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Stadtwappen Köln

 

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Anker. Foto 2008

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Fabrikschild Fa. Sachsenberg

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Maschinentelegraph und altes Steuerrad. Foto 2008


 

 

 

 

 

Objektführer / Köln

Köln_Schaufelraddampfer Goethe
Am Molenkopf

Links
Simon Müller: Goethe hat Dampf abgelassen, in Kölner Stadt-Anzeiger 24. 4. 2009

Texte und Dokumente
Walter Buschmann: Der Schaufelraddampfer Goethe und seine Dampfmaschine

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Schaufelraddampfer Goethe am Anlaeger in Boppard. Foto 2008

Walter Buschmann
Der Schaufelraddampfer Goethe und seine Dampfmaschine

Der Schaufelraddampfer Goethe wurde 1913 auf der Werft der Firma Gebrüder Sachsenberg in Köln-Mülheim als Halbsalongüterschiff gebaut. Ein erster Umbau zum Doppeldeck-Salondampfer erfolgte 1924/24. Getarnt mit einem blaugrauen Anstrich wurde das Schiff im Zweiten Weltkrieg, für Gütertransporte, für Evakuierungsfahrten und 1944 als Wohnschiff für russische Kriegsgefangene, die in der Umgebung Schützengräben aushoben und Panzersperren anlegten verwendet. Im März 1945 wurde die Goethe durch einen Fliegerangriff in Oberwinter versenkt. Ein Bombenvolltreffer hatte das Hinterschiff zerstört und das Vorderschiff war an der Galerie abgebrochen. Das auf Grund gesunkene Schiff wurde 1949 gehoben und in der Mainzer Werft Christof Ruthof 1951/52 wiederhergestellt. Dabei wurden Hinterschiff und Bug erneuert. Der Bug wurde bekam statt der zuvor schräg nach vorn nun eine schräg nach hinten geneigte Linienführung. Mit den Veränderungen am Schiffsrumpf und Bug wuchs die Schiffslänge von ursprünglich 77,8 auf 83 Meter. Auch die Schiffsaufbauten erhielten eine andere Ausbildung. War zuvor das Oberdeck nur mit Planen gedeckt, gab es nun zwei fast vollständig geschlossene Deckebenen. Über dem Oberdeck bauten sich Steuerhaus, Kommandobrücke und ein neuer Schornstein auf. Das Schiff konnte nun auf zwei Decks 2400 Personen transportieren und wurde ab 1953 wieder im Rheintourismus eingesetzt. Als Jubiläumsschiff zum 100-jährigen Bestehen der Köln-Düsseldorfer waren Rauchsalon und Speisesaal mit Mahagoni- und Birnbaumwandvertäfelungen ausgestattet. Eine Besonderheit war der Einsatz von Aluminium für alle Decksaufbauten. Es war die bis dahin umfangreichste Verwendung von Leichtmetall auf einem deutschen Schiff mit einer Gewichtseinsparung von 30t gegenüber vergleichbaren Stahlblechaufbauten.

Nur drei Jahre nach der Wiederherstellung wurde 1956 die Feuerung der Dampfmaschine von Kohle auf Öl umgestellt worden. Zum 150jährigen Jubiläum der Köln-Düsseldorfer wurden Gesellschaftsräume und Außenanstrich 1976 in historisch anmutendem Dekor aufgefrischt. Erneut umgebaut und verändert wurde die Goethe 1995/96 auf der niederländischen Werft de Biesbosch in Dortrecht mit Erneuerung des Schiffsbodens(bis 30cm über Wasserlinie), der Ruderanlage, der Kessel, Steuerhaus, Kommandobrücke und Schornstein. Komplett erneuert wurde auch die gesamte Inneneinrichtung auf beiden Decks. Die Radkästen wurden verstärkt und als Freidecks mit Bänken und Tischen ausgestattet. Das Schiff erhielt die aktuelle, dekorativ-nostalgische Außenbemalung.

Nach den Veränderungen von 1995/96 kann die Goethe nicht mehr als Zeugnis der Entstehungszeit 1913 oder der wesentlichen Umbauphase von 1951/52 gelten. Die Gestaltung von 1951/52 ist sehr weitgehend durch die Umbauten von 1976 und 1995/95 verloren gegangen. Von der ursprünglichen Substanz des 1913 erbauten Schiffes blieben im Wesentlichen die Dampfmaschine und die Schaufelräder erhalten. Diese beiden Elemente werden als Teil des Dampfschiffes als denkmalwert eingestuft.

