 3, Bochum
Friedrich Heinrich 2, Kamp-Lintfort
Zollverein 10, Essen
Fürst Leopold, Dorsten
Niederberg 2, Neukirchen-Vluyn

Promnitz 3
Schlägel und Eisen 3, Herten
Sterkrade 1, Oberhausen
Friedrich Thyssen 6, Duisburg

Bauart Saar
Itzenplitz 3, Heiligenwald
Gegenort, Neunkirchen
Neyschacht, Schwalbach
Göttelborn 2, Göttelborn

Bauart Zschetsche
Delbrück 2, Fürstenhausen
Lohberg 1, Dinslaken
Westfalen 1 / 2, Aalen
Duhamel, Ensdorf

Bauart Klönne
Auguste Victoria 1 / 2, Marl
Willy Agatz 1, Dresden

Zweigeschossige Strebengerüste
Anna Hauptschacht, Alsdorf
Carl Funke, Essen
Sophia Jacoba 3, Hückelhoven
Consolidation 8, Gelsenkirchen
Ewald 4, Gelsenkirchen

Doppelstrebengerüste
Consolidation 9, Gelsenkirchen
Rheinpreußen 4, Moers

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Pyramiden-Fördergerüst Zeche Osterfeld 1,
Oberhausen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

koepe
Koepe-Förderung mit Treibscheibe. Systemskizze

 

zoll6
Essen. Zollverein 6. Doppelstrebengerüst

 

 

zschetsche
Bauart Zschetsche

 

Einstrebengerüst Bauart Dörnen
Robert Müser, Bochum
Radbod 5, Hamm
Osterfeld 3, Oberhausen
Erin 7, Castrop-Rauxel
Mariannenschacht, Ibbenbüren
Zollverein 1, Essen
Auguste Victoria 4, Marl
Helene & Amalie, Essen

Doppelstrebengerüst Vollwand
Zollverein 12, Essen
Lohberg 2, Dinslaken
Pluto Schacht Wilhelm, Herne
Germania(Dt. Bergbau Museum),
Bochum

Turmgerüst
General Blumenthal 7, Recklinghausen
Gneisenau 4, Dortmund
Walsum Franz-Lenze-Schacht, Duisburg

Kastenprofile
Konrad-Ende-Schacht, Recklinghausen
Monopol Schacht Grimberg 2, Bergkamen
Haus Aden Schacht Romberg, Werne

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Essen. Bonifacius 2

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

romberg
Zeche Haus Aden. Schacht Romberg

 

 

 

Objektführer / Bergbau

 

 

 

Fördergerüste

Zu den eindrucksvollsten Ingenieurleistungen in den montangeschichtlichen Industrierevieren gehören die aus Eisen und Stahl gefertigten Fördergerüste des Bergbaus. Überlegungen zur typologischen Einordnung der Fördergerüste gibt es bereits von Bernd und Hilla Becher [1] und Heinrich Schönberg [2]. Daran schließt sich die folgende Darstellung an.

Typologie Fördergerüste in Fachwerkbauweise mit den erhaltenen Objekten in Deutschland(Stand 1998)

 

bock
Englischer Bock

promnitz
Deutsches Strebengerüst. Bauart Promnitz 1, 2, 3


Bauart Saar, Zschetsche, Kölnne

zweigeschossigeFachwerk
Zweigeschossige Fachwerkgerüste

DoppelbockFachwerk
Doppelstrebengerüste Fachwerkbauweise

Walter Buschmann
Fördergerüste

Von den ursprünglich aus dem Holzbau abgeleiteten Pyramidengerüsten, die nach 1870 auch in Stahl konstruiert wurden, sind im deutschen Steinkohlebergbau keine Beispiele erhalten geblieben.

Auch der Urvater des Strebengerüstes, der sogenannte Englische Bock, wurde aus dem Holzbau übernommen. Der Englische Bock ist eine simple und statisch einleuchtende Konstruktion aus den zur vertikalen Lastabtragung dienenden Stützen und den in Richtung Fördermaschine die Horizontalkräfte aufnehmenden Streben. Zur Aussteifung der Konstruktion sind oft zwischen Stützen und Streben horizontale Riegel angeordnet. Die Seilscheiben liegen annähernd im Schnittpunkt von Stützen und Streben.

