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kirche
Evangelische Kirche

 

schule
Schule

 

 

 

 


gemeindehaus
Gemeindehaus



 

 

schwimmbad
Heyne-Bad

 

 

 

 

 

 

beamten
Meistersiedlung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

typ3
Typ III

 

 

 

 

 

 


 

Objektführer / Düsseldorf

Düsseldorf_Glaswerke Gerresheim Arbeitersiedlung

Links
Möller, Matthias: Naturfreunde Gerresheim
Harad Konradt: Stadtentwicklung
Werbe- und Interessengemeinschaft Gerresheim e. V.: WiG Wir in Gerresheim
Kulturkreis Gerresheim, Grafenberg und Hubbelrath e.V.
Schumacher, Kai: Landeshauptstadt Düsseldorf

Texte
André Maron: Die Arbeitersiedlung der Glashütte Gerresheim. Seminararbeit am Lehrgebiet Denkmalpflege der RWTH Aachen SS 2008

plan
Lageplan, Grundriß und Ansicht Typ I

André Maron
Die Arbeitersiedlung der Glashütte Gerresheim

Entstehung
Ferdinand Heye gründete das Unternehmen im Jahre 1864. Ursprünglich stammte er aus
Bremen. Für die Standortwahl Gerresheim gab es zahlreiche Gründe. Abstand zu seiner
Familie zu gewinnen, um einen Konkurrenzkampf zu vermeiden, war einer davon. Aber
auch sehr viele sachliche Gründe sprachen für Gerresheim. So sind zum Beispiel alle für
die Glasherstellung erforderlichen Rohstoffe in der Nähe zu finden. Eine sehr gute Verkehrsanbindung
versprach ebenfalls gute Transportmöglichkeiten. Zu nennen sind hier
zwei bedeutende Bahnstrecken und die Nähe des Rheins. Auch ein umgebendes „Industriedreieck“
und das Ruhrgebiet als guter Absatzmarkt waren mit Sicherheit Einflüsse.
Ferdinand Heye führte die Glashütte bis 1888 in Eigenverantwortung, dann wurde das
Unternehmen zur Aktiengesellschaft. Das Werk wurde stetig erweitert und war bis zu
den beiden Weltkriegen äußerst erfolgreich. Trotz schwerer Verluste während der Kriege
und bedeutender Änderungen, zu nennen ist hier beispielsweise die Automatisierung der
Flaschenproduktion durch den Einsatz von Maschinen, ging es auch nach dem Zweiten
Weltkrieg wieder bergauf. Es folgten zahlreiche Wechsel bei den Haupteignern der Aktiengesellschaft
und zum Ende des 20. Jahrhunderts ging die Produktion aufgrund des Aufkommens
von Kunststoffflaschen aus PET zurück. 2005 musste das Werk geschlossen
werden und das brachliegende Werksgelände wurde Anfang 2008 für einen Wettbewerb
freigegeben, um den Stadtteil städtebaulich weiter zu entwickeln.

Arbeitersiedlung der Glashütte
Von Beginn an entwickelte sich in der direkten Umgebung der Glashütte eine Arbeitersiedlung.
Da das Glasbläserhandwerk sehr spezielle Kenntnisse erforderte und es in der
näheren Umgebung der Glashütte kaum Facharbeiter gab, wurden diese in anderen Teilen
Deutschlands und in Osteuropa angeworben. Um diese Menschen dazu zu bewegen,
ihre Heimat zu verlassen und nach Gerresheim zu kommen, sorgte Ferdinand Heye mit
Steuerfreiheit, vielen Sozialeinrichtungen und kostenlosen Arbeiterwohnungen für einen
Anreiz.

