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Grubenfeld Zeche Rheinpreußen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

foerderturm 4
Förderturm

 

Objektführer / Duisburg / Route der Industriekultur / Bergbau

Duisburg_Schacht Gerdt / Rheinpreußen 8
Kohlenstraße 10

 

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Förderturm und Lüfter. Foto 1991

Walter Buschmann
Schacht Gerd tin Duisburg / Rheinpreußen 8

Die Zeche Rheinpreußen gehörte seit der Konzessionserteilung im Jahr 1857 immer zu den technisch leistungsstärksten und flächenmäßig größten Bergwerken des Ruhrgebiets. Franz Haniel hatte vom Bergamt Düren die Abbauberechtigung für ein Kohlenfeld mit einer Größe von 93,84km2 erhalten. Es war klar, dass eine Abbauberechtigung dieser Größenordnung nur mit mehreren, räumlich verteilt angeordneten Schachtanlagen erschlossen werden konnte. Dabei machte die lang andauernde Realisierung der ersten Schachtanlage 1/2 von 1857 bis 1880 die großen Probleme bei der Abteufung von Schächten in direkter Rheinnähe deutlich. Die für die erste Doppelschachtanlage errichtete Malakowanlage in Homberg verkörperte nach den gleichartigen Haniel-Zechen Zollverein in Essen-Katernberg und Oberhausen in Oberhausen den technischen und architektonischen Anspruch dieser im Ruhrbergbau so erfolgreichen Unternehmerfamilie.

Dem Gründungsschacht folgte in nächster Nachbarschaft der Schacht 3. Die Schächte 4 und 5 wurden im nördlichen Feldteil bei Moers 1900-1907 abgeteuft und mit Doppelfördergerüste ausgestattet. Auch die Schächte 6 und 7 entstanden 1922 und 1932 im Norden der Konzession und wurden seit 1927 als eigenständiges Bergwerk unter dem Namen Pattbergschächte betrieben. Trotz dieser Ausgliederung blieb man der einmal begonnenen Schachtnummerierung treu. 1941-45 entstand direkt am Rhein der Wetterschacht 8. Dieser auch unter dem Namen Gerdt betriebene Schacht wurde 1955-57 für Seilfahrt und Materialförderung ausgebaut und erhielt einen Förderturm nach Plänen von Fritz Schupp. Zur weiteren Geschichte des Bergwerks gehört 1958-62 der Bau des Zentralförderschachtes 9 in direkter Nachbarschaft zum Schacht 5. Mit dessen Inbetriebnahme wurden die Schächte 4 und 5 nicht mehr zur Förderung genutzt. Die Gründungsschachtanlage war schon 1925 stillgelegt worden. Seit 1971 waren Rheinpreußen und die Pattbergschächte unter dem Namen Bergwerk Rheinland wieder zu einer Einheit verbunden. Bis mindestes 1986 war es das größte Bergwerk im Ruhrgebiet. Am Schacht Gerdt war schon 1967 die Seilfahrt wieder aufgegeben worden. Der Schacht wurde danach weiterhin zur Wetterführung und Materialförderung genutzt.

Die Schachtanlage
Kernstück der Schachtanlage ist der nur wenige hundert Meter vom linken Rheinufer 1955-59 errichtete, von Fritz Schupp gestaltete Förderturm. Der in Stahlfachwerkkonstruktion erbaute Turm ist in seiner Ausprägung hervorgegangen aus  seit den 1920er Jahren entwickelten und erstmals umfangreich für den Zentralschacht Zollverein 12 verwirklichten Industriearchitektur von Fritz Schupp, damals noch mit seinem Partner Martin Kremmer. Die Stahlfachwerkarchitektur ist gekennzeichnet durch gestreckt horizontale Gefachausbildungen für die Mittelfelder. An den Gebäudeecken wechseln die Gefachfelder in annähernd quadratische Fromate. Die Mittelachsen der vier Turmfassaden sind dabei als durchlaufende, vertikale Fensterbänder mit schlanken, stehenden Scheibenformaten ausgebildet. Auf Höhe der Fördermaschinenbühne wird die aufstrebende Linienführung der Fensterbänder unterbrochen durch Balkone jeweils in ganzer Breite des Fensterbandes. Die Ziegelausfachungen in den Gefachfeldern sind bündig mit den in rot gestrichenen Stahlprofilen gesetzt.

