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Lageplan. Im Zentrum die große Montagehalle. Darunter der Werkstattbau-Nord, Darüber Werkstattbau-Süd und das Sozialgebäude. Zur Straße orientiert mit Vorplatz die Verwaltung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

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Montagehalle, innen. Foto 1999

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Schreinerei, Schmiede, Sozialgebäude. Foto 1998

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Werkstattbau-Nord. Foto 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

verwaltung
Eingang zum Verwaltungsgebäude. Foto 1998

 

Objektführer / Aachen

Aachen_Fa. Garbe, Lahmeyer & Co.
Jülicher Str. 19

Texte und Dokumente
Walter Buschmann: Fa. Garbe, Lahmeyer & Co.

 

schaubild
Schaubild, um 19256

Walter Buschmann
Fa. Garbe, Lahmeyer & Co

Fa. Garbe, Lahmeyer & Co., Aachen, Jülicher Str. 19

Geschichte
Angeregt durch die spektakulären Erfolge und Ereignisse in der Nutzung von Strom zur Erzeugung von Licht und Antriebsenergie gab es in den 1880er Jahren in Deutschland die Gründung gleich mehrerer Unternehmen zur Produktion der technischen Geräte und Maschinen des Stromzeitalters. Auf einen bereits jahrzehntelangen Erfolg in dieser jungen Industriebranche konnte Werner von Siemens zurückblicken, der schon 1847 ein florierendes Geschäft mit telegraphischen Anlagen betrieb. Besonders beeinflusst durch die von Edison und seinen Erfindungen geprägte "Elektrotechnische Ausstellung" in Paris 1881, entstand 1883 durch Emil Rathenau in Berlin die "Deutsche Edison Gesellschaft", aus der 1887 die AEG wurde. In diesen zeitlichen und industriegeschichtlichen Kontext ist 1886 die Entstehung der Firma Garbe, Lahmeyer & Co. in Aachen zu sehen.

Der Ingenieur Wilhelm Lahmeyer schuf mit seinen patentierten Erfindungen einer verbesserten Bogenlampe und einer als Lahmeyer-Type in die Geschichte der angewandten Elektrizität eingehenden Dynamomaschine in technischer Hinsicht die Basis für den Erfolg des Unternehmens. Ihm stand mit Heinrich Garbe ein Kaufmann für die wirtschaftlichen Belange zur Seite. Der Betrieb begann in einem kleinen gemieteten Shedbau am Pontdriesch mit 25 Arbeitern.

Zwei Jahre später traten 1888 die Aachener Industriellen Talbot, Piedboef, Pastor und Justizrat Springsfeld als Kommanditisten in das Unternehmen ein. Wilhelm Lahmeyer trennte sich 1890 von seiner Aachener Gründung und baute in Frankfurt a. M. ein neues Werk auf, das ebenfalls seinen Namen trug. Das Aachener Unternehmen wurde 1899 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt für das Garbe selbst und die anderen Kommanditisten das Stammkapital in Höhe von 3,0 Mio Goldmark zeichneten. Vorsitzender des Aufsichtsrates wurde Gustav Talbot.

In dieser Zeit um die Jahrhundertwende führte die harte Konkurrenz im Kraftwerksbau zu einem Verdrängungswettbewerb in der Elektroindustrie. Nur die großen Firmen konnten überleben. Siemens & Halske und AEG entwickelten sich mit einem Anteil von 75 % zu den Marktführern. Die Firma Garbe, Lahmeyer & Co. musste sich zwangsläufig, um konkurrenzfähig zu bleiben zu einem Großbetrieb entwickeln und verhinderte gleichzeitig durch ihre Größe die Entstehung zahlreicher Kleinbetriebe in dieser Branche in Aachen und Umgebung. Die Traditionslosigkeit der Branche schuf eine Struktur, die sich an den Wirtschaftsverhältnissen der Moderne orientierte und die sich für andere Branchen erst nach teils langwierigen Konzentrationsprozessen durchsetzte.

Der Übergang zum Großbetrieb war für Garbe, Lahmeyer & Co. schon 1895 durch die Entscheidung zum Bau einer neuen Fabrik vorgezeichnet. 1899, also gleichzeitig mit Umgründung des Unternehmens in eine Aktiengesellschaft wurden die ersten Bauanträge für das Grundstück an der Jülicher Straße gestellt. Es entstanden eine große Montagehalle, Verwaltungs- und Sozialgebäude. Die Stromerzeugung erfolgte auf dem eigenen Gelände mit einem Kraftwerk direkt an der Montagehalle. Produziert wurden vor dem Ersten Weltkrieg Drehstrommotoren, zahllose Gleichstrommaschinen für Schiffe und U-Boote, immer größere Generatoren und Transformatoren. Die erste überhaupt in Deutschland gefertigte Hauptantriebsmaschine für ein U-Boot entstand bei Garbe, Lahmeyer & Co. Einer der U-Boot Motoren gehört heute zu den Sammlungen des Deutschen Museums in München.

