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Turm, Foto 2009

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

buero
Bürogebäude, Foto 2009

 

Objektführer / Aachen / Wollroute

Aachen_Tuchfabrik Aachen AG
Charlottenstraße 14

Texte und Dokumente
Spalding, Die Tuchfabrik Aachen AG. Semesterarbeit am Lehrgebiet Denkmalpflege / RWTH Aachen, WS 1998/99(gekürzte und für das Internet bearbeitete Fassung)

 

panorama
Blick auf die Werksanlage vom Zufahrtsweg an der Charlottenstraße. Im vordergrund das Löschwasserbassin, dahinter Lager und Büro. Rechts der Turm für Treppenhaus und Wasserbehälter. Foto 2009

Spalding
Die Tuchfabrik Aachen AG

Geschichte / Baugeschichte
Die intensive Tuchfabrikation in Aachen veranlasste die beiden Unternehmer Alfred Ritz und Conrad Vogel 1859 zur Gründung einer Fabrik in der Franzstr. 24-26, wo sie von den Gebrüdern Suermondt ein Gebäude anmieteten. Nachdem genug Kapital vorhanden war, expandiert das Unternehmen. Als Standort für eine neue Fabrik wird ein freies Feld am Beverbach, in unmittelbarer Nähe des Gefangenenhauses des Kirberichshofes und der Papiermühle gewählt.

Im Februar 1873 erhalten die beiden Unternehmer die Genehmigung zur Errichtung der Fabrik. Otto Intze, Hochschullehrer an der TH Aachen für Wasserbau und Baukonstruktion plant die Anlage als seine zweite Fabrik in Aachen nach der Lochner-Fabrik. Die Besonderheit der Anlage liegt einerseits in der Konstruktion eines Turmes mit Wasserbehälter und Treppenhaus. Außerdem war aufgrund der Weiträumlichkeit des Grundstückes die Anlage einer Shedhalle möglich, einer Bauweise. die sich seit etwa 1830 in Deutschland etablierte und hier erstmals in Aachen realisiert wurde. Seit 1874 erfolgte die Verkehrsanbindung des Grundstücks über die Carlstraße die spätere Charlottenstraße.

1887 wurde die Anlage übernommen durch Süskind und Sternau und 1897 unter dem Namen „Tuchfabrik Aachen AG vormals Süskind und Sternau“ in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.

schaubild
Schaubild, um 1925

lageplan
Lageplan, um 1900

luftbild
Luftbild 1985

Im Zweiten Weltkrieg wurden das dreigeschossige Fabrikgebäude und die Shedhalle im Südosten des Grundstücks zerstört. 1952 verlegt die Tuchfabrik Aachen AG ihre Produktion in die Schweiz. Die Gebäude wurden jedoch weiterhin durch verschiedene gewerbliche Nutzer sowie Hochschulinstitute benutzt. 1973 übernahm die SaGeBau das Gelände der Tuchfabrik Aachen AG. 1989 wurde
der Turm als einziges Bauwerk der Fabrikanlage gegen den Einspruch des Eigentümers unter Denkmalsschutz gestellt.

Überlegungen von 1994/95, die Fabrikanlage abzureißen zugunsten von Neubauten unter Einbeziehung des denkmalgeschützten Turmes wurden verworfen. Nur ein Teil der neueren Hallen sowie eine Tankstelle an der Sophienstraße mußten einem Neubau weichen.

Beschreibung
Zugänglich ist die Anlage von der Charlottenstraße. Auf der Nordseite gibt es in der Wohnhauszeile eine Tordurchfahrt zur Sophienstraße. Das alte Pflaster ist erhalten, ebenso Mauerreste, so dass ehemalige Standorte von abgerissenen Gebäuden gut ablesbar sind. Das alte Wasserbassin für Löschwasser ist ebenfalls erhalten, allerdings  trockengelegt. Früher gab es auf der Nord– und Südseite je ein Pumpenhaus, über die das Wasser in den Behälter auf dem Turm gepumpt wurde.

