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fenster
Behälter und Fenster im Anbau. Foto 2001


 

Objektführer / Düsseldorf

Düsseldorf_Henkel_Seifen- und Sodafabrik
Henkelstraße 67

Texte und Dokumente
Walter Buschmann: Die zweite Seifen- und Sodafabrik der Fa. Henkel von 1914

 

vorderansicht
Henkel, Seifen- und Sodafabrik. Hauptgebäude und Seitenflügel. Foto 2001

 

Walter Buschmann
Die zweite Seifen- und Sodafabik der Fa. Henkel von 1914

Bedingt durch Industrialisierung und Verstädterung ist der All­tag des Menschen in den letzten 150 Jahren in beispielloser Weise revolutioniert worden. Das betrifft die Verhältnisse des Arbeitens, Wohnens und der Freizeit, die exakte Einteilung des Tages durch die Uhr, Essen, Körperpflege, Fortbewegung und vieles andere mehr. In diesem Prozess hat die Entwicklung spezifischer Lebens- und Hilfsmittel eine besondere Rolle gespielt. Ihrer Produktion widmeten sich ganze Industriezweige. Ein zentrales Hilfsmittel zur notwendigen Erleichterung der zuvor  zeit-, arbeits- und bei der Rasenbleiche auch flächenextensiven Wäschereinigung war die Verbesserung der Waschmittel. Die Firma Henkel hat auf diesem Gebiet Kulturgeschichte geschrieben.

Die Entwicklung des Waschmittels Persil 1906/07 bedeutete für das Unternehmen den großen Wurf, mit dem der Weltruf der Fa. Henkel begründet wurde. Persil entstand aus 75 % Spezial-Seifenpulver dem seit 1898 verfügbaren Perborat (Per) und Silikat (sil). Persil bedeutete eine wesentliche Erleichterung des häuslichen Wäschewaschens: statt Einseifen, zweimaligem Kochen und kräftigen Reiben mit der Bürste auf dem Waschbrett empfahl die Fa. Henkel zukünftig nur noch das Einweichen der Schmutzwäsche mit Bleichsoda und anschließendes kurzes Kochen der Wäsche mit Persil. Mit einem aufwendigen Werbefeldzug (Pauline laß das Reiben sein!) und effektiver Verkaufsorganisation sollte das neue Waschmittel so bekannt werden wie Maggi, Kathreiner's Malzkaffee, Hoffmann's Stärke, Liebig's Fleischextrakt. Steigender Absatz bestätigte den Erfolg und das Werk Holthausen wuchs zur industriellen Großanlage.

Zentrales Bauwerk wurde die neue Persilfabrik, die bei angestrebter Eigenproduktion aller Rohstoffe zwangsläufig ergänzt werden musste durch eine Seifenfabrik (1906/07) und eine Ölfabrik (1911) in der aus Palmkernen und Sojabohnen das Fett zur Seifenherstellung gewonnen wurde.

Ab Frühjahr 1914 entstand eine große neue Seifen- und Sodafabrik. Sie wurde erst nach Kriegsbeginn fertig gestellt, wurde jedoch zunächst nicht in Betrieb genommen, sondern als Kriegslazarett genutzt. Spätestens 1916 aber war das Gebäude in die Produktion einbezo­gen mit sechs Riesen-Siedekessel zur Herstellung der für Persil notwendigen Kernseife. Zusätzliche Kessel dienten zur Herstellung des Rohmaterials für Persil. Das Rohpersil und das flüssige, heiße Seifenpulver wurden getrocknet, zerkleinert, auf Mahlstühlen zu feinem Pulver verarbeitet und zu Persil gemischt.

1920 trat eine wesentliche Änderung im Produktionsgang ein. Mit Einführung des "Krauseverfahrens" war es gelungen, Persil und andere Pulverprodukte in Zerstäu­bertürme kontinuierlich und großtechnisch herzustellen. Es entstand die Trocken- oder Zerstäuberanlage (Gebäude E 7) - ein Betonbau mit Backsteinaußen­wänden, der noch heute eine faszinierende Innenarchitektur bietet. In den Zerstäubertürmen, die in den Seitenschiffen des großartigen Fabrikgebäudes unter den Emporen stan­den wurde das flüssige Mischgut aus Soda, Seife und Wasserglas auf eine rasch rotierende Zerstäuberscheibe gegeben. Durch den gewaltigen künstlichen Luftstrom im Inneren der Türme kristallisierten die aufspritzenden Partikel zu Pulver. Die Krauseanlage hatte einen enormen Rationalisierungseffekt. Die Arbeit von früher 200 bis 220 Mann konnte nun durch 16 Mann erledigt werden. Die alten Zerstäubertürme existieren nicht mehr und das Gebäude selbst ist leider im Außenbau stark verändert. Die außen aufgestellten neuen Zerstäubertürme prägen heute stark das Bild der Werksanlagen.