1910/11 wurde die Fabrik kräftig erweitert durch die Werkstattbauten Nord und Süd. Seit den 1920er Jahren wurden Motoren für Krupp-Rangierlokomotiven gebaut. 1925 fuhr die erste Abraumlok mit Garbe-Lahmeyer-Krupp Motor im rheinischen Braunkohlenrevier. Nach 1933 wurden auch Werkzeugmaschinenantriebe und Motoren zur Ausstattung der Hydrierwerke gebaut. Für die immer größer werdenden Transformatoren musste die Montagehalle 1938 - 40 erweitert werden. Da ohne diese Großmaschinen die kriegswichtigen Hydrieranlagen auf Stein- und Braunkohlebasis nicht hätten gebaut werden können, wurde die Werkserweiterung in die Dringlichkeitsstufe 1 der Organisation Todt aufgenommen. In diese Bauphase gehört auch die Aufstockung und Fassadenverblendung des Verwaltungsgebäudes. Der Beirat für Bauwesen hatte den ersten Entwurf des Architekten Willy Romme im Hinblick auf die städtebaulich wichtige Lage des Verwaltungsbaus nahe der zukünftigen Auffahrt zur Reichsautobahn abgelehnt und war auch mit dem zweiten Entwurf noch unzufrieden. Die Genehmigung erfolgte dennoch, nachdem sich der Oberbürgermeister persönlich gegen kostensteigende Gestaltungsauflagen ausgesprochen hatte.

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Produktion seit 1940 teilweise und dann in immer stärkerem Maße nach Düsseldorf-Benrath ausgelagert. Nach Kriegszerstörungen folgte seit 1945 der Wiederaufbau mit einer ersten Erweiterung des Werkstattbaus-Süd (Krantzstr.) 1950 und einer zweiten Erweiterung mit Aufstockung 1960/61. Mitte der 1990er Jahre wurde die Produktion eingestellt.

Von der Fabrikanlage sind in bemerkenswertem Umfang historische Bauten erhalten geblieben:

Montagehalle, 1899 (Arch. Flocke) 1920/1938-40
Zentrale Produktionsanlage des Unternehmens war seit den Anfängen am neuen Standort die tief in das Grundstück mit einer Länge von anfangs 110 m hineinragende Montagehalle. Die Backsteinhalle ist dreischiffig ausgebildet mit gestreckt-basikalem Querschnitt. Die Außenfassaden sind gegliedert durch Wandvorlagen. Die östliche Giebelwand trägt einen treppenförmigen Fries unter dem Ortgang und wird im Giebeldreieck durch ein großes Rundfenster belichtet. Die zweigeschossig ausgebildeten Seitenfassaden haben segmentbogige Öffnungen mit kleinteiligen Metallfenstern.
Das System der Fassadenausbildung wird auch bei den Erweiterungen von 1920 und 1938-40 beibehalten. Die Fenster erhalten nun jedoch überwiegend Rechteckformate. Der Ostgiebel der Mittelhalle (1938-40) wurde treppenförmig ausgebildet.

montagehalle
Ostgiebel der Montagehalle. Foto 1998


Die Innenkonstruktion besteht in den beiden älteren Teilen (1899 und 1920) aus genieteten Stahlbindern und Stützen und im jüngeren Teil aus einer Betonrahmenkonstruktion. Besonders eindrucksvoll sind in der Stahlkonstruktion des älteren Hallenteils die Binder über dem Mittelschiff ausgebildet. In das reine Strebenfachwerk ist eine ungewöhnlich großzügige, satteldachförmige, vollständig verglaste Belichtungsraupe im Firstbereich integriert. Das etwa 24 m breite Mittelschiff wird mittig geteilt durch eine Kranbahn auf schweren, genieteten Stahlfachwerkstützen, die einen Binder in Längsrichtung der Halle tragen. Dieser Binder trägt sowohl die mittigen Kranbahnen und unterstützt zugleich die Dachbinder.

