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muehle
Mühle in Tietz-Höllen, um 1930

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

   
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Braunsfeld_Müngersdorf_Ehrenfeld

Texte und Dokumente
Walter Buschmann: Das Industriegebiet zwischen Aachener und Venloer Straße in Köln

stadtkarte1606
Stadtkarte 1606

Walter Buschmann

Köln_Das Industriegebiet zwischen Aachener und Venloer Straße

Anfänge
Die Industriegeschichte von Braunsfeld begann mit einer Mühle. Schon auf einem Plan von 1606 wird die Melatener Mühle unweit des Kölner Richtplatzes dargestellt. Sie lag an der Straße von Köln nach Aachen, soll 1828 abgebrochen und in Höllen im Kreis Neuss wiederaufgebaut worden sein. Ob die bis Mitte der 1980er Jahre in Tietz-Höllen stehende, dann durch Brand vernichtete Mühle die Melatener Mühle war ist allerdings fraglich.

Eine andere Möglichkeit zum Einstieg in die Industriegeschichte des Kölner Nordwestens bieten die seit den 1840er Jahren im Gebiet der heutigen Stadtteile Ehrenfeld, Braunsfeld und Müngersdorf betriebenen Ziegeleien. Ziegeleien waren in dieser Zeit um 1850 höchst temporäre Anlagen, bestanden aus Feldbrandöfen, die wie Holzkohlemeiler funktionierten und nach dem Brand nicht mehr existierten. Aufgebaut und betrieben wurden diese Öfen häufig von Wanderarbeiter. Berühmt waren die Ziegelarbeiter aus Lippe, die im Frühjahr bis an den Niederrhein zogen, die tonreichen Felder "ausziegelten", mit einer unglaublichen Geschwindigkeit und Geschicklichkeit in Holzformen die Backsteine herstellten, riesige Meileröfen auf freiem Feld errichteten und nach dem Brand im Herbst wieder in ihre Heimat zogen. In Köln an der Aachener Straße wurden einige dieser Ziegeler seßhaft und formten mit ihren Häusern den Focus von Braunsfeld.

Von den Ziegeleien im Kölner Nordwesten sind keine baulichen Spuren erhalten. Zuweilen erinnert die Topographie mit den an einigen Stellen noch deutlichen Geländesprüngen an diesen Teil der Stadtgeschichte. In einigen Häusern z. B. in der Eupener Straße betritt man das Erdgeschoß von der Straße her, während  der Gartenzugang vom Keller erfolgt.

Die wesentliche Grundlage für die Industrialisierung im Kölner Westen entstand durch den Bau der Köln-Aachener Eisenbahn 1838 bis 1841. Dieser Bahn  verdanken wir mit dem Bahnhof Belvedere in Müngersdorf das älteste erhaltene, 1838 erbaute Empfangsgebäude in Deutschland.

Erst mit Anlage des Bahnhofs Ehrenfeld 1862 kam es jedoch zu einer sprunghaft steigenden Zahl industrieller Gründungen, die sich zunächst um den Ehrenfelder Bahnhof herum konzentrierten. Ich nenne nur zwei, auf die ich im weiteren Verlauf noch zurückkommen möchte. 1861 also schon im Vorgriff auf den Ehrenfelder Bahnhofsbau entstand die Anilinfabrik von Joseph Wilhelm Weiler an der Venloer Straße. Eine historische Darstellung zeigt, wie klein die Fabriken teilweise zum Zeitpunkt ihrer Entstehung waren. Unter ihnen das vielleicht bekannteste Kölner Unternehmen, die aus dem 18. Jahrhundert stammende Seifen- und Parfümfabrik von Ferdinand Muelhens mit einer 1874 an der Venloer Straße neu errichteten Fabrikanlage.