Da Heye bereits früh erkannte, dass die Entwicklung seiner Glashütte mit dem Wohl
seiner Angestellten einhergeht, engagierte er sich auch weiterhin sehr stark für die Arbeiter
und baute zahlreiche Einrichtungen wie z.B. Kirchen, Schulen, Parks und Bäder.
Außerdem gründete er Vereine, Wohlfahrtseinrichtungen und sorgte auch sonst für das
Wohlergehen seiner Arbeiter.

In der Anfangszeit der Glashütte war das Glaser-Handwerk und damit auch das Leben
der Arbeiter noch sehr stark von dem unregelmäßigen Produktionsprozess abhängig. Die
Arbeiter mussten anfangen zu arbeiten, wenn die Schmelze den richtigen Verarbeitungszustand
erreicht hatte. Das konnte z.B. auch mitten in der Nacht sein. Damit die Arbeiter
jederzeit abrufbar waren, mussten ihre Wohnungen in unmittelbarer Nähe der Glashütte
liegen. Auf diese Weise entstand die Arbeitersiedlung direkt um die Gerrixwerke herum.
Während das Zentrum der Stadt Gerresheim weiter nördlich lag, bildete sich so ein zweites
Zentrum bei der Glashütte heraus. Diese Entwicklung wurde zusätzlich dadurch verstärkt,
dass die Glasarbeiter im Wesentlichen unter sich blieben. Sprachliche, kulturelle und religiöse
Unterschiede ließen eine eigene kleine Welt entstehen. Es entstand eine eigene
Sprache, das Hötter Platt, das sich von allen umgebenden Mundarten deutlich unterschied
und nur von den Glasarbeitern gesprochen wurde. Heutzutage ist diese Sprache beinahe
ausgestorben. Eine Vielzahl der zugewanderten Arbeiter war evangelisch. Der Raum um

Gerresheim war jedoch katholisch geprägt. Daher entstanden in der unmittelbaren Nähe
der Glashütte eigene evangelische Schulen, Kirchen und Sozialeinrichtungen.
Diese isolierte Situation hielt sich lange Zeit. 1909 wurde Gerresheim von Düsseldorf
eingemeindet, aber erst in den letzten Jahren wuchsen die beiden Teile von Gerresheim
zusammen. Auch heute ist der Stadtteil noch geprägt von Einwanderern, diese stammen
gegenwärtig allerdings oft aus dem Mittelmeerraum.

Die Glashütte und die zugehörige Arbeitersiedlung liegen in unmittelbarer Nähe zum
Bahnhof Düsseldorf-Gerresheim. Der Ort wird durch den Verlauf der Düssel im Westen
und Süden geprägt. Außerdem beginnt in der näheren Umgebung das grüne Umland von
Düsseldorf.

bahnhof
Bahnhof Gerresheim

Das Gelände der ehemaligen Glashütte liegt nördlich vom Bahnhof und den Gleisanlagen.
Im Osten schließt sich an das Werksgelände die denkmalgeschützte Arbeitersiedlung
„Neustadt“ an, nur getrennt durch die Heyestraße, die vom Bahnhof aus nach Norden
verläuft. Nördlich des Werksgeländes gibt es, einen Block von der Heyestraße entfernt,
eine weitere vollständig erhaltene Siedlung namens „Nachtigall“. Hier befinden sich auch
das unter Denkmalschutz stehende Heyebad und die Wirtschaft Haumann, die für das
Sozial- und Vereinsleben der Arbeiter eine große Rolle spielte. Früher gab es hier auch
eine von der Familie Heye angelegte Parkanlage. Neben weiteren vereinzelt erhaltenen
Arbeiterwohnungen liegen an der Heyestraße die von der Familie Heye gestiftete GustavAdolf-
Kirche und die Ferdinand-Heye-Schule, die ebenfalls unter Denkmalschutz stehen.

Abseits der Straße, hinter der Kirche, steht das evangelische Gemeindehaus. In der unmittelbaren
Umgebung gibt es zahlreiche Bürger- und Fabrikantenhäuser, die auch partiell
unter Denkmalschutz gestellt wurden.