Die Pultdächer der beiden Seitenschiffe ruhen auf jeweils zwei Reihen Fachwerkstützen. Auch diese Stützen tragen Kranbahnen. Die Seitenschiffe wurden belichtet durch querlaufende, satteldachförmige Belichtungsraupen.

Ebenso beeindruckend wie die Stahlkonstruktion der beiden älteren Hallenteile ist die Betonkonstruktion der Hallenerweiterung von 1938 - 40. Die riesigen Betonrahmen überspannen die ganze Breite des Mittelschiffs. Das Dach ist treppenförmig mit senkrecht angeordneten Glasflächen ausgebildet. Aus dieser Dachkonstruktion, die wohl zur besseren Verdunkelung bei Fliegerangriffen in dieser Form gestaltet wurde ergibt sich der östliche Treppengiebel nahezu zwangsläufig. Die zweigeschossigen Seitenschiffe sind in Stahlbetonskelettbauweise erstellt und öffnen sich zum Mittelschiff über großflächige Glasfelder mit kleinteiligem Metallsprossenwerk.

innen2
Montagehalle. Erweiterung 1938-40. Foto 1999

Zum historischen Bestand der Montagehalle gehört auch das dem Westgiebel vorgelagerte Kesselhaus. In diesem Backsteinbau war Platz für drei Zweiflammrohrkessel, die ebenso wie der Schornstein (kombiniert mit Intze-Wasserbehälter) und Kaminkühler nicht erhalten sind. Durch den Dachbereich der Montagehalle führte eine Verbindungsbrücke vom Werkstattbau Nord zum Werkstattbau Süd. Diese Brücke ist teilweise (über den Seitenschiffen) noch erhalten.

Schreinerei, Schmiede, Sozialgebäude, 1900/1906, Architekt: Flocke
Der dreigeschossige Backsteinbau mit Satteldach entstand in zwei Bauabschnitten. Der Anfangsbau wurde nach Plänen des Architekten Flocke 1900 errichtet für Modellschreinerei, Schmiede und Arbeiter-Waschhaus. 1906 erfolgte die Erweiterung für die Männer- und Frauengarderobe und eine Kantine. Später wurde das Gebäude aufgestockt und die beiden Dreiecksgiebel über dem Mittel- und dem Seitenrisalit entfernt. In den überwiegend segmentbogigen Öffnungen sind teilweise die kleinteiligen Metallsprossenfenster aus Gusseisen und aus gewalzten Profilen erhalten. Die Fassaden werden gegliedert durch Wandvorlagen und einem als deutsches Band ausgebildeten Fries über dem Erdgeschoß. Zum konstruktiven System des Gebäudes gehören die gußeisernen Telleranker.

Werkstattbau-Nord, 1910, Arch.: Salzmann und Ganzlin
Dreigeschossiger Backsteinbau mit flachgeneigtem Pultdach. Die langgestreckte, etwa
111 m lange Trauffassade ist gegliedert durch einen mit trapezförmigem Giebel versehenen Seitenrisalit am östlichen Gebäudeende. Die stark vertikale Fassadenordnung entsteht durch stützpfeilerartige Wandvorlagen mit denen jeweils drei Achsen der hohen Reckteckfenster zusammengefasst werden. Auch die Mauerwerkspfeiler zwischen den Fenstern sind durchlaufend ausgebildet und unterstreichen die gestreckte Wirkung des Fassadenaufbaus. Sparsam werden die überwiegend steinsichtigen Oberflächen unterbrochen durch verputzte Bauteile: Brüstungen der Fenster im zweiten Obergeschoß, Giebelfeld des Seitenrisalits und Teile der Mauerwerkspfeiler zwischen den Fenstern. In den rechteckigen, großen Fensteröffnungen sind die kleinteiligen Metallsprossenfenster aus gewalzten Profilen überwiegend erhalten.

Der nur 12 m tiefe Baukörper hat eine Deckenkonstruktion mit Kappen aus Beton zwischen sichtbaren Doppel- T-Trägern. Die Decken werden zusätzlich getragen durch eine Stützenreihe, die in den Obergeschossen im rückwärtigen Gebäudebereich Emporen tragen.