Das Gaswerk an der Widdersdorfer Str.
Als wichtigste industrielle Ansiedlung  im Kölner Nordwesten muß das direkt an der Eisenbahn1875 erbaute Gaswerk der Stadt Köln an der Widdersdorfer Straße verstanden werden. Gegenüber seinen drei Vorläufern in Köln und Ehrenfeld hatte die als mustergültig geltende Anlage den Vorteil eines direkten Bahnanschlusses für die aus dem Ruhrgebiet gelieferte Steinkohle. Kernstück des Gaswerks war das Ofenhaus mit langen Batterien von Retorten, in denen die Kohle seine flüchtigen Bestandteile - das Gas - im Schwelbrand abgab.

gaswerk
Gaswerk Köln an der Widdersdorfer Straße. Luftbild um 1917

Zum Gaswerk gehörte die 1902/03 erbaute Arbeitersiedlung an der Vitalisstraße. Sie entstand aus einem wirtschaftlichen Motiv heraus: man wollte eine Stammarbeiterschaft heranbilden, um dem chronischen Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken. Hier wiederholte sich ein allgemein zum Bau von Arbeitersiedlungen führendes Motiv in der Industrie des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Auch die Verwendung von Holzfachwerk war im Arbeitersiedlungsbau um 1900 weit verbreitet. Man wollte damit wegkommen vom Zweckmäßigkeitsstil vergangener Jahrzehnte und deutete zugleich ganz im Sinne romantischer Städtebauvorstellungen die Zuwendung zu dörflichen Bauformen an. Werksanlage und Siedlung standen also im Kontrast zueinander, verkörperten in ihren Formenwelten Stadt und Dorf. Ebenso wurden die sogenannten Beamtenwohnhäuser an der Widdersdorfer Straße aufgefaßt. Sie waren räumlich eng dem Werk zugeordnet, weil man vom Führungspersonal in Störungsfällen sofortige Anwesenheit erwartete. Zugleich symbolisiert man hier allerdings auch eine hierarchische Ordnung: neben dem Verwaltungsgebäude das Haus des Betriebsinspektors, gefolgt von einem Doppelhaus für den Betriebsingenieur und den ersten Chemiker, dann erneut ein Doppelhaus für die beiden Gaswerksobermeister und ein Vierfamilienhaus für die vier Meister. Im Verwaltungsgebäude mit dem schönen figürlichen Bauschmuck gab es auch eine Wohnung für den Betriebsassistenten und Obermaschinenmeister.

Erste industrielle Siedlungswelle
Das Gaswerk gehörte bis zu seiner Stillegung 1930 zu den großen Industriebetrieben im Kölner Westen. Es war zugleich aber auch eine Grundlage für die Ansiedlung weiterer Betriebe und zwar vor allem für Betriebe der chemischen Industrie. Das Hauptprodukt eines Gaswerks ist natürlich Gas, doch bevor das Gas für die Beleuchtung oder als Brennstoff und Antriebsenergie verwendbar ist muß es gereinigt werden. Die Reinigung erfolgte im wesentlichen durch Kühlung, so dass sich die Nebenbestandteile im Gas durch Kondensation niederschlugen. Die zu diesem Vorgang gehörenden technischen und baulichen Anlagen hießen passenderweise Kondensation.  Im Gaswerk fielen also sogenannte Nebenprodukte an: Teer, Ammoniak und Kohlenwasserstoffe wie Naphtalin, Phenol, Toulol und Benzol. Die chemische Industrie des 19. Jahrhunderts basierte auf diesen Produkten. Es war daher naheliegend, dass sich der Kölner Nordwesten als Standort chemischer Betriebe entwickelte.

Die Ansiedlung der Betriebe basierte auch auf dem günstig zu erwerbenden Bauland, den guten und sich noch verbessernden Verkehrsanschlüssen und den vergleichsweise geringem Widerstand von Anwohnern und Grundstücksnachbarn bei der Konzessionserteilung.

Kennzeichnend ist der zur Ansiedlung der Lackfabrik Japoniker führende Vorgang. Gustav von Rockenthin scheiterte mit dem Konzessionsgesuch zum Bau dieser Lackfabrik an der Neusser Straße in Köln-Merheim an 25 Einsprüchen. Dagegen war die Gründung an der Widdersdorfer Straße relativ problemlos. Wenn Widersprüche formuliert wurden, kamen sie   nicht von Anwohnern, sondern von anrainenden Unternehmen. Bemängelt wurde unzuträgliche Emissionen oder die Explosionsgefahr durch die Benzinfabriken. Die beiden benachbarten Benzinwerke an der Eupener Straße beispielsweise lieferten sich erbitterte Gefechte, wenn der jeweilige Konkurrent seine Anlage erweitern wollte. Die Behörden jedoch folgten den Argumenten der Widerspruchsführer selten. Das Gaswerk setzte mit seinen nach faulen Eiern riechenden Schwefelemissionen einen kaum zu übertreffenden Maßstab. So konnte es hier im Kölner Nordwesten zu dieser Ballung von Chemiebetrieben kommen unter denen das Gaswerk sicher der größte Luftverschmutzer war.