Turm
Der Turm diente als Wasserbehälter für Löschwasser und Treppenturm. Er besaß in der Decke des obersten Geschosses einen ringförmigen, damals noch etwas behelfsmäßigen Wasserbehälter, der über das Wasserbassin vom Beverbach gespeist wurde. Dies war der Vorläufer zu den später berühmten Intze-Türmen. Über das Treppenhaus im Turm wurden drei Gebäude erschlossen: das ehemalige Bürohaus, das dreigeschossige Fabrikgebäude(weitgehend zerstört) und das Walkhaus (Preßhaus). Der innere Kernschacht des Turmes war wohl als Schonstein konzipiert, wurde jedoch in dieser Form nicht genutzt, weil für das etwas abseits gelegene Kesselhaus ein separater Schornstein entstand.

Im Zuge von Sicherungsmaßnahmen wurden Brüstungen der oberen Plattform und des Tambours ebenso die Pfosten und Geländer aus Blaustein abgenommen (einige Formziegel im lnneren des Turmes deponiert). Zwei Ringanker aus Seilen mit Spannschlossern wurden außen um den Tambour gelegt. um das weitere Auseinanderdriften der Wände zu verhindern (von unten nicht sichtbar).

Pförtner
Das Pförtnerhaus ist bereits seit der Anfangszeit vorhanden und wurde später um ein Geschoss aufgestockt.

Shedhalle
1896 wird in der Südostecke des Grundstückes der erste Teil der Shedhalle gebaut, ein Jahr später wird er bereits erweitert und 1908 vollendet. Der östliche Teil der Halle wird ebenso wie der im Norden anschließende im Krieg zerstört, nach Kriegsende aber wieder aufgebaut.

Die Shedhalle wurde 1895 als dreiachsiger Bau errichtet, dann bis 1908 mit dem letzten Abschnitt um das Pförtnerhaus herum vervollständigt.

Heute wird die Halle von zwei Firmen gewerblich genutzt. Der Bodenbelag in den Hallen ist Estrich. Es wurden neue Binder eingebaut, die in ihrer Teilung jedoch nicht der dem alten Vorbild folgen. Im Bereich der Druckerei sind die Fenster vergrößert worden und mit einem horizontalen Sturz aus Ziegeln versehen, der nicht dem Original auf der westlichen Seite entspricht. Anhand der unterschiedlichen Ziegel und Fugen kann man außerdem zugemauerte Türöffnungen erkennen.
Der westliche Teil besitzt neue hölzerne Dachbinder, die zwar die Form  des Sheddaches erhalten, aber nicht der Geometrie der ursprünglichen Binder folgt. Die Dachuntersicht besteht aus verputzten  Rigipsplatten, die weiß gestrichen sind. Die Fenster, ursprünglich Stahlsprossen mit Verglasung sind heute ersetzt durch transparenten gewellten Kunststoff.

Es wurden mehrere Einbauten aus Ständerwandkonstruktionen errichtet (Bürobereiche, WC), die  jedoch nicht in die Substanz eingreifen. Das Einfügen von Fließbändern und abgehängten Transportschienen von Stahlträger stört  den Halleneindruck, ist für die Nutzung jedoch notwendig.Die unverputzten Wände sind nur weiß gestrichen, so dass alte zugemauerte Öffnungen noch zu erkennen sind. Gemauerte Stützen und Stahlbetonpfeiler ersetzen die ursprünglichen gußeisernen Stützen.

werkseingang
Werkseingang, Pförtner und Giebel der Shedhalle. Foto 2001

Halle
Die Halle im Südosten wurde 1943 laut Aufschrift über dem Eingang zerstört, wobei wahrscheinlich nur das Dach betroffen war, da sowohl die alten Ziegelmauern mit den Gesimsen aus gelben Klinkern als auch die alte Holzbinderkonstruktion noch erhalten ist. Gegenwärtig ist die Halle zweigeteilt und wird als Garage für die Anwohner der Sophienstraße genutzt.