Nur wenige Fördergerüste dieser Art sind in Deutschland erhalten geblieben. Das Bockgerüst über dem Ottiliaeschacht bei Clausthal-Zellerfeld von 1876 gehört zwar zum Erzbergbau, soll hier aber trotzdem erwähnt werden, weil es das älteste erhaltene Stahlfördergerüst in Deutschland ist und noch in klassischer Weise das Prinzip des Englischen Bocks repräsentiert. Auch das älteste Fördergerüst des Ruhrgebietes, 1886 für den Schacht Gneisenau 2 in Dortmund erbaut, ist ein abgewandelter Englischer Bock, der nach seinem Protagonisten, dem belgischen Bergwerksdirektor Tomson, auch als Tomson-Bock bekannt wurde. [3] Die Seilscheibenauflager sind bei diesem Gerüsttyp gekoppelt mit den hochgezogenen Stützpfeilern, die diesem Gerüsttyp eine gestreckt-elegante Form verleihen.

gneisenau
Dortmund. Zeche Gneisenau Schacht 2. Thomson-Bock

Als herausragende Ingenieurleistung gilt eine Konstruktion des deutschen Ingenieurs Promnitz, die erstmals 1874/75 im Ruhrgebiet verwirklicht wurde und nach Herkunftsland und Hauptverbreitungsgebiet auch als deutsches Strebengerüst in die Literatur einging. Promnitz benutzte das über dem Schacht stehende Führungsgerüst zur vertikalen Lastabtragung und verband Förderungsgerüst und Streben durch Träger, auf denen die Seilscheiben auflagerten. Diese sogenannten Seilscheibenträger waren ursprünglich als genietete Kastenträger konstruiert, wurden alternativ auch aus mehreren U-Profilen zusammengesetzt  und waren später als Blechträger ausgebildet. Das ursprüngliche Promnitz-Gerüst hatte zwei Streben, bestehend aus Ober- und Untergurt mit kreuzförmig angeordneten Diagonalstäben. Schon bei den ersten deutschen Gerüsten waren die Streben fischbauchförmig ausgeführt. [4] Zwischen den Streben sorgten Querverbände zur Aussteifung. Nur wenige Gerüste dieser Art sind erhalten geblieben, von denen das Gerüst des Schachtes Teutoburgia 2 am besten die ursprüngliche Konstruktionsidee widerspiegelt. Die Beispiele aus den 1920er Jahren – nun bereits unter Verwendung von Blechträgers – zeigen, wie lange diese Konstruktionsidee tragfähig blieb.


Urform Deutsches Strebengerüst. Promnitz

In Reaktion auf steigende Kosten beim Abteufen der Schächte, bedingt durch größere Teufen und schwierige geologische Verhältnisse, wurden die Förderschächte zunehmend mit zwei Fördereinrichtungen zur Doppelförderung versehen. Das Promnitz-Gerüst wurde für diese Art der Förderung mit vier nebeneinander liegenden Seilscheiben ausgestattet und zur Abtragung der dadurch entstehenden höheren Lasten in zwei Varianten fortentwickelt.

Bei der ersten Variante (Promnitz 2) wurden die kastenförmig ausgebildeten Streben unter dem Gerüstkopf durch querliegende Blechträger zusammengefasst. Auf diesen Blechträgern lagern neben und zwischen den Seilscheiben mehrere Fachwerkträger, die als Seilscheibenträger Streben und Führungsgerüst miteinander verbinden. Kurze „Stummelstreben“, die sich aus den hauptstreben heraus entwickeln, Aufweitungen der Hauptstreben im oberen Bereich, oder K-Fachwerk zwischen den Streben nehmen die höheren Lasten aus der Mitte des Gerüstkopfes auf.