Neben den chemischen Fabriken gab es eine Reihe von Unternehmen des Maschinenbaus und der Metallverarbeitung. Ehrenfeld wurde das Zentrum dieser Branche in Köln und trug nicht zufällig in seinem Stadtwappen stolz das Zahnrad. Auch in diesem Industriesektor gab es einen Schwerpunkt am Ehrenfelder Bahnhof.

Maschinenbau und Chemie dominierten im Kölner Nordwesten. Aber es gab noch eine Vielzahl anderer Branchen. Besonders hervorgehoben sei die 1882 gegründete Helios AG mit ihren Bauten an der Venloer Straße in Ehrenfeld. Es war damals eines der großen elektrotechnischen Werke in Deutschland, gehörte neben Siemens und AEG zu den "großen Sieben" , fiel aber schon 1905 dem in dieser Branche in besonderer Schärfe ablaufenden Konzentrationsprozeß zum Opfer. Geblieben ist das mächtige Verwaltungsgebäude, die Montagehalle und der prägnante, Werbe- und Versuchszwecken dienende Leuchtturm an der Köln-Aachener Eisenbahn.

Verkehrsanlagen nach 1890
Die industrielle Entwicklung im Kölner Westen wurde wesentlich beeinflußt und vorangetrieben durch den Bau der 1893 fertiggestellten Köln-Frechener Eisenbahn. Diese Bahn endete zunächst am Bahnhof Ehrenfeld. An der Kreuzung Aachener Straße entstand ein Güterbahnhof mit zahlreichen in das Industriegebiet hineinführenden Anschlußgleisen.

Seit 1902 fuhr hervorgegangen aus der Pferdebahn über die Aachener Straße die elektrische Straßenbahn. Eine Bedeutung für die Industrie als Personentransportmittel für Arbeiter dürfte diese Bahn aber erst später erlangt haben. Industriearbeiter nahmen traditionell lange Fußmärsche für den Arbeitsweg in Kauf, um die baren Ausgaben für das Fahrgeld zu sparen.

Die städtebauliche Struktur zwischen Aachener Str. und Aachener Bahn wurde erst nach der industriellen Anfangsbesiedlung ausgebaut. Der Bauunternehmer Robert Perthel stellte 1907 in der Stadtverordnetenversammlung einen Antrag zur Aufstellung eines Bebauungsplanes für das Gebiet. 1908 wurde der Plan angefertigt und in den Jahren 1909 bis 1912 die Straßen mit dem noch heute existierenden weitmaschigen  Rasternetz ausgebaut.

Es folgte eine weitere für die industrielle Entwicklung sehr wichtige infrastrukturelle Maßnahme: die bis dahin noch durch niveaugleiche Bahnübergänge gekennzeichnete Aachener Bahn wurde 1913-23 auf einen Damm gelegt. Es entstanden nun kreuzungsfreie Übergänge an Vitalisstraße, Maarweg, Vogelsangerstraße und Ehrenfeldgürtel.

Die Hochlegung der Aachener Eisenbahn war auch die Voraussetzung zum Ausbau der Köln-Frechener Eisenbahn 1920-25. Die Linie kreuzte nun mittels Unterführung die Aachener Bahn und wurde als Gürtelbahn weitergeführt bis zum 1921 begonnenen Niehler Hafen. Knapp nördlich der Aachener Bahn entstand der große Rangier- und Verschiebebahnhof Bickendorf, von dem seither auch die Versorgung des Gaswerks mit Kohle erfolgte.

Industriebau 1920er Jahre
Die 1923/24 fertiggestellten Bahnanlagen war der Auftakt für eine bemerkenswerte Bautätigkeit in den Industrievierteln des Kölner Nordwestens.