Südlich des Bahnhofs und der Gleisanlagen befindet sich das „Meister- und Beamtenviertel“.
Auch hier gibt es ganze Baublöcke, die erhalten sind und unter Denkmalschutz
stehen. Außerdem gibt es noch eine kleine Arbeitersiedlung „Alte Insel“, die damals in
einer Flussschleife der mittlerweile begradigten Düssel lag und so tatsächlich fast eine
Insel bildete.

Damals gab es neben den bereits erwähnten Gemeinschaftseinrichtungen noch viele weitere,
beispielsweise Backhäuser, Räuchereien und ein Altenheim, für die einzelnen Quartiere
oder für die gesamte Siedlung.

Neben den Wohnhäusern ließ Ferdinand Heye zahlreiche öffentliche Einrichtungen und
Gebäude in der Siedlung bauen bzw. initiierte deren Bau. Diese waren für das Leben in
der Siedlung von großer Bedeutung, zumal die Wohnungen für heutige Verhältnisse sehr
spartanisch ausgestattet und dimensioniert waren. Viele Funktionen waren also ausgelagert.
So gab es gemeinschaftliche Brunnen, Back- und Räucherhäuser, öffentliche Bäder
und Gebäude, die der Freizeitgestaltung und Religionsausübung dienten.
Da diese Gebäude also für die Siedlung recht bedeutsam waren, sowohl für das Leben in
der Siedlung als auch für ihr Erscheinungsbild, folgt nun zunächst eine kurze Beschreibung
der wichtigsten und unter Denkmalschutz stehenden Bauwerke der Siedlung.

Gustav-Adolf-Kirche
Die Gustav-Adolf-Kirche ist eine evangelische Kirche in der Heyestraße 93. Die Heyestraße
verbindet den nördlichen Teil Gerresheims mit dem südlichen. Im Jahr 1867 spendete
Ferdinand Heye einen größeren Geldbetrag an die Stadt Gerresheim mit der Auflage,
davon Grundstücke an der damaligen Bahnhofstraße zu erwerben, um unter anderem eine
evangelische Kirche zu bauen, die bis dato in Gerresheim noch fehlte. 1878 wurde dann
die Kirche fertig gestellt und 1984 in die Denkmalliste eingetragen.

Die Kirche steht parallel zur Straße und ist somit nord-süd-gerichtet. Das freistehende
Gebäude ist von Grünanlagen umgeben und das Grundstück ist von einem gusseisernen
Zaun umgrenzt.

Über dem Eingang des neoromanischen Baus befindet sich ein Glockenturm. Rechts vom
Eingang befindet sich ein Anbau mit quadratischem Grundriss, der sich von dem ansonsten
symmetrischen Gebäude abhebt. Das Gebäude ist aus Backstein gebaut und weiß
getüncht. Die Fenstersohlbänke und andere schräge Flächen sind dagegen aus dunkelgrauem
bis schwarzem Material (Stein), ebenso wie die Dacheindeckung aus Pfannen.

Ferdinand-Heye-Schule
Die Ferdinand-Heye-Schule wurde 1867 als evangelische Schule gegründet. Sie enthielt
damals auch eine Lehrerwohnung. 1883 wurde die Schule um zwei Klassenräume erweitert
und ist heute als Grundschule noch immer in Benutzung.

Die Schule steht frei auf dem Grundstück und ist ebenfalls parallel zur Heyestraße ausgerichtet.
Auf dem Platz zwischen dem Gebäude und der Straße befindet sich ein Schulhof,
ebenso auf der Rückseite des Gebäudes.

Das Backstein-Gebäude ist lang gestreckt. Es hat ein Satteldach und wird auf der Längsseite
zur Straße hin von zwei Giebelwänden in drei Teile geteilt. Diese Giebelwände
stehen aber nur sehr gering vor, sie sind beinahe bündig mit der Längswand. Auf der
Rückseite des Schulgebäudes gibt es nur eine solche Giebelwand. Der verwendete Back-
stein ist dunkelrot. Für den Zahnfries, die dekorativen Elemente entlang der Traufe und
die Segmentbogen-Stürze der Türen und Fenster wurde dagegen ein gelblicher Stein verwendet.