In einer weiteren Variante (Promnitz 3) wurden die beiden seitlichen Streben durch eine Mittelstrebe ergänzt. Die wieder mit Ober- und Untergurt ausgebildeten Streben sind durch Querriegel untereinander ausgesteift und werden unter dem Gerüstkopf durch horizontale Blechträger miteinander verbunden. Ein solches Dreistrebengerüst allerdings in Holzkonstruktion hatte bereits Eichenauer 1877 vorgestellt. [5] Erst mit Verbreitung der Doppelförderung und den Gerüstköpfen mit vier nebeneinander liegenden Seilscheiben wurde die mittlere Strebe zur Unterstützung der mittleren Seilscheiben häufiger eingesetzt.

zoll10
Essen, Zollverein Schacht 10. Fördergerüst Promnitz 2

Das Promnitz-Gerüst ist ein statisch mehrfach unbestimmtes Raumtragwerk, dessen Kopfbau ein äußerst kompliziertes, in seiner statischen Wirkung kaum zu erfassendes Bauteil ist. Biegebeanspruchungen im Gerüstkopf und an den Fußpunkten von Führungsgerüst und Streben führten in der Praxis zu Verformungen oder mussten mit besonders reichlicher Bemessung der verwendeten Profile - also mit einer als unökonomisch erachteten Bauweise - begegnet werden. Konstrukteure und Herstellerfirmen bemühten sich daher zur Jahrhundertwende neue Konstruktionsformen zu finden, die sich exakt berechnen ließen und eine minimierte Bemessung der Stahlbauteile zuließen. Das Ergebnis dieser Bemühungen waren die Bauarten Saar, Zschetsche und Klönne.

Die um 1900 entwickelte Bauart Saar, benannt nach Herkunfts- und Hauptverbreitungsgebiet, hatte den englischen Bock zum Vorbild. Die Seilscheiben wurden im Schnittpunkt von Strebe und der schräg auf die Streben zuführenden Rückwand des Führungsgerüstes angeordnet. Unter Aufgabe des Seilscheibenträgers war hier ein klares statisches System entwickelt worden. Das Führungsgerüst blieb aber stark belastet und wurde unrationell zur Kraftaufnahme herangezogen, wie Möhrle 1909 kritisierte. [6] Charakteristisch für diese Gerüste sind auch die halbkreisförmig ausgebildeten Gurte zur Aufnahme einer Kranbahn, die zur Auswechslung der Seilscheiben genutzt wurden.

Bauart Saar
Bauart Saar

Mit den Konstruktionen von Zschetsche 1898 und Klönne 1903, die sich beide patentieren ließen, wurde der Versuch unternommen, durch Einfügung von Gelenkverbindungen das Fördergerüst in ein statisch bestimmtes Dreigelenksystem zu überführen. Die Konstruktion von Zschetsche bestand im wesentlichen aus zwei Neuerungen. Die Streben setzten sich nicht mehr wie bei den Promnitz-Gerüsten aus Ober-und Untergurt mit entsprechenden Diagonalstäben zusammen. Sie waren vielmehr kastenartig ausgebildet, entwickelten sich punktförmig aus den Fundamenten heraus, weiteten sich nach oben zunehmend auf, um sich unter dem Gerüstkopf zu vereinen. Das Auflager der Streben auf ihren beiden Fundamenten sollte gelenkartig ausgebildet werden, so wie man es seit einiger Zeit zuweilen schon bei Brücken und Hallen praktizierte. (Die erste Dreigelenkhalle konstruierte Johann Wilhelm Schwedler 1865.) Am Gerüstkopf dachte sich Zschetsche ebenfalls zwischen Streben und Führungsgerüst Gelenkverbindungen. Zugleich sollten die Querverstrebungen im obersten Feld des Führungsgerüstes entfallen, damit Horizontalkräfte sich darauf nicht übertragen.

Während nach Zschetsche das Führungsgerüst nur einseitig vertikal belastet werden sollte, machte Klönne den Vorschlag, das Führungsgerüst oben und unten spitzwinklig auszubilden, so dass die Vertikallasten mittig darauf einwirken. Die beiden Strebenbeine waren bei Klönne analog zum Zschetsche-Gerüst ausgebildet.