Gleichzeitig mit dem neuen Produktionsverfahren für Persil wurde als weiteres Markenprodukt 1920 das Scheuermittel Ata einge­führt. Ata wurde bis 1935 im Gebäude der Seifen- und Sodafabrik hergestellt. Seitdem wurde es bis 1955 als Klebstoff­fabrik genutzt

Angesichts der zahlreichen produktionstechnisch bedingten Veränderungen auf dem Werksgelände sind kaum noch Bauwerke aus der Gründungsphase des Stammwerkes in annähernd unverfälschter Weise überliefert. Abbrüche, Um- und Anbauten und Aufstockungen haben Erscheinungsbild und Substanz der Werks­bauten erheblich geprägt. Es muss daher als ausgesprochener Glücksfall aus Sicht der Histo­riographie gewertet werden, dass die Soda- und Seifenfabrik als Klebstoff­werk den Wandel der Zeiten weitgehend unverändert überstanden hat.

Der mächtige, sechsgeschossige Backsteinbau entstand nach Entwurf von Walter Furthmann. Er erhebt sich über annähernd quadratischem Grundriss (62,6 m x 65,5 m). Der Gebäudekörper ist in drei Schiffe mit jeweils flachgeneigten Satteldächern eingeteilt. Die Dachzone mit den Giebeln vor den drei Dächern sowie die Mittelzone der Trauffassaden wurden nachträglich verändert. Die Fassaden werden gegliedert durch Wandvorlagen, Stufengesims unter dem leicht zurückspringenden Drempelgeschoß und Konsolgesims unter den Traufen. Diese Architekturgliederungen sind ebenso wie die scheitrechten Fensterstürze und die knapp vorspringenden Sohlbänke aus gelben Verblendsteinen gemauert, die sich kräftig von den roten Ziegeln der Wandflächen absetzen. Den Traufseiten sind mit einer gedeckten Stahlkonstruktion überdachte Rampen vorgelagert.

Die innere Tragkonstruktion dieses Hauptbaus besteht aus gusseisernen Stützen, die nachträglich mit Beton ummantelt wurden. Die Stützen tragen zwei, in den unteren Geschossen teilweise auch drei Doppel-T-Träger, auf denen die Kappendecken auflagern. Das Gebäude wird durch drei Steintreppenhäuser an den Traufseiten erschlossen. An den Hauptbau fügt sich an der östlichen Giebelseite ein niedrigerer Hallenbau mit Satteldach an. Die Fassadengliederung ist analog zum Hauptbau durchgeführt. Die Giebeldreiecke sind durch mittig mit Backsteinpfeilern geteilte Lünettfenster betont. In den sonstigen schlank-hochrechteckigen und darüber annähernd quadratisch ausgebildeten Fensteröffnungen sind die historischen Fenster mit gewalzten Metallsprossen und aus Gußeisen weitgehend erhalten. Bemerkenswert ist die Öffnungsmechanik der Fenster mit Schiebe- und Kippflügeln.

innenfoto
Normalgeschoss mit verkleideten Gusseisenstützen. Foto 2001

Im Inneren der Halle stehen auf einer Betonkonstruktion zehn hohe Stahlblechbehälter, teilweise in Nietkonstruktion, die wohl noch aus der Zeit der Seifenproduktion stammen. Die Rührwerke mit Antrieb durch Riemen oder einzelnen Elektromotoren sind erhalten.

ruehrwerke
Rührwerke im Seitenflügel

Die 1914 erbaute Soda- und Seifenfabrik gehörte zum produktionstechnischen Kernbereich im Stammwerk Holthausen. Hier wurde zeitweise bis 1935 die zur Herstellung von Persil notwendige Kernseife erzeugt und das Waschmittel selbst bis zur Fertigstellung der Krause-Anlage (E 07) als Kriegs-Persil bzw. als Sil her­gestellt. Auch die Produktion von Ata (1920-35) und Klebstoff (ab 1935) war für die Firmengeschichte von großer Bedeutung. Das Gebäude ist für die Kultur­geschichte des Menschen von Zeugniswert, da hier für die Entwicklung des Alltagslebens wichtige Produkte hergestellt wurden.