Auf dem Gelände des Ehrenfelder Walzwerks entstand für die Thyssen'sche Handelsgesellschaft (heute Thyssen-Schulte) 1922 eine Werkstatt für Eisenhochbau mit Verwaltungsgebäude.

Die aus Elberfeld stammende und seit 1898 an der Aachener Straße ansässige Firma Heinrich Scheele errichtet 1925/26 eine neue Werksanlage am Maarweg. Die Betonbauten orientieren sich noch an historischen Bauformen mit dem markanten Treppenhausturm und den mit Fensterstöcken zu Fünfergruppen zusammengefaßten Fenstern. In der großen Werkshalle wurden Elektroautos hergestellt. Das "Cölner Elektromobilwerk Heinrich Scheele" stattete diese Personen- und Lieferwagen mit Akkumulatoren aus dem Kalker Werk von Gottfried Hagen aus. Die Produktion wurde 1930 eingestellt.

Außerordentlich ambitioniert war die 1928/29 erbaute Zentrale für die Cornelius Stüssgen AG. Stüssgen hatte ausgehend von seiner Stammfiliale an der Venloer Straße ein Netz von Einzelhandelsläden aufgebaut. Schon vor dem Ersten Weltkrieg gab es 108 Filialen und eine Zentrale an der Mainzer Straße. In den 1920er Jahren wurde eine neue Zentrale notwendig. Cornelius Stüssgen reiste mit Geschäftleuten nach Amerika und konzipierte die neue Zentrale nach eigenen Vorstellungen und amerikanischen Ideen. Der von Ferdinand Passmann entworfene Bau wurde leider kürzlich durch Aufstockungen und Fassadenverkleidungen erheblich verändert. Erhalten blieb der durch eine Erweiterung von 1937/38 entstandene Weinkeller.

In den modernen Bauhausformen gestaltete der Architekt Otto Müller-Jena 1926/27 die Neubauten für das Sidolwerk an der Eupener Straße. Es entstand eine kompromißlos kubisch-weiße Architektur mit Horizontalfenstern wie man es seit etwa 1914 von den Avantgarde-Architekten der Klassische Moderne gewohnt war. Im Zentrum stand das Produktionsgebäude mit Wasserturm und Kesselhaus für Braunkohlefeuerung und dem 42 Meter hohem Schornstein. Die Siegel-Werke hatten mit dem Metallpflegemittel Sidol großen Erfolg und produzierten zudem Bohnerwachs, Schuhpflege-, Scheuer- und andere Putzmittel.

Industrie der Nachkriegszeit
Im Zweiten Weltkrieg gingen auch in den nordwestlichen Industrievierteln von Köln viele Bauten im Bombenhagel unter.

Der Wiederaufbau erfolgte teilweise unter Wiederherstellung der alten Architektur. Die beeindruckende Chronik von Albert Schneider für die Sidol-Werke zeigt eindringlich unter welchen Bedingungen der Neuanfang erfolgte. Bis zur Wiederverwendung alter Fenster nutzte man die überlieferte Bausubstanz, so dass diese Anlage auch heute noch trotz der Kriegsschäden als Denkmal der 1920er Jahre gelten darf.

Einen anderen Weg ging man auf dem 4711-Gelände an der Venloer Straßen und entschied sich für eine anspruchsvolle 1950-58 ausgeführte Neubebauung nach Plänen der Architekten Wilhelm und Rudolf Koep. Besonders eindrucksvoll sind die Vorhangfassaden aus goldeloxierten Stahlrahmen und türkisfarbenen Glasplatten für die Brüstungen.

Kennzeichnend für die Fabrikarchitektur der 1950er Jahre waren die sogenannten Rasterfassaden. Es wurde das Jahrzehnt, in dem sich die Betonarchitektur auch als nach außen wirksame Bauform durchsetzte. Beispiele sind die 1955 entstandene, später zu Pfeiffer&Langen gehörenden Anlage der Gebr. Lück an der Stolberger Straße, die 1954 errichteten Bauten für die Firma Robert Bosch ebenfalls an der Stolberger Straße oder die 1962 entstandene Halle der Schiffsschraubenfabrik Ostermann in der Lichtstraße.

 

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