Das 6,6 m hohe Erdgeschoß wurde ursprünglich durch zwei Emporen unterteilt.
In dem Gebäude sollten 200 Mitarbeiter tätig werden. Es war zur Produktion von Dynamomaschinen, Elektromotoren und Transformatoren gedacht. In den Obergeschossen waren an den Doppel- T-Trägern der Decken ausgedehnte Transmissionsanlagen angebracht. Daher blieben diese Träger trotz Bedenken der Bauaufsicht (Brandschutz) unverkleidet. Um den Befürchtungen der Behörden entgegenzuwirken wurden drei feuersichere Treppenhäuser angelegt. Die Transmissionen wurden mit Elektromotoren angetrieben. Die Emporen dienten zur Lagerung der Kleinteile, während die Produktion überwiegend in den hohen Geschoßbereichen stattfand.

Werkstattbau-Süd, 1911, Arch.: Salzmann und Ganzlin
Der Werkstattbau-Süd hat in äußerer Gestaltung und Innenkonstruktion große Ähnlichkeit mit dem kurz zuvor realisierten Werkstattbau- Süd. Der Gebäudekörper ist jedoch ca. 21,6 m tief und hat dementsprechend zwei Stützenreihen, die im Inneren ebenfalls Emporen tragen. Stützen und Unterzüge wurden feuerfest ummantelt, doch gab es für das zweite Geschoß und das Dach Ausnahmeregelungen, weil hier erneut Transmissionen montiert werden sollten. In dem langgestreckten Gebäude (90,92 m) sollten 400 Arbeiter, davon ein Drittel Frauen beschäftigt werden. Das Erdgeschoß diente hauptsächlich zur Lagerung von Rohmaterialien, die Obergeschosse für allgemeine Produktionszwecke. Im Dachgeschoß war eine Verzinnungsanlage mit Schmelz- und Lötöfen und eine Ankerwicklerei untergebracht. Mit Fertigstellung des Werkstattbaus-Süd wurde 1912 die bereits erwähnte Verbindungsbrücke zum Werkstattbau-Nord erstellt.
Bereits im Bauantrag von 1911 waren für den Werkstattbau-Süd entlang der Krantzstraße Erweiterungsmöglichkeiten berücksichtigt worden. Doch erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstand die östliche Erweiterung nach Plänen von Johannes Everding. Es ist ein dreigeschossiger Stahlbetonrahmenbau mit großen Rechteckfenstern in den Backsteinfassaden. Nur im 3. Obergeschoß sind noch die kleinteiligen Metallsprossenfenster erhalten. Gleichzeitig mit diesem Erweiterungsbau wurde das Verwaltungsgebäude durch einen verbindenden Baukörper an den Werkstattbau-Süd angeschlossen.

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Werkstattbau-Süd. Foto 1999

Die westliche Erweiterung erfolgte 1960/61 nach Entwurf des Architekten Voigt. Es ist ein viergeschossiger Stahlbetonskelettbau, bei dem die Tragkonstruktion auch im äußeren Erscheinungsbild sichtbar wird. In den großen, durch das Skelett gebildeten Fassadenfeldern werden die großen Fensterflächen überwiegend noch durch Metallsprossenfenster gegliedert. Die schmalen Brüstungsfelder sind teilweise aus Beton teilweise aus Backstein.

Verwaltungsgebäude, 1899/1936
Das Verwaltungsgebäude gehört zur Gründungsanlage von 1899 und entstand in Formen des Historismus nach Plänen des Architekten Flocke als Kombination von Turmbau und Seitenflügel. 1936 wurde das Gebäude um ein Geschoß erhöht und die Fassaden mit Ziegeln verblendet. Den Entwurf für die Umgestaltung lieferte der Architekt Willy Romme. Es entstand ein schlichter Backsteinbau mit Flachdächern. Die Rechteckfenster sind zwillingsweise zusammengefasst. Jedes Fenster ist umrahmt durch halbsteinstarke Ziegelbänder. In dem dreiachsigen Turmbau befindet sich die zweiflügelige hohe Haupteingangstür mit breitem Backsteinrahmen, in dem die Kantensteine vor- und rückspringend den einzigen Akzent in der sonst ruhigen Formensprache setzten. Nur die großzügige Freitreppe verweist ansatzweise in die sonst zur Monumentalität neigende Entstehungszeit.