Baulich korrekt ausgebildete Gelenkverbindungen wie von Zschetsche und Klönne vorgeschlagen, blieben in dieser Phase der Entwicklung jedoch eine theoretische Vorstellung, die in die Praxis kaum Eingang fand. Die Praktiker auf den Zechen waren die funktionierenden Promnitz-Gerüste gewohnt und brachten den Neuentwicklungen psychologische Vorbehalte entgegen, zumal die Gelenke die Gerüste im Förderbetrieb möglicherweise zusätzlich in Schwingung versetzen könnten. Zudem waren Gelenkausbildungen konstruktiv aufwendiger und damit teurer. Von den nur selten ausgeführten Klönne-Gerüsten sind zwei über den Schächten Auguste Victoria 1/2 in Marl erhalten. Ein drittes Exemplar ist im sächsischen Steinkohlenbergbau überliefert. Auf ausgeprägte Gelenkausbildungen wurde bei den beiden Gerüsten in Marl wohl von vornherein verzichtet. Das Führungsgerüst steht konventionell auf den Schachtträgern und die Gelenke unter den Trägern der Seilscheibenbühne bestehen aus handtellergroßen, vernieteten Blechplatten.

augustevictoria
Marl. Zeche Auguste Victoria. Fördergerüst Bauart Klönne

Auch bei den zahlreich erhaltenen Zschetsche-Gerüsten fehlen die Gelenkverbindungen. Ebenso auf die Diagonalstäbe im oberen Gefach des Führungsge­rüstes wurde nicht im Sinne des Erfinders verzichtet. Immerhin wurde aber die von Zschetsche entwickelte Strebenausbildung mehrfach verwirklicht, dies war eine Konstruktion, die mit viel Raffinesse durch Stützung der beiden mittleren Seilscheiben den gleichen Zweck erfüllte wie die Dreistrebengerüste. Zschetsche hatte in seiner Patentschrift auch angegeben, dass sich seine Konstruktion besonders für Doppelförderung eigne. Die elegante Linienführung der Streben übt eine beachtenswerte ästhetische Wirkung aus.

Mit der für den Fördervorgang geradezu revolutionären Erfindung des Ingenieurs Karl-Friedrich Koepe ergab sich auch für Konstruktion und Gestalt der Fördergerüste eine wesentliche Variante. Koepe hatte 1877 eine Idee entwickelt, mit der die traditionellen Seiltrommeln, auf denen sich die Förderteile gegenläufig auf bzw. abwickelten, ersetzt werden durch eine Treibscheibe, über die das Förderseil nur einmal herumgeführt und durch Reibung in Bewegung gesetzt wird. Koepes Idee setzt sich erst in den 1890er Jahren durch, als mit zunehmender Teufe der Schächte das Gewicht der Förderseile ständig wuchs und zu einem technisch-konstruktiven Problem wurde. Prinzipiell lässt sich die Koepe-Förderung auch mit Fördergerüsten verwirklichen, die mit nebeneinander liegenden Seilscheiben ausgestattet sind. Der neuen Fördertechnik angemessener ist jedoch eine Fördergerüstart mit übereinander angeordneten Seilscheiben. Diese Gerüstkonstruktion wurde zwar nicht von Karl-Friedrich Koepe entwickelt (das erste Gerüst dieser Art wurde 1877 wieder durch Promnitz konstruiert), doch gilt es in der Literatur wegen seiner engen Verknüpfungen mit der spezifischen Fördertechnik als Koepe-Gerüst. Nur wenige dieser zweigeschossig ausgebildeten Gerüste sind erhalten geblieben. Zwei von ihnen sind mit durchlaufender Strebe konstruiert. Die untere Seilscheibenbühne ist bei diesem Gerüsttyp an Streben und Führungsgerüst eingehängt. Eine elegante Sonderkonstruktion weist das Gerüst Consolidation 8 auf. Bis unter die untere Seilscheibenbühne sind die Streben nach der Bauart Zschetsche geformt. Die obere Bühne wird durch eine aufgesetzte Kurzstrebe getragen. Das älteste zweigeschossige Strebengerüst in Alsdorf für den Hauptschacht der Grube Anna folgt mit einer über der unteren Seilscheibenbühne ansetzenden Stuhlkonstruktion einer Idee, die Promnitz 1877 entwickelt hatte. Im Kopf dieses besonders mächtig wirkenden Gerüstes sind abweichend von den bekannten Beispielen vier Seilscheiben paarweise übereinander angeordnet. Mit dieser Variante reagierte man auf die beengten Grundstücksverhältnisse auf dem Zechengelände und vermied die im Aachener Revier weniger übliche Reihung von vier nebeneinander liegenden Seilscheiben.