Südliche Shedhalle
Der südliche Teil  besteht  aus 3 Sheds mit Gusseisenstützen und Holzbindern.

sheds
Südliche Shedhalle. Foto 2009

Maschinenhaus
Das Maschinenhaus das mit Kesselhaus verbunden war, ist der einzige erhaltene Teil der Kraftanlage. Die Hallen des Kesselhauses wurden 1994 abgerissen dabei  wurden Reste des Kamins gefunden. Die Grundform des Maschinenhauses in Grundriss und Ansicht ist noch erhalten, es fehlt jedoch das Gesims. Das Tor wurde ersetzt durch ein Stahltor. Die Halle dient heute als Archiv für die Sagebau, zu diesem Zweck ist eine Stahlempore eingefugt worden die jedoch die Mauersubstanz nicht beschädigt. Innen und außen sind die Wände weiß verputzt. Im Inneren sind noch Reste des Originalfußbodens erhalten.

Tuchlager
Das ehemalige Tuchlager ursprünglich eine Shedhalle, hat so grundlegende Änderungen in der Gebäudehülle erfahren, dass nur noch die Verwendung von Ziegeln als Baumaterial und der gewölbte Sturz an das alte Original erinnern. Das Gebäude ist mit einem Flachdach aufgestockt worden, die Fensteröffnungen sind erweitert worden von vier auf fünf eine davon als Tor. Die Mauerversprünge sind einer glatten Ziegelwand gewichen, und der Sockelbereich ist verputzt. Das Gebäude wird heute von einem Wohnstudio genutzt.

Bürogebäude
Das ehemalige Bürogebäude ist in seiner Gebäudehülle noch weitgehend in dem originalen Zustand erhalten, es sind lediglich einige Reparaturen ausgeführt worden. Es wird heute im Wesentlichen durch ein Labor genutzt. An der Ostseite kann man noch gut die Umrisse der Brücke zum Turm erkennen, deren Durchbrüche jetzt zugemauert sind (s. Turm).

Der Sockelbereich wurde neu verputzt. Es wurden neue Fenster eingebaut, ebenso wurden die originalen Blaustein-Fensterbänke teilweise durch Zement repariert, der sich von dem Stein wieder ablöst, teilweise durch Betonwerkstein ganz ersetzt worden. In einigen Bereichen wie z.B. unter den Fenstern sind die Verfugungen ausgebrochen.

Lager
Das Lager, das sich im Norden  anschließt, hat einige Veränderungen in der Fassade erfahren, welche schon kurz  der Fertigstellung 1874 vorgenommen wurden. So wurden beispielsweise für die Umnutzung in eine Stopferei die  abgetreppten Giebel begradigt und weitere Öffnungen in der Fassade geschaffen. Heute befindet sich die Redaktion einer Architekturzeitschrift in dem Gebäude. Die Fensteröffnungen wurden von drei auf zwei Öffnungen reduziert und mit seinem horizontalen Sturz aus Ziegeln versehen.

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Shedhalle für Lager. Links das Preßhaus. Foto 2009

Preßhaus
Das gegenüberliegende Haus. welches ursprünglich das Preßhaus beherbergte hat ebenfalls einige Veränderungen an der Gebäudehülle erfahren. Die Brüstungen unter den Fenstern sind komplett verputzt.  Ziegel und Fugen wurden rot gestrichen. Ein hölzerner Fachwerkbinder wurde im nördlichen Teil freigelegt an den auch zwei Trafohäuschen angebaut wurden. Hier gibt es außerdem einen Türdurchbruch mit einer Glastür. Die Blaustein-Fensterbänke wurden durch verzinkte ersetzt.

Würdigung
In die Denkmalliste eingetragen ist auf dem Gelände bislang einzig der Turm. Der Denkmalwert des Turmes wird wesentlich auch durch den Erbauer Otto lntze geprägt.