Der Turm wird im unteren Bereich durch kleine, aus der Flucht der Turmfassaden leicht einspringende Anbauten für die Schachthalle flankiert. Diese Anbauten sind ebenso wie der Turm in Stahlfachwerkarchitektur ausgebildet und werden axial von vertikalen Fensterbändern durchbrochen. Am Turm und an den Flügelbauten befinden sich die für die 1930er und 40er Jahre typischen Rinnenkessel mit rautenförmigem Ziermuster über den Fallrohren.

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Förderturm. Foto 1991

Im Inneren wird die Konstruktion des Turmes unter der Fördermaschinenebene durch äußerst mächtige Fachwerkträger geprägt. Das Fördermaschinengeschoß selbst wird durch an den Ecken sanft gerundete Stahl-Vollwandträger geprägt.

Zur Turmausstattung gehört das durch alle Geschosse bis unter die Fördermaschinenebene reichende Führungsgerüst mit Schachttoren und Einrichtungen des Anschlägers auf Hängebankebene.

Auf der Fördermaschinenebene erhalten ist die Elektrofördermaschine mit zwei Elektromotoren und Treibscheibe. Das Getriebe zwischen Motoren und Treibscheibe von der Gutehoffnungshütte ist laut Typenschild von 1959. Die Treibscheibe für Zweiseilförderung hat einen Durchmesser von 5,0m. Die Fördergeschwindigkeit betrug 10 m/s. Das Steuerpult mit Teufenzeiger und der Fahrtenregler sind aus der Bauzeit des Turmes mit einer verglasten Einhausung für den Fördermaschinisten erhalten. Unter der Fördermaschinenbühne befinden sich zwei Ablenkscheiben.

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Fördermaschine

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Steuerpult des Fördermaschinisten

Auf Fußbodenniveau sind noch die Gleisanlagen für die Materialförderung vorhanden.

Zur Gesamtanlage des Wetter- und Seilfahrtschachtes gehört noch ein Kauen- und Bürogebäude, eine 5-kV-Schaltanlage und die in Beton erbauten Diffusoren der 1978 und 1986 erneuerten Lüfter.

Landmarke und bedeutendes Zeugnis der Bergbaumoderne
Bedingt durch die dichte Rheinlage hat der Förderturm des Schachtes Gerdt die Wirkung einer Landmarke im umliegenden Landschafts- und Stadtbild und ist besonders gut von der nahe vorbeiführenden Autobahn A 42 zu sehen. Der Turm steht auch in einem optischen Wirkungsverhältnis zur eng am Turm vorbeiführenden 1910-12 erbauten Haus-Knipp-Brücke. Der Turm akzentuiert das symmetrisch aufgebaute Linienelement der Brücke durch eine aufstrebende Vertikalform.