Die stets zweigeschossig ausgebildeten Doppelstrebengerüste sind mit ihren übereinander liegenden Seilscheiben auch auf die Verhältnisse der Koepe-Förderung ausgerichtet und ermöglichen zugleich die Doppelförderung aus einem Schacht. Das erste Gerüst dieser Art entstand wohl 1896 für den Schacht 6 der Zeche Zollverein in Essen. Wie bei den Einstrebengerüsten wurden auch hier die beiden Varianten mit durchlaufenden Streben und mit aufgesetztem Stuhl verwirklicht. Insgesamt sind von diesem Typ in Fachwerkbauweise nur zwei Exemplare im deutschen Steinkohlebergbau erhalten geblieben.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Konstruktion der Fördergerüste von einer Tendenz beherrscht, die sich auch im übrigen Bereich des Stahlbaus durchsetzte, indem die filigranen Fachwerkkonstruktionen durch Vollwandkonstruktionen abgelöst wurden. Diese Tendenz war sehr stark auch von baukünstlerischen Vorstellungen geprägt, denn man wollte die nun als verwirrend empfundene Linienführung und wie Peter Behrens einmal – allerdings in einem anderen Zusammenhang – formulierte, das Drahtmäßige, Unübersichtliche, Dünnliche der überkommenen Fachwerkkonstruktionen überwinden. [7] Obwohl es auch in konstruktiver Hinsicht für die Fördergerüste mit den sich über immer größere Flächen erstreckenden Knotenblechen Ansätze in Richtung Vollwandbauweise schon vor dem Ersten Weltkrieg gab, wurde das erste vollständig in Vollwandbauweise konstruierte Gerüst erst 1925 für die Kaligrube Buggingen in Baden erbaut. Diesem Gerüst ging ein interessanter Wettbewerb voraus, den die Gutehoffnungshütte intern unter den firmeneigenen Konstrukteuren und Architekten ausschrieb. Der Wettbewerb sollte Entwürfe bringen, mit denen eine sachliche und ruhigere Gestaltung, ein gut durchgebildeter Gerüstkopf, ein harmonischer Zusammenhang mit den anderen Bauteilen der Zeche und eine Einheit mit dem umgebenden Landschaftsbild erreichbar ist. [8] In diesem Sinne verzichtete man für das Gerüst der Kaligrube in Buggingen auf Diagonalstäbe zugunsten biegesteifer Rahmen, sowie auf die Ausbildung einer Kranbahn.


Typologie Fördergerüste in Vollwand- und Kastenbauweisen


Bauart Dörnen

doppelstrebenVollwand
Doppelstrebengerüst Vollwandbauweise

turm
Turmgerüst


Kastenprofile - Bauart Hoischen

Es liegt auf der Hand, dass der Einsatz von Vollwandträgern auch in der Fördertechnik die Verwendung von Schweißverbindungen förderte. Zugleich wurde mit den technischen und ästhetisch ausgereiften Vollwandgerüsten eine Grundlage dafür geschaffen, dass in Deutschland die Stahlfördergerüste dominierend blieben, während etwa im benachbarten Belgien gerade in den 1920er Jahren sich Stahlbetonkonstruktionen durchsetzten.

