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Objektführer / Essen / Route der Industriekultur / Zeche Zollverein / Siedlungen / Siedlungen im Essener Nordosten

 

Essen_Siedlung Heinrich-Lersch-Platz, August-Schmidt-Straße, Hegehofsweise, Knappenhof, Diestelbeckhof, Graudenzstr., Dirschaustr.



 

2009
Häuser an der Theobaldstraße. Foto 2009

Walter Buschmann
Siedlung Heinrich-Lersch-Platz

Obgleich von zwei Bauherrn und wechselnden Architekten ausgeführt, kann der Katernberger Siedlungskomplex zwischen Hegestraße im Süden und Distelbeckhof im Norden als eine Einheit verstanden werden. Die Gesamtanlage beruht in dieser Ausdehnung auf einer Planung des Essener Architekten Peter Horrix von 1921/22 für die gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft „Bergmannsiedlung Essen-Nord“, einer Tochtergesellschaft der 1920 in Essen gegründeten „Treuhandstelle für Bergmannwohnstätten“. Die 1921-26 ausgeführte Bebauung folgte einem mit Jan. 1922 datierten Bebauungsplan von Peter Horrix. Der zweite Bauabschnitt entstand 1928-31 durch die Ruhrwohnungsbau AG. Diese Gesellschaft war 1928 durch sieben bedeutende Bergwerks- und Hüttenbetriebe des Ruhrgebiets gemeinsam mit der „Rheinischen Heimstätte“ gegründet worden. Die Gesellschaft war entstanden, weil die „Treuhandstelle“ mit den Wohnungsbauaufgaben allein überfordert war. Die Bebauung an Distelbeckhof, Dirschau- und Graudenzstraße folgte nun einem Bebauungsplan von Fritz Schupp, der auch die Entwürfe für die Wohnhäuser an der Graudenzstr. lieferte. Die Siedlung ist in den Grundzügen der von Horrix 1921/22 entwickelten Planung verhaftet.

Die Siedlung Heinrich-Lersch-Platz ist das Bindeglied zwischen dem Katernberger Ortszentrum am Katernberger Markt und der Siedlung Hegemannshof im Norden mit der Viktoriastraße als wichtigstem Verbindungselement. Hier an der Viktoriastraße begann 1921 der erste Bauabschnitt mit wandartig geschlossenen Hausformen nördlich der kreuzenden Hegestraße. Als zweite wichtige Verkehrsstraße wurde in Nord-Süd-Richtung die Theobaldstraße verstanden. Der mit der dortigen Zollverein-Siedlung 1911/12 entstandene Straßenzug wurde nach Norden fortgesetzt und endet am Heinrich-Lersch-Platz mit einem ursprünglich dominant in die Sichtachse der Straße hineinwirkenden Wohnriegel mit drei Stufengiebeln und mittigem Tordurchlass. Das Tor war im B-Planentwurf von Peter Horrix nur als fußläufige Öffnung gedacht. Der Fahrverkehr sollte in annähernd gleichförmiger Gabelform um den Riegelbau herum über Freiligrath- und Graundenzstraße nach Norden weiter geführt werden. Von dieser Idee wurde bis 1926 nur der östliche Teil der Straßengabel ausgeführt. Mit der Planänderung von Fritz Schupp wurde auf die symmetrische Ausbildung des Siedlungsgrundrisses verzichtet, indem die Graundenzstraße rechtwinklig an den Heinrich-Lersch-Platz angebunden wurde. Während bei Horrix der Bereich hinter dem Torhausriegel unbebaut bleiben sollte, plante Schupp hier, gruppiert um einen Platz mit versetzt darauf zulaufenden Straßen (Windmühlenflügelplatz) eine Kleinhausanlage mit Stahlhäusern. Die Querstraße Diestelbeckhof verläuft etwa so, wie von Horrix vorgesehen.