Es gibt neben verzinkten Regenrinnen weitere kleine moderne Ergänzungen, beispielsweise
Vordächer über den Türen. Diese sind aus Glas und heben sich gut vom Bestand ab
ohne diesen zu verunstalten. Die Anschaulichkeit ist also gegeben.

Evangelisches Gemeindehaus
Auf der Ecke von Vereinsstraße und Hardenbergstraße liegt das evangelische Gemeindehaus,
das ebenfalls mit Hilfe einer Spende der Familie Heye errichtet wurde, um „der
gepflegten Geselligkeit im Gemeindeleben“ zu dienen und damit auch „subversiven Umtrieben
der Sozialdemokraten“ entgegen zu wirken. Es wurde 1899 von dem Architekten
Bernhard Tüshaus gebaut.

Das relativ große dreigeschossige Gebäude steht frei auf dem Eckgrundstück und ist von
Grünflächen mit Bäumen umgeben. Begrenzt wird das Grundstück von einem Zaun. Das
Gemeindezentrum ist aus rotem Backstein errichtet und weist viele dekorative Elemente
auf. Die Öffnungen sind allesamt als Rundbögen konstruiert. Besonders markant sind die
zinnenartigen Verzierungen auf dem Dach, welches mit schwarzen Dachpfannen eingedeckt
ist.

Es gibt nur wenige moderne Veränderungen am Erscheinungsbild. Neben den Fenstern
fallen nur recht dezente Außenlampen auf, die in dem weißen Farbton der Fenster gehalten
sind.

Heye-Bad
Das ehemalige Heye-Bad ist an der Torfbruchstraße gelegen, der heutigen Umgehungsstraße.
Es wurde 1902 errichtet und bildete zusammen mit dem mittlerweile abgerissenen,
1879 erbauten und bereits nach wenigen Jahren wieder aufgegebenen Bahnhof einer
zweiten Eisenbahnlinie (die so genannte „Rheinische“), einen Bestandteil des Volksgartens,
den Ferdinand Heye für das südliche Gerresheim der Glasarbeiter einrichtete. Das
Bad wurde bis 1970 tatsächlich als Bad genutzt und dann umgebaut. Seitdem ist dort ein
Kinderhort und Jugendtreff beheimatet.

Das Gebäude bildet einen lang gestreckten Riegel, der mittig von einer Art Querriegel
unterbrochen wird. In der sich so ergebenden „Vierung“ gibt es einen kleinen Turm, der
dem Gebäude sein besonderes Erscheinungsbild verleiht.

Die Ausrichtung ist längs der Torfbruchstraße. Auf der anderen Seite des Gebäudes läuft
die Nachtigallstraße entlang. An die östliche Schmalseite des Bades grenzt ein 1940/41
von französischen Kriegsgefangenen erbauter Hochbunker. Die andere ansonsten frei
stehende Schmalseite ist durch einen kleinen Bau, wahrscheinlich ein Transformatorenhäuschen
o.ä., ergänzt worden. Dieses setzt die Anschaulichkeit des Gebäudes herab, da
es sich hierbei um eine sehr markante Ecksituation handelt.

Die Wandflächen des Gebäudes sind größtenteils gelb verputzt. Besondere architektonische
Elemente und die Gebäudekanten sind in rotem Backstein hervorgehoben. Das Dach
ist mit roten Pfannen gedeckt.