Eine der erfolgreichsten Gerüstkonstruktionen in der Nachfolge Buggingens war die Bauart Dörnen. Der Ingenieur Johannes Dörnen orientierte sich bei dem Entwurf für das Fördergerüst der Schachtanlage Robert Müser in Bochum an dem statischen System der Klönne-Gerüste, verzichtete aber von vornherein auf eine Gelenkausbildung am Fuß des Führungsgerüstes und an den Fußpunkten der Streben. Charakteristisch für das Dörnen-Gerüst ist die rahmensteife Eckverbindung zwischen Strebe und Seilscheibenbühne. Es entsteht dadurch ein Bauteil, das wie ein umgedrehter Eishockeyschläger wirkt. Die Verwandtschaft dieses Bauteils mit dem Gerüst in Buggingen ist offensichtlich. Das Gelenk zwischen dem spitz zulaufenden Führungsgerüst und der Seilscheibenbühne ist wieder durch mehrfach übereinander geschichtete handtellergroße Stahlbleche hergestellt. Auf die in Buggingen verwirklichten biegesteifen Rahmen zwischen den Streben wurde verzichtet zugunsten eines K-förmig ausgebildeten Fachwerks aus Vollwandträgern – eine Lösung, die dem mit 57,0 m Höhe besonders großem Gerüst die notwendige Steifigkeit verleihen sollte und auch für die zahlreichen Folgegerüste Verwendung fand.

helene
Zweigeschossiges Gerüst der Bauart Dörnen 2 mit Gelenkauflager. Zeche Helene & Amalie. Essen

Wie schon das Klönne-Gerüst, so konnte sich auch das Dörnen-Gerüst in reiner Form nicht durchsetzen. Die konstruktiv aufwendigere Form des oben spitzwinklig zulaufenden Führungsgerüstes wurde schon bald aufgegeben, indem ein entsprechend stark dimensionierter Horizontalriegel als oberer Abschluss des Führungsgerüstes und als Auflager für die Gelenke unter der Seilscheibenbühne diente. Das erste Gerüst dieser Art wurde wohl von Fritz Schupp und Martin Kremmer 1929 für den Schacht 2 der Zeche Bonifacius realisiert. Da das von Johannes Dörnen entwickelte konstruktive Prinzip nur eine leichte Modifikation erfuhr, soll diese Variante als Dörnen 2 bezeichnet werden. Es ist eine sehr erfolgreiche Bauart gewesen, die häufig auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg Anwendung fand und auch für zweigeschossige Gerüste verwirklicht wurde. Seit den 1920er Jahren wurden auch häufiger echte Gelenkausbildungen ausgeführt.

Ein gestalterischer Höhepunkt im Fördergerüstbau wurde mit Übertragung der Vollwandbauweise auf die Doppelstrebengerüste erreicht. Das 1930 für Zollverein 12 in Essen entstandene Gerüst ist mit dem sorgfältig austarierten, mal schlanker mal stärker dimensionierten Blechträgern das vielleicht schönste Fördergerüst dieser Art. Es fand zahlreiche Nachahmungen auch noch in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Für den Schacht Lohberg 2 in Dinslaken gelang dem schon für die Gestaltung von Zollverein verantwortlichen Architekten Fritz Schupp noch einmal eine originelle Variante dieses Gerüsttyps.

zollverein
Essen. Zollverein 12

Eine in den 1930er Jahren entwickelte Sonderform stellen die Turmgerüste dar. Die Vorteile des Turmfördergerüstes galten noch nach dem Zweiten Weltkrieg als derart gewichtig, dass es neben dem Förderturm als einzige sinnvolle Alternative angesehen wurde. [9] Ein besonders eindrucksvolles Beispiel eines Turmgerüstes wurde 1936/37 über dem Franz-Lenze-Schacht der Zeche Walsum in Duisburg errichtet. Mit seinen genieteten Kastenprofilen leitet es über in die Phase nach dem Zweiten Weltkrieg.