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Häuser am Heinrich-Leresch-Platz. Foto 2009

Neben dem städtebaulich in der Gesamtanlage dominanten Torhausriegel am Heinrich-Lersch-Platz ist die Siedlung durch mehrere weitere Platzanlagen gekennzeichnet. Die Straße Godertwende endet in einem Wohnhof und südlich davon entstand bis 1926 ein zweiter Windmühlenflügelplatz mit den darauf zuführenden Straßen Hegehofs Wiese und Knappen- und August-Schmidt-Straße.  Städtebaulich betont ist die auf weiter Strecke entlang des Katernberger Bachs geführten Hegestraße, die nach der Idee des Architekten den Charakter eines Grünzuges haben sollte. Die hier beginnenden Zugangssituationen zur Siedlung sind leicht platzartig aufgeweitet. Heinrich-Lersch-Platz und die angrenzenden Straßen wurden um 1980 zur Verkehrsberuhigung neu gestaltet wobei leider die städtebauliche Wirkung der ambitionierten Gesamtanlage durch kleinlich wirkende Einbauten auf Straßen und Plätzen reduziert wurde.

Hausarchitektur und Hausformen werden im ersten Bauabschnitt geprägt durch Doppelhäuser und Hausketten. Die Doppelhäuser an der Godertwende, Hegehofs Wiese und Theobaldstraße sind äußerst breit gelagerte giebelständige Backsteinhäuser mit seitlichen Zugängen zu den Wohnungen. Kleine, annähernd quadratische Fenster unter Betonstreifen, die über die ganze Giebelbreite in Verlängerung der Fensterstürze hinwegreichen bestimmen das straßenseitige Bild der Häuser. An der Theobaldstraße wurde dieser Haustyp ergänzt durch niedrigere, aus der Flucht der Häuser zurückspringende Anbauten. Hier sind die Häuser inzwischen vollständig verputzt und in einem hellen Rotton gestrichen.

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"Hausketten" aus dem ersten Bauabschnitt. Foto 1982

Ein durchgängiges Thema der Wohnhäuser des ersten Bauabschnitts ist die kettenartige Verbindung der Wohnhäuser durch kleinere Flügelbauten. Allen Varianten gemeinsam ist die Verbindung der zweigeschossigen Haupthäuser durch flache Seitentrakte für Ställe, Aborte und Spülküchen. Die jeweils für zwei Familien gedachten Haupthäuser sind mit Walm- bzw. Zeltdach gedeckt oder als giebelständige Hauskörper ausgebildet. Teilweise sind in diese Grundformen der Bebauung auch zweigeschossige Reihenhäuser eingestreut. Dieser Haustyp des Reihenhauses schließlich prägt die nördliche Platzwand des Heinrich-Lersch-Platzes. Die Reihenhäuser sind rückseitig mit eingeschossigen Flügelbauten für Ställe und Aborte ergänzt. Da auch die Verbindungsbauten bei den kettenartigen Haustypen variieren, unterschied Horrix insgesamt acht Hausformen, durch die schon im ersten Bauabschnitt ein vielfältiges Architektur- und Straßenbild entstand. Die verbindende Klammer zwischen allen Haustypen war die durchgängig verwendete Backsteinbauweise mit den prägnanten Horizonallinien der über den Fenster und Türstürzen angeordneten Betonstreifen. Nur der Torhausriegel am Heinrich-Lersch-Platz war nachträglich vollständig verputzt worden. Inzwischen sind viele Häuser des ersten Bauabschnitts verputzt oder mit andern Fassadenverkleidungen verändert worden.

Für den zweiten Bauabschnitt 1928-31 entwarf Fritz Schupp zweigeschossige Haustypen für Distelbeckhof und Graudenzstraße. Aus der Grundform entwickelte Schupp einen Doppelhaustyp mit seitlichen Hauszugängen und einen aus jeweils vier Einheiten bestehenden Reihenhaustyp. Alle Häuser sind traufständig mit Satteldächern ausgebildet. Die Ziegelverblendung der Erdgeschosse reicht bis zur Oberkante der unteren Fensterreihe. Die Obergeschosse sind verputzt. Bei beiden Hausformen sind die vergleichsweise schmalen Fenster durch Sohlbank- und Sturzgesimse miteinander verbunden, so dass der Eindruck horizontal gelagerter Fensterbänder entsteht.

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Haustypen von Fritz Schupp, Distelbeckhof. Foto 2009

Bei den vierteiligen Häusern sind die zur Straße gelegenen Haustüren durch Umrahmungen betont. Die darüber liegenden Treppenhäuser werden durch vertikale Fensterbänder angezeigt. An der Ostseite der Graundenzstraße ist dieser Haustyp leider vollständig verputzt worden. Die ursprüngliche alle Häuser in Erdgeschoßhöhe verbindenden und den Straßenraum von den Gärten trennenden Backsteinmauern sind teilweise erhalten, vielfach aber auch durch Garagen aus jüngerer Zeit durchbrochen worden.