Gleichzeitig verdeutlicht das Gebäude durch die weitgehend erhaltene, von Walter Furthmann gestaltete Formensprache wichtige Tendenzen der Architekturgeschich­te. Seit 1906 - also mit Beginn des Persilzeitalters - war der Architekt Walter Furth­mann für alle Bauaufgaben bei der Fa. Henkel zuständig. Der damals 33jährige Furthmann hatte zuvor mehrere Architekturwettbewerbe gewonnen, hatte das Rathaus in Hilden und den südlichen Stadtgrabenabschluß der Königsallee ausgeführt und war Fritz Henkel als Preisträger im Wettbewerb für das Rathaus Benrath aufgefallen. Furthmann wurde zum "Hausarchitekten" der Fa. Henkel und lieferte bis über das 70. Lebensjahr hinaus die Entwürfe für das Werk Holthausen. Die in mehreren Bauphasen entstandene Hauptverwaltung der Firma Henkel in Formen des Rheinischen Expressionismus war ein Höhepunkt im Lebenswerk des Architekten.

Die Werksbauten von Furthmann galten mit ihren lebendigen Gliederungen aus gelben Verblendsteinen vor den zurückliegenden Wandflächen aus roten Ziegeln als glückliche Alternative zur Eintönigkeit älterer Fabrikbauten. Gelobt wurde der freundliche Eindruck, den diese Bauten machten und ihre Großzügigkeit, die viel Raum für freie Bewegung und bequemes Schaffen biete: "es sollten keine Stätten der Nüchternheit und des bloßen Nutzens, sondern Denkmäler der Arbeit geschaf­fen werden."( Vierzig Jahre..., a.a.O., S. 19)

Der Industriebau galt der Erneuerungsbewegung vor und nach dem Ersten Weltkrieg als Grund­lage für die Entwicklung einer neuen Monumentalbaukunst. Neben den Bauten der anonymen Ingenieur-Ästhetik (Brücken, Kühltürme, Gasbehälter etc.) war in der Übergangszeit vom Historismus zur Moderne eine bewusst sachlich gestaltete Industriearchitektur von großer Bedeutung. Bislang sind in der architek­turhistorischen Forschung nur wenig Namen bekannt, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielten. Man muss davon ausgehen, dass sich die großen Architekturpersönlichkeiten jener Zeit wie Peter Behrens und Walter Gropius nur auf einer breiten Grundlage entfalten konn­ten, einer Basis die von bislang noch weniger be­kannten Indu­striearchitekten wie Alfred Fischer in Essen, Erberich  und Scheeben in Köln, Salzmann und Genzlin in Düsseldorf geschaffen wrude. Dass Walter Furthmann ebenfalls in diesen Kreis einzubezie­hen ist, war bisher nicht bekannt. Die Soda- und Seifenfabrik ist daher entwicklungsgeschichtlich für die Architektur auf dem Weg zur Moderne von Bedeutung.

Die Fa. Henkel war zugleich Basis und Ergebnis des modernen durch Industrialisie­rung und Verstädterung geprägten Alltagslebens. Produkte wie Persil, Ata, Pritt und Pattex waren und sind aus der Organisation des Alltags nicht mehr wegzuden­ken. Die beinah 100jährige Geschichte dieser Produkte wird auch im Bild der Pro­duktionsanlagen virulent. Sie präsentieren Tradition und Erfahrungsreichtum eines Unternehmens im Dienst chemischer Alltagsprodukte.

Begleitet wurde die Geschichte der Fa. Henkel in der Person von Walter Furthmann durch einen bedeutenden Architekten. Er gab der Unternehmensphilosophie und darüber hinaus dem Empfinden seiner Zeit formvollendeten Ausdruck. In den Bauten der Fa. Henkel lässt sich ein wesentlicher Fortschritt in der ersten Hälfte des 20. Jh. vom Historismus zur Moderne nachzeichnen. Wir wissen, dass der Fabrikbau in diesem Prozess eine wesentliche Rolle spielte und können in den genannten Bauten eine der bemerkenswerten Entwicklungen unserer Zeit nachvollziehen.

Die Seifen- und Sodafabrik wurde für Neubauten im Werksgelände etwa 2001 abgebrochen.

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