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Verwaltung. Foto 1998

Bedeutung
Die vielfach als "Zweite Industrielle Revolution" gewertete Einführung der Elektrizität in Industrie und Alltagsleben war eng verbunden mit der Entstehung einer neuen Branche zur Produktion jener Maschinen und Apparate, die zur Erzeugung und Umsetzung von Strom erforderlich waren. Die Modernisierung von Industrie und Gesellschaft bedingte den Bau von Kraftwerken und Elektrofabriken. Es waren Bauten und Anlagen, die anfangs noch den alten Formen des Historismus verhaftet waren und in ihrer sorgfältigen Durchbildung und ihrem Formenreichtum den Stolz des Bürgertums zum Ausdruck brachten, den Beginn einer neuen Epoche mitgestalten zu können. Bald jedoch schon wandelten sich die Kraftwerke zu exemplarische Fabriken der Moderne und die Elektrofirmen wurden durch Berufung renommierter Architekten zu Trägern des Wandels: besonders zu nennen wären Peter Behrens für die AEG und Hans Hertlein für Siemens. Bei der keineswegs verlässlich und ausreichend beantworteten Frage, wie und warum die Moderne entstanden ist muss die Einführung der Elektrizität besondere Beachtung finden.
Darüber hinaus spielt in dieser Grenzsituation zwischen Historismus und Moderne die Industriearchitektur eine herausragende und konstitutive Funktion für die Moderne. Die in den architekturgeschichtlichen Darstellungen stets hervorgehobenen großen Architektenpersönlichkeiten: Peter Behrens, Walter Gropius, Bruno Taut u. a. waren nur die Spitze einer sehr viel breiter gelagerten Bewegung mit einer Hinwendung zur Sachlichkeit, die in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg besonders von Architekten getragen wurde, die sich dem Industriebau zuwandten: Erberich und Scheeben in Köln, Walter Furthmann in Düsseldorf, Alfred Fischer in Essen, Raabe und Wöhlecke in Hamburg, Werner Issel und Hans Heinrich Müller in Berlin. Zu diesem Kreis ist auch die Architektengemeinschaft Salzmann und Ganzlin in Düsseldorf zu rechnen. In der Gestaltung der Werkstattbauten Nord und Süd für die Firma Garbe, Lahmeyer & Co. Finden sich Gestaltungsformen der Architektur von Alfred Messel. Sehr offensichtlich ist die Verwandtschaft mit der 1908-10 von Peter Behrens geschaffenen Kleinmotorenfabrik der AEG in Berlin.

Im baulichen Erscheinungsbild der Fabrikanlage von Garbe & Lahmeyer klingt aber gerade im Verhältnis der aus der Gründungszeit des Neubaus an der Jülicher Straße stammenden Bauten von 1899/1900 (Arch. Flocke) und den zur Werkserweiterung von 1910/11 (Arch. Salzmann und Ganzlin) zählenden Bauten eines der wesentlichen Themen unseres Jahrhunderts an: die Entstehung der Moderne.

Darüber hinaus bietet die Montagehalle mit ihrer Stahl- und Stahlbetonkonstruktion ein konstruktionsgeschichtlich interessantes Beispiel für den Bau großer Hallen. Die Entwicklung der Betonarchitektur wird auch in den Erweiterungsbauten von 1950 und 1960/61 greifbar. Das Verwaltungsgebäude ist wichtiger Teil der Gesamtanlage und ein Beispiel für die zwischen Moderne, Regionalismus und Monumentalarchitektur schwankende Architektur in der NS-Zeit.

Insgesamt ist die beschriebene Fabrikanlage Zeugnis für eine wichtige Phase in der industriegeschichtlichen Entwicklung, das sowohl durch die dort hergestellten Produkte wie auch in der inneren Arbeitsorganisation mit den durch Elektromotoren betriebenen Transmissionen die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse darzustellen vermag.

Literatur
König, Wolfgang: Massenproduktion und Technikkonsum. Entwicklungslinien und Triebkräfte der Technik zwischen 1880 und 1914, in: Wolfgang König/Wolfhard Weber (Hg), Propyläen Technikgeschichte Bd. 4, Berlin 1990

Stegeweit, Heinz: Licht und Kraft. Zum 75jährigen Bestehen der Firma Garbe, Lahmeyer & Co., Aachen 1961

Das Buch der Garbe-Lahmeyer & Co. AG (für Geschäftsfreunde), Aachen 1940

Garbe Lahmeyer & Co: Anleitung zur Behandlung elektrischer Maschinen, Aachen 1919

Hepple, Volker: Streiflichter der industriellen Entwicklung. Der Aachener Wirtschaftsraum in den Jahren 1850-1950, (Aachen 1950)

Gilson, Norbert: Zu Fuß durch Aachens Industriegeschichte, Aachen 1998

Hermanns, Will: Heimatchronik der Kur- und Kronstadt Aachen, Köln 1953

Elektrizitäts-Actien-Gesellschaft vorm. W. Lahmeyer & Co, in: RWE-Verbund 1961, Heft 34, S. 42-47