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Essen_Siedlungswerk Krupp
Alfredshof, um 1926(nicht erhalten)
Walter Buschmann
Siedlungswerk Krupp
Das Siedlungswerk der Firma Krupp dürfte in vielerlei Hinsicht weltweit einzigartig sein. Das gilt sowohl für Quantität und Qualität der entstandenen Siedlungen und Wohnungen wie auch für den Umfang und die Vielfalt an Dokumentationen und Reflexionen zum Krupp’schen Wohnungsbau. Zwar ist die euphorische Einschätzung von Richard Klapheck, das Siedlungswerk Krupp sei ein Kompendium des Arbeiterwohnungsbaus im rheinisch-westfälischem Industriegebiet von den ersten Anfängen 1863 mit den Meisterhäusern an der Hügelstraße bis zur Gegenwart überzogen. Dennoch spiegeln sich hier besonders in der Zeit zwischen 1870 und 1914 wesentliche Tendenzen, die schon frühzeitig auch in ihrer Bedeutung erkannt wurden.
Nach den nüchtern-dokumentarischen, gleichwohl von großer Qualität in Aufmachung und Dokumentationsart von dem Unternehmen veröffentlichten Ausgaben über die „Wohlfahrtseinrichtungen der Gussstahl-Fabrik Fried. Krupp in Essen an der Ruhr“ von 1876, 1883, 1902 und 1911 äußerte sich 1913 erstmals ein renommierter Kunsthistoriker, der in Aachen lehrende Albert Erich Brinckmann zu den Krupp-Siedlungen und brachte im gleichen Jahr eine Monographie in Buchform über die Margarethenhöhe in Essen heraus.
Noch ergiebiger als die Darstellung von Brinckmann zu den Krupp-Siedlungen war die 1917 von Hermann Hecker hervorgebrachte Publikation zum gleichen Thema. Der Architekt Hermann Hecker hatte an der TH München und in Aachen studiert und war in Aachen Schüler und Assistent von Karl Henrici. Seine Promotion hatte er 1908 unter dem Titel „Die Wohnungsfrage und das Problem architektonischen Gestaltens“ herausgebracht. 1905 übernahm Hecker Einrichtung und Leitung der Beratungsstelle des Rheinischen Vereins zur Förderung des Arbeiterwohnungswesens in Düsseldorf, die allerdings während des Ersten Weltkriegs aufgelöst wurden. Die Publikation zu den Krupp-Siedlungen, 1918 in fünfter Auflage erschienen, ist während der freiberuflichen Tätigkeit Heckers als Architekt mit Entwürfen für Siedlungen in Düsseldorf, Wuppertal-Barmen und Duisburg entstanden.
Die von Hecker vorgenommene Einteilung des Krupp’schen Siedlungsbaus in Entwicklungsperioden orientiert sich am architektonisch-städtebaulichen Erscheinungsbild der Siedlungen und ist übertragbar auf den gesamten Siedlungsbau der Zeit bis 1918. Knapp wiedergegeben hatte Hecker folgende Entwicklungsperioden skizziert:
Krupp-Siedlung Schederhof. Beispiel für rastemäßige Anlage(nicht erhalten)
1870er Jahre
schematisch, geradlinige Siedlungsanlagen mit reiner Zweckmäßigkeitsarchitektur
um 1890
malerische Belebung der Einzelhäuser unter Beibehaltung geradliniger Straßenführungen; Villenarchitektur der Häuser mit Giebelchen, Wälmchen, Wechsel von Putz und Rohbau; Knalleffekte wie in der gleichzeitigen Wohnhausarchitektur der Gründerzeitviertel
um 1895
malerischer Charakter auch der Bebauungspläne mit Biegungen, Versetzungen und malerischen Stimmungen
Altenhof I. Malerische Gruppierung der Häuser(teilweise erhalten)
um 1900
Besinnung auf das malerisch, schlichte Bild alter Städte und Dörfer; Hausreihen werden mit Ruhe in das Gesamtbild eingefügt; Entstehung organisch, einheitlicher Gesamtanlagen
um 1905
bewusste Hinwirkung auf Gesamtbilder und Vermeidung betonter Einzelwirkungen; Berücksichtigung der Topographie
um 1918
Vereinfachung der Formen und strenge Kompositionen mit einer noch stärkeren Zusammenfassung der Hauszeilen zu Straßenfluchten und Platzräumen.
Der 1930 von Richard Klapheck über das „Siedlungswerk Krupp“ veröffentlichte Band fügte noch ein Kapitel zur Bautätigkeit der Fa. Krupp in den 1920er Jahre hinzu. Allerdings ist diese Zeit nach dem Ersten Weltkrieg im Siedlungsbau von anderen Tendenzen beeinflusst, so dass dem in dieser Zeit auch bei Krupp stark von subventionierten Bauvereinen geprägten Wohnungsbau keine Aussagen von Allgemeingültigkeit mehr zu entnehmen sind.
Literatur
Klapheck, Richard: Siedlungswerk Krupp, Berlin 1930
Wohlfahrtseinrichtungen der Fried. Kruppschen Gussstahlfabrik zu Essen zum Besten ihrer Arbeiter, Brüssel 1876. – Wohlfahrtseinrichtungen der Fried. Krupp’schen Gußstahlfabrik, 2. Auflage, Essen (Baedeker) 1883, 3. Auflage 1902, Nachtrag zur 3. Auflage (= Bd. 3 Fotos und Zeichnungen) 1911
Brinckmann, Albert Erich: Arbeitersiedlungen der Friedrich Krupp AG in Essen (Alfredhof, Rheinhausen, Altenhof, Baumhof, Friedrichshof, Dahlhauser Heide, Zeche Hannover, in: Baumeister 10, 1912, Heft 9, S. 97-108; Tafel 65-70, Beilage zu Heft 9, S. 8177-8189
Brinckmann, Albert Erich: Neuere Kruppsche Arbeitersiedlungen (Rheinhausen, Alfredshof, Altenhof, Emscher-Lippe, Dahlhauser Heide), in: Moderne Bauformen 11, 1912, S. 301-318, Tafel 52.
Brinckmann, Albert Erich: Margarethe Krupp Stiftung für Wohnungsfürsorge, Darmstadt 1913
Hecker, Hermann: Der Kruppsche Kleinwohnungsbau mit 150 Bildtafeln und vielen Textabbildungen, Wiesbaden 1917 (1. Aufl.; erschienen: 5 Auflagen bis 1918)
Bollerey, Franziska/ Hartmann, Kristiana: Siedlungen aus dem Reg. Bez. Düsseldorf, o. O., o. J. (Essen 1980)
Ruhrlandmuseum(Hg.): Vom Hausen zum Wohnen. Wohnungsbau für Arbeiter zur Zeit der Industrialisierung: Essen ein Beispiel, Essen 1988
Buschmann, Walter: Arbeitersiedlungen. Historische Bedeutung und denkmalpflegerisches Erhaltungsinteresse, in: Rheinische Denkmalpflege 32, 1995, S. 263 – 271
Biecker, Johannes/ Buschmann, Walter(Hg.): Arbeitersiedlungen im 19. Jahrhundert - Historische Entwicklung und Bedeutung, Bochum 1985 |