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Foto 2008

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

 

 

 


 

Objektführer / Aachen / Wollroute

Aachen_Wylre'sches Haus
Jacobstr. 35

Texte und Dokumente
Walter Buschmann: Das Wylre'sche Haus in Aachen

skizze
Wylresches Haus von der Jacobstraße

Walter Buschmann
Das Wylre'sche Haus in Aachen

Der großzügige Bauplatz entstand durch Zusammenkauf mehrerer kleiner Grundstücke. Das Haus wurde erbaut 1669 durch Johann Bertram von Wylre. Das Haus des 17. Jahrhunderts war wohl mit Kreuzstockfenstern versehen. Mitte des 18. Jhs. wurde das Haus durch Caspar Joseph von Clotz nach der Art Couvens umgebaut. Clotz war Mitglied des großen Rates und seit 1789 Regierender Bürgermeister von Aachen.

Die Familie von Clotz behielt das Haus bis 1798, dann erwarb es der Tuchkaufmann Edmund Joseph Kelleter. Kelleter wurde 1803 unter den Höchstbesteuerten der Stadt aufgeführt. 1804 empfing er Napoleon in seinem Haus, das er kunstvoll im Stil des Empire ausgestattet hatte.

Durch die Jacobstr. verlief vor dem Haus der Paubach. In den Flußlauf war um 1792 eine Wollspüle integriert worden. Solche Wollspülen bestanden aus gemauerten Becken, in die Holz- oder Weidenkörbe mit der zu spülenden Wolle eingehängt werden konnten. Weitere Wollspülen, die bevorzugt an stark frequentierten öffentlichen Orten eingerichtet wurden, um dem Diebstahl von Wolle vorzubeugen bestanden in der Marschierstr., Adalbertstr., am Johannisbach und an der Neupforte. Außerdem gab es "Privatspülen". Kelleter ließ seine Wolle außerhalb der Stadt auf seiner Mühle waschen.

1809 erwarb Kelleter die Kelmesmühle, die etwas zurückgesetzt von der Jacobstr. lag und von dem Wasser der Pau betrieben wurde. Kelleter erneuerte das Wasserrad und ergänzte die Mühle durch eine Färberei, in der die Stoffe schwarz, blau und grün gefärbt wurden. Zum Färben benutzte Kelleter das Wasser der Pau und leitete Brauchwasser wieder der Pau zu. Dadurch wurde die Wasserqualität so stark beeinträchtigt, das die nachgeschaltete Wollspüle in der Jacobstr. zeitweise nicht benutzbar war.

1808 errichtete Kelleter im Garten des Hauses einen "Achterbau" zur Tuchfabrikation. Das mit einer Traufseite zur Bendelstr. ausgerichtete Gebäude war dreigeschossig mit Satteldach. Die wohl als Hauptfassade ausgebildete Gartenfront war mit einem übergiebelten, dreiachsigen Risalit gegliedert. Im Giebelfeld des Risalits waren Merkur und Ceres dargestellt. Zwischen dem Vorderhaus an der Jacobstr. und dem Achterbau vermittelte ein mit toskanischen Säulen geschmückter Verbindungsgang, der mittig durch einen Pavillion auf rundem Grundriß unterbrochen wurde. Der Achterbau wurde im Zweiten Weltkrieg wohl vollständig zerstört. Der Verbindungsgang ist erhalten.

Edmund Josef Kelleter starb 1821. Der gemeinsam mit seinem Vater im Vorderhaus wohnende Johann Tilmann Kelleter lebte bis 1835 in dem Haus an der Jacobstr. Dann erwarb der Nadelfabrikant Heinrich Nütten das Anwesen und verlegte seine Nadelfabrik in den Achterbau an der Bendelstr. und wohnte im Vorderhaus. 1861 kaufte der Nadel- und Kratzenfabrikant Eduard Alexander Heusch die Anlage und verlegte seine Kratzenfabrik vom Klosterplatz in die Bendelstraße. Das Vorderhaus ist noch heute im Eigentum der Familie Heusch und wird zuweilen in der Literatur auch Palais Heusch genannt.

Das erhaltene Vorderhaus ist eine Dreiflügelanlage nach Art des im Paris des 17. Jhs. entwickelten städtischen Adelswohnsitzes, des Stadthôtels (vgl. in Eupen Palais Grand Ry). Der zweigeschossige Baukörper ist mit einem vergleichsweise flachen Walmdach gedeckt. Die Backsteinfassaden sind weiß geschlämmt. Die Fassaden im Ehrenhof haben stichbogige Fenster mit Blausteinumrahmung und Keilstein. Die Mittelachse des Hauptflügels ist betont durch die zweiflüglige Haupteingangstür mit darüber liegendem Balkon auf übereckgestellten Pfosten und Rocaille-Konsolen. Das schmiedeeiserne Balkongitter wurde Johann Jacob Couven zugeschrieben. Im linken Seitenflügel deuten die großen, später zugesetzten bzw. mit Fenstern versehenen Öffnungen auf eine ursprüngliche Nutzung als Remisentrakt hin. Die Straßenfassaden der beiden Seitenflügel haben große Rechteckfenster mit Keilsteinen, die - nach Art der von Laurenz Mefferdatis verwendeten Formensprache - in eine stufenartig ausgebildete Blausteinlaibung eingebunden sind. Die Gebäudeecken sind mit Quadermauerwerk in Zahnschnittmuster eingefaßt. Der Ehrenhof  wird zur Straße begrenzt durch eine gitterbewehrte Mauer mit schwerem Holztor in stichbogiger Öffnung. Zwei Amphoren krönen die Torumrahmung.

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Foto 2008

Von der Ausstattung erhalten ist die großzügige, dreiläufige Treppe, die hinter der Hauseingangstür angeordnet ist, der sogenannte Napoleon-Saal mit kompletter Empireausstattung, sowie verschiedene Kamine, Täfelungen, Fußböden, Stuckarbeiten, Türen und Tapeten.

Die Gesamtanlage einschließlich Garten ist industriegeschichtlich als Fabrikantenwohnsitz bedeutend. Zugleich ist es möglich, daß im linken Seitenflügel des Vorderhauses zumindest bis zum Bau des Achterhauses auch produktive Funktionen untergebracht waren. Durch den Paubach hatte das Haus Wasseranschluß: das Wasser des Baches wurde durch eine Rinne unter den Seitenflügel und mittels Kanal durch den Ehrenhof und unter den Hauptflügel hindurch in den Garten geleitet.

Literatur
Cünzer, Carl Borromäus: Folie des Dames, Leipzig 1851; Neuauflage: Aachen 1932 (STADTB.a. -1; Cuen buch)

Faymonville, Karl/Laurent, Joseph/ Pick, Richard: Die Kunstdenkmäler der Stadt Aachen (= Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Hg. Paul Clemen Bd. 10), Düsseldorf 1924

Heusch, Hermann: Der Wylresche Hof in Aachen, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 68, 1956, S. 333-359

Schoenen, Paul: Johann Joseph Couven, Düsseldorf 1964

Heusch: Geschichte der Familie Heusch, 1909

Huyskens, Albert: Zum Gedenken an unser Ehrenmitglied, den Fabrikanten Albert Heusch, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 63, S. 163ff

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