Otto Intze (geb. 17.05.1843) war seit 1870 Hochschullehrer an der TH Aachen für Baukonstruktion und Wasserbau. Von 1875 bis 1892 war er zugleich Hochschulbaumeister und 1895 - 98 Rektor. Gleichzeitig war er in diversen Nebenberufen tätig. So erlangte er einige Berühmtheit durch seine gewerblichen Bauten, seine Fabriken, Talsperren, Wassertürme, Wasserkraftwerke und andere Bauwerke zur Wasserversorgung, vor allem durch seine patentierten Intze-Behälter für Wasser und Gas. „…die drei Türme bei den Fabriken Lochner, Ritz & Vogel, Übigau (sind) folgerichtige Vorstufen zu den späteren Intze-Schornsteinbehältern und zu Intze-Wasserbehältern überhaupt“.(aus Holz 1948).

Die erste seiner Fabriken, die Lochner-Fabrik, entstand 1873, die Fabrik Ritz & Vogel folgte im Jahr darauf. In beiden nutzte Intze noch die damals übliche Bauweise aus Holz und Gußeisen und für Dach- und Deckenbalken die Verwendung von ca. 40 cm hohen Holzbalken. Ab 1877 liegt sein nebenberuflicher Schwerpunkt auf Forschungen zur Eisenindustrie, und ab 1880 fordert er, „alle tragenden Teile höherer Ordnung“ aus Walzstahl herzustellen. Gleichzeitig entwickelt er den Intze- Träger, einen Fachwerkträger mit horizontalem Untergurt und gebogenem Obergurt. Seine Verdienste als Lehrer und auch als Konstrukteur bringen ihm zahlreiche Ehrungen ein, darunter die Ernennung zum Geheimen Regierungsrat 1896, und die Berufung auf Lebenszeit ins Preußische Herrenhaus. Otto Intze starb am 28.12 1904.

Da der Turm der Tuchfabrik Aachen der letzte von drei Prototypen ist, ist sein Denkmalwert unstreitig. Es ist jedoch fragwürdig, dass allein dieser kleine Teil des großen Ensembles offiziell als erhaltenswert eingestuft wird, denn der Turm braucht für seinen Denkmalcharakter die historische Umgebung. Er erhält seine Bedeutung auch durch das Gesamtensemble. Deshalb ist es bedauerlich, dass es kein umfassendes Konzept zur Erhaltung der Gesamtanlage gibt. Der Wert des lndustriedenkmals als Gesamtanlage liegt in der Veranschaulichung der Produktionsverhältnisse des 19. Jahrhunderts, zumal die Anlage trotz einiger Veränderungen im wesentlichen noch in der originalen Anordnung von 1873/74 mit späteren Erweiterungen vorhanden ist.

Obwohl die meisten der kleineren Bau- und Erhaltungsmaßnahmen an den Gebäuden (relativ zur Größe der Anlage) recht unsensibel ausgeführt wurden, bietet die Gesamtanlage immer noch ein anschauliches Bild der alten Welt der Aachener Tuchfabriken.

Außerdem ist die Fabrik ein städtebauliches Denkmal aus der Zeit der Erschließung des Frankenberger Viertels.

Literatur
Bruckner, Clemens: Aachen und seine Tuchindustrie, Horb a. N. 1949

Bruckner, Clemens: Zur Wirtschaftsgeschichte des Regierungsbezirks Aachen, Köln 1967

Fehl, Gerhard/ Kaspan-Küffen, Dieter/ Meyer, Lutz-Henning (Hrsg.): Mit Wasser und Dampf .., Aachen 1991

Fischer, Wilhelm: Aachener Werkbauten des 18 Und 19. Jahrhunderts, Aachen 1946

Gilson, Norbert: Zu Fuß durch Aachens Industriegeschichte, Aachen 1998

Holz, Nikolaus: Otto lntze Gedenkschrift (Manuskript II. Bd 14), Aachen 1948

Otto Intze. Fabrikbauten mit Walzeisenkonstruktionen, aus Zeitschrift des VDI 1887

Meyer: Lutz-Henning, Bericht über die Denkmalpflege in Aachen, Aachen1989

Landeskonservator Rheinland(Hg).: Das Frankenberger Viertel in Aachen, Köln 1976

Stadtgeschichtliches Museum Burg Frankenberg. Aachen im 19. Jahrhundert. Die Zeit der Frühindustrialisierung. Aachen 1991

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