Meistersiedlung
Die so genannte Meistersiedlung liegt südlich des Werksgeländes und der Bahnstrecke.
Sie wurde 1904-1906 erbaut. Ausführender Architekt war W. Jacobi. Es gibt zwei Straßen
parallel zu den Bahngleisen, zwischen denen die Siedlung liegt, gegliedert von drei Querstraßen.
Die beiden dazwischen liegenden Baublöcke werden auch „Großer Burghof“
und „Kleiner Burghof“ genannt.

Dieser Name rührt daher, dass die Häuser viele Elemente aufweisen, die an die Burgarchitektur
erinnern, wie zum Beispiel Vor- und Rücksprünge, Erker, Tore und Verzierungen.
Die Häuser sind aus rotem Backstein gebaut, allerdings sind einige Flächen weiß
verputzt. Weiterhin gibt es Fachwerkelemente und Schieferabdeckungen. Die Dacheindeckung
besteht aus roten und schwarzen Dachpfannen. Alle Öffnungen sind als Rund- oder
Segmentbogen ausgeführt.

Neben baulichen Veränderungen, wie dem Ausbau der Dachgeschosse, sind die markantesten
neuzeitlichen Veränderungen die an vielen Hauseingängen angebrachten Vordächer.
Diese versuchen teilweise die Burgarchitektur aufzunehmen, während andere, in
Glas oder Kunststoff ausgeführt, sich merklich abheben. Hier zeigt sich deutlich der Konflikt
der Anschaulichkeit, denn während man bei den imitierenden Vordächern schlecht
ablesen kann, ob sie alt oder neu sind, fügen sich die modernen oft nicht gut ins historische
Bild der Häuser ein. Hier sollten bessere Lösungen gefunden werden.

Arbeiterwohnhäuser
Ferdinand Heye begann 1864 mit dem Bau der Arbeiterwohnungen. Diese waren für die
damalige Zeit sehr fortschrittlich und großzügig, auch wenn sie aus heutiger Sicht recht
einfach und unzureichend wirken. In den kommenden Jahren wurde dieser Prototyp (Typ
I) weiter gebaut und anschließend mehrfach weiterentwickelt und dabei den Anforderungen
der jeweiligen Zeit angepasst. So entstanden die Haustypen II bis IV. Stets wurde
darauf geachtet, dass die Wohnungen modern und fortschrittlich waren.

Als erstes entstand die Siedlung „Altstadt“ direkt am Werksgelände, westlich der heutigen
Heyestraße. Diese Siedlung wurde allerdings 1974 abgerissen, um Platz für Straßenbau
und einen Parkplatz zu schaffen. Leider fand der Abriss kurz vor der Entwicklung eines
Denkmalschutzgesetzes in NRW statt, so dass die Siedlung komplett verloren ging. Östlich
der Heyestraße gelegen entstand in den kommenden Jahren die „Neustadt“, die bis
heute erhalten ist und unter Denkmalschutz steht. Ab 1881 wurden in einem weiterentwickelten
Haustyp Siedlungen gebaut, wie z.B. die Siedlung „Nachtigall“ die jedoch nicht
unter Schutz steht und auch baulich stark verändert wurde. Auch von dem noch späteren
Haustyp IV sind einzelne Gebäude erhalten.

Typ I
Die Siedlung „Altstadt“ befand sich in dem Bereich zwischen der heutigen Torfbruchstraße
und der Heyestraße, die damals noch Bahnstraße hieß. An dieser Stelle befindet
sich heute ein Parkplatz und ein Teil der Fläche wurde in das Werksgeländes integriert.
Außerdem wurde ein Teil der Siedlung von der zur Umgehungsstraße ausgebauten Torfbruchstraße
überbaut. Die Siedlung war annähernd parallel zur Heyestraße ausgerichtet.
Es gab zwei zur Heyestraße orthogonale Straßen, die von drei zur Heyestraße parallel angelegten
verbunden waren. In den sich daraus ergebenden rechteckigen Feldern befanden
sich insgesamt 134 Wohnungen und zusätzliche Wirtschaftsgebäude. Die Häuser waren
als Doppelhäuser gebaut oder zu Häuserreihen verbunden.