gneisenau
Dortmund. Zeche Gneisenau. Turmfördergerüst

Ganz neue Möglichkeiten der Gestaltung eröffneten sich nach dem Krieg durch die konsequente Nutzung der Schweißtechnik, indem Stahlbleche zu Kastenprofilen zusammengefügt wurden. Mehr denn je erhielten die Stahlfördergerüste dadurch einen körperhaften Charakter, der stark an Stahlbetonkonstruktionen erinnert.

niederberg
Kepmen. Schacht 4 der Zeche Niederberg. Fördergerüst Bauart Hoischen in Kastenbauweise

Das Ruhrgebiet ist die Herkunftsregion und das Hauptverbreitungsgebiet des Strebengerüstes der Bauart Promnitz. Mehr als 50 Jahre lang wurde der Bergbau zwischen 1875 und 1925 durch diese Fördergerüste in Technik und Erscheinungsform geprägt. Angesichts der Bedeutung dieser Konstruktionsart ist es nur folge richtig, wenn das rheinische und westfälische Amt für Denkmalpflege hier einen Schwerpunkt setzt.

Mit dem Versuch die Fördergerüste statisch berechenbar zu machen und zwar mit dem ausdrücklich genannten Ziel, die Bauteile geringer zu dimensionieren, um damit Material und Kosten zu sparen, dokumentiert sich in den Fördergerüsten der Bauarten Saar, Zschetsche und Klönne geradezu ein Grundzug, der das Bauingenieurwesen und speziell den Stahlbau des 19. und frühen 20. Jahrhunderts beherrschte. Rationalität in Verbindung mit dem Zwang zur Wirtschaftlichkeit förderten die Verwissenschaftlichung des Bauwesens. Die Geschichte der Fördergerüstkonstruktion belegt eindrucksvoll diese Tendenz in der Geschichte des Bauingenieurwesens.

Nachdem die Formen der zweigeschossigen Fördergerüste für Koepe-Förderung gefunden waren, bieten die Vollwandkonstruktionen in statischer Hinsicht tatsächlich nur den Nachvollzug bekannter Formen. Die Bedeutung der Vollwandkonstruktion liegt vorrangig im gestalterischen Bereich. Ihre klare, ruhige und sachliche Ausprägung verbindet sich mit einer Stilrichtung, die als Konstruktivismus in die Architekturgeschichte einging. Die Vollwandbauweise ist das Ausdrucksmittel der klassischen Moderne im Stahlbau. Ganz neue Tendenzen mit der Kreation eigenständiger Formen bieten noch einmal die nach dem Zweiten Weltkrieg auf kommenden Gerüste unter Verwendung der Kastenprofile.

 

Literatur
[1] Bernd und Hilla Becher haben ihre Fotos in zahlreichen Ausstellungen präsentiert. Von ihren Veröffentlichungen seien genannt:
Bernhard und Hilla Becher, Die Architektur der Förder- und Wassertürme, München 1971 und Bernd und Hilla Becher, Fördertürme Chevelements Mineheads, München 1985

[2] Heinrich Schönberg, Die technische Entwicklung der Fördergerüste und -türme des Bergbaus, in: Bernhard und Hilla Becher a.a.O., 1971

[3J E. Tomson, Förderanlagen für große Teufen, Essen 1989

[4] A. Eichenauer, Die Seilscheibengerüste der Bergwerks-Förderanlagen, Leipzig 1877, S. 115 f.

[5] Heinrich Schönberg, a.a.O.

[6] Th. Möhrle, Das Fördergerüst, Breslau 1909, S.47

[7] Tilmann Buddensieg, Industriekultur. Peter Behrens und die AEG (1907-1914), In: Tilmann Buddensieg/Henning Rogge (Hg). Peter Behrens und die AEG 1907-1914, Berlin 1990, S. 62

[8J John Wolff, Neuzeitliche Fördertechnik, in: Die Bautechnik 6, 1928, S. 409-412

[9] H. Prüß, Neuzeitliche Fördergerüste, in: Der Stahlbau 25,1956, S. 90-97; Hermann Schäfer, Die Planung von Schachtförderanlagen als Grundlage für den Bau von Übertageanlagen von Steinkohlezechen im Ruhrgebiet, 1953

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