In architekturgeschichtlicher Hinsicht bietet der Förderturm des Schachtes Gerdt ein weiteres Zeugnis, der von Fritz Schupp und Martin Kremmer seit den späten 1920er Jahren entwickelten Ästhetik der kubisch ausgebildeten Stahlfachwerkarchitektur. Mit den schlichten Rechteckformen greift Fritz Schupp erneut das sein Lebenswerk prägende Thema der vom Bauhaus geprägten Architekturauffassung auf. Dabei sind die sichtbaren Elemente der Stahlkonstruktion zurückzuführen auf die konstruktivistischen Ideen der 1920er Jahre, wobei auch hier in Baerl die zur Queraussteifung des Bauwerks notwendigen Diagonalverstrebungen auf das Turminnere verlagert wird. So ergibt sich die erwünschte ruhige Binnenstruktur der Fassaden, die in ihren kubischen Wirkungen noch unterstrichen werden durch die farblich den Ziegelausfachungen angeglichenen Stahlteile sowie die bündig mit den Stahlprofilen angeordnete Ziegelausfachung und Fensterflächen. Die aus dem Turmkubus vorspringenden Balkone und Flügelanbauten unterstreichen die betont schlichte, auf abgewogene Proportionierung bedachte Formgebung. Typisch für die von Schupp und Kremmer entwickelte Architektursprache ist die vielfach im Werk der Architekten auftauchende Symmetrieelemente. Sie dienen – nach Auffassung der Architekten – zur besseren Vermittlung und Bewältigung großformatiger Baukörper. Die Verwendung großer Glasfläche, hier überwiegend als vertikale Formelemente eingesetzt, gehörten schon in den 1920er Jahren zum Formrepertoire wurden nach dem Zweiten Weltkrieg von Fritz Schupp aber vermehrt als Stilelement eingesetzt.

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Förderturm mit Balkon auf Fördermaschinenebene.

Der Schacht Gerdt gehört zudem zur Bergbaugeschichte des linken Niederrheins, verdeutlicht den rheinnahen Abbau von Kohle und die zur Erschließung der großen Kohlefelder notwendige Vielzahl von Schachtanlagen dieser ausgedehnten Bergwerke. Die Idee des aus mehreren Schachtanlagen bestehenden Großbergwerks geht eigentlich schon auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück und wurde in mehreren Entwicklungsperioden verfeinert. Um 1930 formulierte der für die Zeche Walsum zum Werksdirektor berufene Wilhelm Roelen dieses Konzept noch einmal auf dem Hintergrund der damaligen technischen Entwicklung. Danach sollte eine leistungsstarke Zentralschachtanlage ergänzt werden durch fünf oder sechs Außenschachtanlagen für Wetterführung, Seilfahrt und Materialtransport. Dieser Idee des Verbundberegwerks folgend sind ergänzend zu den Förderschächten mit ihren komplexen Architekturen kleine Außenschachtanlagen entstanden, von denen einige wenige als Baudenkmale im Ruhrgebiet erhalten werden sollen: Osterfeld IV in Oberhausen, Consolidation 8 in Gelsenkirchen, Minister Achenbach 4 in Lünen, Rote Fuhr in Dortmund, Erin 3 in Castrop Rauxel. Schacht Gerdt soll als weiteres Beispiel dieses Schachttyps zur Überlieferung dieses Aspektes der Bergbaugeschichte beitragen.

In der Ausbildung der Fördereinrichtungen hat es im Ruhrgebiet eine eindrucksvolle Abfolge von Stollenförderung, Schachthausanlagen, Malakowanlagen, Fördergerüst- und schließlich Förderturmzechen gegeben. Der Förderturm mit der Fördereinrichtung direkt über dem Schacht im Turmkopf war die letzte Ausbildungsform eines bergbautypischen Architekturelements. Der Förderturm galt lange Zeit als die Ultima Ratio der Fördertechnik, weil damit die platzraubenden Fördermaschinenhäuser und die ausladenden Streben der Fördergerüste vermieden werden konnten. Zudem war nur mit der Turmform ein vollständiger Witterungsschutz für die Förderseile möglich. Entwickelt wurde diese Idee schon 1876(Zeche Hannover/Bochum). Doch vermehrt eingesetzt wurde die Technik erst seit etwa 1900. Sie erlebte ihre weiteste Verbreitung in den 1950er Jahren. In den letzten Jahrzehnten wurden vermehrt auch wieder Fördergerüste gebaut. Als Konstruktionsmaterial setzte sich der Stahl durch. Seltener wurde Stahlbeton, zuweilen auch Backstein verwendet. Der Schacht Gerdt zählt zu den Turmbeispielen mit vollständig umschlossenem Turmschaft.