typ1
Typ I

Die Siedlung „Neustadt“ liegt der „Altstadt“ gegenüber auf der anderen Seite der Heyestraße.
Sie ist bis heute erhalten und steht außerdem unter Denkmalschutz. Die Siedlung
ist weitgehend parallel zur Heyestraße und ziemlich genau in Nord-Süd-Richtung orientiert.
Sie liegt in dem Bereich zwischen Heyestraße und Morper Straße. Das Quartier wird
gegliedert durch zwei zur Heyestraße parallele Straßen und ebenfalls zwei zur Morper
Straße parallele Straßen. Wiederum handelt es sich um Doppelhäuser oder Häuserreihen,
die in vier Blockgruppen insgesamt 123 Wohneinheiten bilden. Die „Neustadt“ ist der
Restbestand des ersten gebauten Haustyps (Typ I).

lage

Die Häuser wurden nach dem Vorbild der Weserglashütten, zum Beispiel Schauenstein,
gebaut und waren an die speziellen Bedürfnisse der Glasbläser angepasst. Es handelte
sich um eingeschossige Backsteinbauten mit einem dachpfannengedeckten Satteldach.
Die einzelnen Wohnungen der Doppelhäuser und Häuserreihen lassen sich anhand der
Schornsteine, von denen jede Wohnung einen hat, und der Fassaden ablesen.
 
Jeweils zwei spiegelbildliche Wohnungen teilen sich einen Eingang, der über eine kleine
Treppe zu erreichen ist. Dies wurde wegen dem Grundwasser so angelegt und auch um
das leichte Gefälle des Areals auszugleichen. Im unteren Bereich der Fassade gibt es auch
einen kleinen Sockelbereich, der auf der Höhe der letzten Treppenstufe bzw. der Türschwelle
endet. Zu beiden Seiten der Eingangstür befindet sich jeweils ein Fenster. Bei
den Häuserreihen liegen also jeweils zwei Fenster zwischen zwei Türen. Auf diese Weise
ergibt sich eine sehr regelmäßige Aufteilung der Fassade.

Alle Öffnungen, also Türen und Fenster, sind in Segmentbögen ausgeführt. Die Scheitelpunkte
der Bögen von Fenstern und Türen liegen auf gleicher Höhe. Die Fenster bestehen
aus einem kleineren oberen Teil und einem größeren unteren Teil, der in zwei Flügel
aufgeteilt ist. Die Rahmen bestanden aus Holz. An jedem Fenster gibt es eine kleine
Fenstersohlbank. Die Türen hatten Klinken und waren von außen zu öffnen, damit der
So genannte Rufmeister die Arbeiter wecken konnte ohne den Rest der Familie zu stören,
wenn die Glasschmelze den richtigen Zustand erreicht hatte.

Der verwendete Backstein ist dunkelrot und geht teilweise sogar leicht ins bläuliche. Allerdings
unterscheidet sich der Backstein bei den einzelnen Häusern auch noch. So geht
er bei einigen in Richtung orange-rot. Bei einigen Häusern gibt es in den Steinen noch
zahlreiche helle Einschlüsse. Der Mörtel ist in der Regel hellgrau und die Steine sind im
Kreuzverband angeordnet.

Hinter der Eingangtür befand sich ein von beiden Familien gemeinsam genutzter Flur.
Daran anschließend jeweils spiegelbildlich zu beiden Seiten eine Wohnstube von knapp
13m². Weiter hinten dann noch eine Küche (ca. 7 m²) und zwei Schlafräume (ca. 18m²).
Einer der Schlafräume war eine sogenannte „Dunkelkammer“. Dieser Raum hatte keine
Fenster, damit die Glasarbeiter, die ja in Schichten arbeiteten, tagsüber schlafen und ihre
strapazierten Augen schonen konnten. Der Raum wurde lediglich indirekt über den Flur
belichtet.