Die Häuser entlang der Dirschaustraße folgen in der Anordnung dem Bebauungsplan von Fritz Schupp, sind aber Stahlblech-Fertighäuser nach Entwurf von Heinrich Bleeken. Bleeken hatte dieses Haussystem mit Stahllamellenwänden 1925 für die „Rheinischen Stahlwerke“ entwickelt. Die Häuser wurden durch die 1928 gegründete „Stahlhaus AG“ vertrieben. Die  Dirschaustr. ist eine der insgesamt acht im Ruhrgebiet nach diesem System erhaltenen Stahlhausanlagen mit zwei Haustypen: zwei Doppel- und vier Reihenhäuser mit jeweils vier Wohnungen. Die knapp 50m2 großen Wohnungen hatten im Erdgeschoss zur Straßen eine Wohnküche und zwei Schlafzimmer zur Gartenseite. Im Obergeschoss gab es ein Badezimmer und ein weiteres Schlafzimmer.

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Häuser in Stahlblech. Foto 2009

Die Häuser wurden ursprünglich geprägt durch die flächig wirkenden, glatten Stahlblechfassaden mit den darin außenbündig eingesetzten Türen und Fenstern. Die zusammengefügten Stahlblechlamellen waren durch schmale Fugen erkennbar. In den ziegelgedeckten Walmdächern befanden sich zur Belichtung der Dachgeschosse schmale Schleppgauben.

Die Stahlhaussiedlung an der Dirschaustraße ist heute umfassend verändert mit verputzen oder verblendeten Fassaden, vergrößerten Fenstern und Gauben und Vordächern über den Haustüren. Nur die Hauskubatur mit den hohen Walmdächern und die städtebauliche Situation erinnert noch an den ursprünglichen Zustand.

Literatur
Meyer, Carl: Geschichte der Bürgermeisterei Stoppenberg, Essen 1914

Kastorff-Viehmann, Renate: Wohnung, Wohnhaus und Siedlung für Arbeiter-Bevölkerung im Ruhrgebiet in der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des 1. Weltkrieges, Diss. Aachen 1980

Großmann, Joachim: Wanderungen durch Zollverein. Das Bergwerk und seine industrielle Landschaft, Essen 1999

Bollerey, Franziska/ Hartmann, Kristiana: Siedlungen aus dem Reg. Bez. Düsseldorf, o. O., o. J. (Essen 1980)

Ruhrlandmuseum(Hg.): Vom Hausen zum Wohnen. Wohnungsbau für Arbeiter zur Zeit der Industrialisierung: Essen ein Beispiel, Essen 1988

Buschmann, Walter: Arbeitersiedlungen. Historische Bedeutung und denkmalpflegerisches Erhaltungsinteresse, in: Rheinische Denkmalpflege 32, 1995, S. 263 – 271

Biecker, Johannes/ Buschmann, Walter(Hg.): Arbeitersiedlungen im 19. Jahrhundert - Historische Entwicklung und Bedeutung, Bochum 1985

Horrix, P.: Siedelungen des Architekten P. Horrix, Essen, in: Der Industriebau 16, 1925, Heft 11, S. 241-247

Blecken, H.: Neuzeitliche Stahlhausbauten, in: ders.(Hg): Das deutsche Stahlhaus, Berlin 1929

Robeck, Ulrike: Das Stahlhaus im Rahmen des Reichsprogramms für vorstädtische Kleinsiedlungen von 1931. Ein Düsseldorfer Experiment, in: Denkmalpflege im Rheinland, 1997

Robeck, Ulrike: Wohnhäuser aus Stahl. Das Experiment des Stahllamellenhauses im Ruhrgebiet, in: Baukultur. Zeitschrift des Verbandes Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine, 1995, Heft 1/2 (Stahlbauten im Ruhrgebiet), S. 33-35

Robeck, Ulrike: Wohnhäuser aus Stahl. Eine Bilanz ihrer Entwicklung, Herstellung und Verbreitung im rheinisch-westfälischen Industriegebiet, Essen 2000

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