Literatur
L. Achepohl, Das niederrheinisch-westfälische Bergwerks-Industrie-Gebiet. 1. Aufl. 1888, 2. Aufl. Berlin 1894

Der Bergbau auf der linken Seite des Niederrheins. Festschrift zum XI. Allgemeinen deutschen Bergmannstage in Aachen, Berlin1910

Beschreibung der Anlagen der Gewerkschaft des Steinkohlenbergwerks Rhein­preußen und der Gewerkschaft des Steinkohlenbergwerks Rheinland. Homberg o.J. (etwa 1931)

Blees, W: Die Schachtbohrarbeiten im schwimmenden Gebirge im Concessionsfelde Rhein­preussen bei Homberg, in: ZBHS 11, 1863, S. 43-63

Boldt, Hermann/Vorstand Bergbau AG Niederrhein (Hg.), 125 Jahre Steinkohlenbergbau am linken Niederrhein. Duisburg 1982

Boldt, Hermann/Rabe, Horst: Das Verbundbergwerk Rheinland, in: Glückauf 117, 1981, Nr. 1, S. 5-13.-

Cleff, Wilhelm: Zeche Rheinpreußen. Ein deutsches Steinkohlenbergwerk, Berlin 1932.- 8. Führer..., 1880.- 9. Gebhardt, 1957

Haniel, John: Die Schachtbohrarbeiten im schwimmenden Gebirge beim Schachte No II des Conzessionsfeldes Rheinpreussen bei Homberg, in ZBHS 23, 1875, S. 236-255

Wilhelm und Gertrude Hermann, Die alten Zechen an der Ruhr, Königstein/Taunus 3. Aufl. 1981, 6. Auflage 2008

Hochstrate, Die Kohlen-Aufbereitung auf der Steinkohlenzeche Rheinpreußen bei Homberg a. Rhein, in: ZBHS 33, 1882, S. 279-285

Hundert Jahre Bergbau am linken Niederrhein 1857-1957. Aus der geschichtlichen Entwicklung der Rheinpreussen AG für Bergbau und Chemie, Homberg. Darmstadt o.J. (1957)

Joachim Huske, Die Steinkohlenzechen im Ruhrrevier, Bochum 1987

Kgl. Oberbergamt Bonn (Hg.): Beschreibung des Bergreviers Düren, Bonn 1902

Landkreis Moers (Hg.): 100 Jahre Kreis Moers. Festschrift zur Feier des 100jährigen Bestehens. o.O., 1957

Müller, Walter: Die Zusammenfassung der Bergbaubetriebe der Rheinpreußen AG für Bergbau und Chemie, in: Glück­auf 103, 1967, Nr. 25.- 18

Phillipi, Elektrische Hauptschachtfördermaschine auf Schacht II der Zeche Rheinpreußen Homberg a. Rhein, in: Elektrische Kraftbetriebe und Bahnen 11, 1913 Nr. 21, S. 421-429

Rheinpreußen AG für Bergbau und Chemie Homberg (Hg.), Unser Werk in Geschichte und Gegenwart. Homberg, o.J. (1951)

Slotta, Rainer: Zur Denkmalwürdigkeit der Tagesanlagen am Schacht Rheinpreußen 4 (unveröff. Manuskr. DBM BA)

Spethmann, Hans: Franz Haniel. Sein Leben und seine Werke, Duisburg 1956

Steinkohlenbergwerk Rheinpreußen 1857-1907. Zur Erinnerung an das 50jährige Beste­hen des Steinkohlenbergwerks Rheinpreußen zu Homberg. Homberg 1907

Stroemer, Dietrich: Die Schachtanlagen V und IX in der Geschichte des Bergbaus am linken Niederrhein, o.J. o.O. (um 1990)

Wagner, H.: Vierte Betriebsperiode der Schachtbohrarbeiten im schwimmenden Gebirge bei Schacht I des Conzessionsfeldes Rheinpreußen und Anschluß dieses Schachtes an das feste Gebirge. in: ZBHS 27, 1870, S. 1-17

Werk und Mensch. Werkszeitung der Bergbaugesellschaften "Rheinpreußen" und "Neumühl", 1. Jg. 1951 bis 19. Jh. 1969

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