Außerdem gehörten zu jeder Wohnung eine Bodenkammer (12m²), ein Stall und ein Kellerraum.
Toiletten gab es zunächst ebenso wenig wie einen Wasseranschluss. Eine Toilette
war im Stall neben der Mistgrube angebracht und erst 1950 wurden die Toiletten
im Haus selbst installiert. 1890 ließ Ferdinand Heye jedoch die Häuser an das städtische
Wassernetz anschließen. Bis dahin musste das Wasser von einem zentral im Quartier gelegenen
Brunnen geholt werden.

Die Häuser der „Neustadt“ sind heute alle in Privatbesitz und wurden den modernen
Lebensbedingungen und Wohnbedürfnissen angepasst. Unter Denkmalschutz stehen sie
seit 1975. Durch den ursprünglich von zwei Familien gemeinsam genutzten Hausflur als
Zugang zu den Wohnungen ließen sich die beiden Wohneinheiten sehr bequem zu einer
zusammenfassen, die den heutigen Ansprüchen gerecht wird.

Viele der Häuser erscheinen noch heute in der ursprünglichen Backsteinbauweise. Einige
wurden allerdings auch im Laufe der Zeit verputzt. Die Gebäudeecken wurden dabei
stets etwas hervorgehoben. Die Dächer sind heutzutage mit roten oder schwarzen Dachpfannen
gedeckt und weisen moderne Kippfenster auf. Außerdem gibt es natürlich viele
Accessoires wie Fensterläden etc.

typ1

Der Umgang mit der Siedlung „Neustadt“ ist durchaus positiv zu bewerten. Selbstverständlich
mussten sie an die modernen Lebensbedingungen angepasst werden, aber das
Erscheinungsbild der Hauser ist erhalten geblieben, da nur wenige Eingriffe in die bauliche
Substanz vorgenommen wurden. Die ursprünglichen Wohnungseinheiten können
zwar nicht mehr gut abgelesen werden, allerdings kann man die ursprüngliche Aufteilung
heutzutage keiner Familie mehr zumuten und die Bausubstanz ist dennoch erhalten geblieben.
Die Straßen enthalten mehr Grün als früher, aber auch hier wurde der Lebensstandart
gehoben ohne das Erscheinungsbild allzu sehr zu verändern. Im Wesentlichen wurde der
kleine Platz an der Straßenkreuzung in der Mitte des Quartiers begrünt, wo sich früher
der Brunnen befand. Insgesamt macht die Siedlung einen sehr gepflegten Eindruck.

Typ II
Ab 1879 wurden dann in recht kurzer Zeit 203 Wohnungen in einem veränderten Haustyp
II gebaut. Dieser ist eine direkte Weiterentwicklung und unterscheidet sich nur in wenigen
Punkten von dem bewährten ersten Bautyp.

Während die Aufteilung gleich bleibt, wird gleichzeitig die Wohnfläche etwas vergrößert.
Der wesentliche Unterschied zum ersten Bautyp besteht darin, dass ein weiteres Geschoss
hinzugefügt wurde, wodurch die doppelte Anzahl an Wohnungen auf der gleichen
Grundfläche untergebracht werden konnten. Außerdem wurden natürlich von vornherein
modernere Fenster etc. verwendet.

Ab 1881 wurde dann der Typ III gebaut. Wiederum wurde dabei die Wohnfläche vergrößert,
und auch die lichte Raumhöhe auf 3m erhöht.

Zu dieser Zeit gab es eine bedeutende Veränderung für die Glasindustrie. Während der
Prozess der Glasherstellung früher sehr unregelmäßig war, konnte durch die Einführung
des Wannenofens nun in einem regelmäßigen Drei-Schichten-Rhythmus gearbeitet werden.
Dadurch wurde die Dunkelkammer überflüssig und ab dem Haustyp III erhalten alle
Räume Fenster. Aus diesem Grund stehen die Häuser nun auch nicht mehr doppelt oder
in Reihe, sondern einzeln.

Dieser Haustyp ist noch in der Siedlung „Nachtigall“ erhalten geblieben. Allerdings wurde
er so sehr überarbeitet und baulich verändert, dass er nicht unter Denkmalschutz gestellt
wurde.

Typ IV
Wieder wurde der gewohnte Wohnungsschnitt verwendet. Die Wohnfläche wurde ein weiteres
Mal vergrößert. Außerdem wurden die Häuser direkt mit Wasser- und Gasanschluss
ausgestattet. Die Toiletten wurden nicht wie bisher im Stall untergebracht, sondern für
jede Familie separat nach innen gelegt.

Außerdem wurden die Fassaden aufwändiger gestaltet, um den steigenden Ansprüchen
der Bewohner entgegen zu kommen. Ob noch Häuser dieses Typs vorhanden sind, ist
leider nicht bekannt, jedoch ist es wahrscheinlich.

Veränderung, Nutzung, Entwicklung
Die Arbeitersiedlung in Gerresheim erzählt dem Betrachter sehr viel über die Geschichte
des Ortes. Insofern ist es gut, dass viel von der alten Bausubstanz erhalten geblieben ist
und sich auch in einem gepflegten, aber weitestgehend unveränderten Zustand befindet.
Sehr schade ist der Verlust der Siedlung „Altstadt“, denn obwohl der Bautyp noch in
der „Neustadt“ erhalten ist, fehlt doch das Gesamtgefüge, das ursprünglich die Siedlung
prägte. Leider wurde das Denkmalschutzgesetz NRW wenige Jahre „zu spät“ verabschiedet,
um diese Siedlung noch mit zu erfassen. Denn für die städtebaulichen Entwicklungen,
deren Interesse hier wohl im Mittelpunkt stand, hätte man mit Sicherheit auch eine
andere gute Lösung finden können, ohne den alten Bestand zu verlieren.

Aus den gleichen Gründen ist es bedauerlich, dass derzeit die Glashütte geschlossen und
abgerissen wird, so sehr es auch der Entwicklung von Gerresheim dient. Da diese Veränderung
aber nicht aufzuhalten ist, wäre es wichtig, darauf zu achten, dass bei der Neugestaltung
dieses großen Areals deutlich wird, wie dieser Ort bisher aussah und was hier
geschehen ist. Denn ohne die Glashütte ergibt die Arbeitersiedlung wenig Sinn und man
versteht den Bestand ohne seinen Kontext schlechter oder gar nicht. Es bleibt zu hoffen,
dass dies bei der Planung berücksichtigt wird, aber da zumindest einige wenige Gebäude
der Glashütte und eventuell auch Teile der Umfassungsmauer erhalten bleiben sollen,
besteht, bei guter Planung, zumindest die Möglichkeit dazu.

Es ist positiv zu bewerten, dass alle Gebäude heute sinnvoll genutzt werden, da dies im
Sinne der Denkmalpflege ist, wenn die Substanz dabei erhalten bleibt und die Anschaulichkeit
gewährt werden soll. Dies wurde in der Siedlung Gerresheim, soweit bekannt,
angemessen umgesetzt.

typ1

Schön wäre in diese Sinne ein Anschauungsexemplar der alten Arbeiterhäuser im ursprünglichen
Zustand mit der Dunkelkammer als Schlafraum und der ursprünglichen
Nutzung der Häuser für zwei Familien. Dies wäre denkbar als Teil eines über das gesamte
Gelände verteilten „Museums“, zu dem auch andere Teile der alten Glashütte und der
Siedlung gehören könnten und das auf einer Erlebnisroute durch den Stadtteil erfahren
werden könnte.

Literatur
Kamann, Bruno: Gerresheimer Glas. Essen 2007

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