Die von der Fa. Gebr. Sachsenberg 1913 hergestellte Dampfmaschine ist eine 700PS starke Zwei-Zylinder-Verbund-Heißdampfmaschine mit Ventilsteuerung. Die beiden nebeneinander liegend angeordneten Zylinder, wie auch die Führung der Kolbenstangen sind schräg angeordnet. Mit dieser auf Raddampfern üblichen Schrägaufstellung konnte die auf Höhe des Hauptdecks liegende Achse der Schaufelräder mit dem auf dem Unterdeck aufgestellten Zylindern vermittelt werden. Eine horizontale Anordnung der Dampfmaschine hätte wertvollen Nutzraum auf dem Hauptdeck beansprucht und damit die Kapazität des Schiffes eingeengt. Die Kurbelwelle der Dampfmaschine zur Transformation der hin- und hergehenden Bewegung der Kolbenstangen in die rotierende Bewegung der beiden Schaufelrad-Antriebsachsen ist auf drei mächtige Auflagerblöcken gelagert. Zwei der Blöcke sind original von 1913 aus Gusseisen gefertigt. Der mittlere Block wurde aus geschweißten Stahlblechen erneuert.

Wie die Dampfmaschine sind auch die beiden Schaufelräder mit einem Durchmesser von 4,0 und einer Breite von 3,0 Metern mit den Radnarben und dem Strebenwerk in Nietkonstruktion noch weitgehend in der Substanz von 1913 überliefert. Bei den häufigen Reparatur- und Überholungsarbeiten wurde allerdings ein Großteil der Schaufeln und andere Konstruktionsteile erneuert. Jedes Schaufelrad hat 8 bewegliche Eisenschaufeln. Die Schaufeln sind beweglich ausgebildet, um nach dem Eintauchen und dem Schubvorgang in horizontale Stellung gedreht zu werden. Damit wird die Bremswirkung starrer Schaufelradschaufeln vermieden. Zur richtigen Koordination der Drehbewegung sind die Eisenschaufeln über einen Exenterbügel mit der Antriebsachse gekoppelt. Diese Exenter-Steuerung ist eine erstmals 1883 eingesetzte Erfindung der Fa. Gebr. Sachsenberg, mit der wesentlich der Erfolg des Unternehmens gesichert wurde. Die Schaufelräder werden von der Dampfmaschine mit 40 Umdrehungen pro Minute gedreht.

Der Denkmalwert der Dampfmaschine auf dem Schaufelraddampfer Goethe resultiert aus der hochrangigen Bedeutung dieser Maschinen im Prozess der Industrialisierung. Der Dampfmaschine, zumal nach den verschiedenen Erfindungen von James Watt in den Jahren um 1780 hatte eine geradezu konstitutive Bedeutung in der Ersten Industriellen Revolution. Wie viele technische Innovationen behielt die Dampfmaschine auch nach der Verfügbarkeit alternativer Antriebsformen noch lange hohes Ansehen und konnte sich auch im Zeitalter der Verbrennungsmotoren auf dem Wasser und auf der Schiene behaupten. Dampfmaschinen sind nur noch in wenigen Exemplaren erhalten. Die herausragende Bedeutung der überlieferten Dampfmaschine auf dem Raddampfer Goethe ergibt sich besonders aus dieser Seltenheit einer für die Industrialisierung und damit der Menschheitsgeschichte so wichtigen Maschinengattung.

Auch die Verwendung der Dampfmaschine für Schiffe ist ein wichtiges Datum in der industriellen, technischen und verkehrsgeschichtlichen Entwicklung. So darf die Fahrt des ersten, von James Watt gebauten Dampfschiffes auf dem Rhein im Juni 1816 („The Definance“) oder auch das erste 1830 auf der Werft von Jacobi, Haniel & Huyssens in Duisburg-Ruhrort für die Rheinschifffahrt gebaute Dampfschiff in kaum einer geschichtlichen Darstellung zum Rhein fehlen. Die Dampfmaschine des Schaufelraddampfers Goethe ist damit zugleich auch ein Dokument für die Verwendung der Dampfmaschine im Schiffsbau. Mit ihrer spezifischen Ausprägung in Schräganordnung und mit der Koppelung an die Schaufelräder des Schiffes gibt es ein deutliches Unterscheidungsmerkmal zu den im Fabrikwesen oder auch zu den etwa auf der Schiene eingesetzten Dampfmaschinen. Ihren höchsten Grad an Dokumentationskraft und Anschaulichkeit erreicht das Objekt daher am Ursprungsort der Aufstellung und am Ort ihres fast 100jährigen Gebrauchs: auf dem Maschinendeck der Goethe.  

Im Betrieb ist die Dampfmaschine mit den im Maschinenraum entwickelten hohen Temperaturen von bis zu 50-60°C ein Beleg für die Arbeitsbedingungen im Industriezeitalter. Die Frischluftzufuhr erfolgt über Luftrohre mit den charakteristischen Krümmungen am oberen Rohrende auf dem Oberdeck. Die Heißluft soll durch den direkt über der Dampfmaschine sich aufbauenden Maschinenschacht abziehen. Die Kommandos vom Steuerhaus werden durch elektrisch übermittelte Signale im Maschinenhaus auf einem Maschinentelegraf angezeigt. Bei jeder Signaländerung erfolgt ein Klingelzeichen. Die Maschine wird aus Sicherheitsgründen von drei Maschinisten geführt, gewartet und bei leichten Schäden auch repariert.

Weiterhin verweist das Dampfschiff Goethe auf die Bedeutung der Schiffsbauunternehmen am Rhein für den Bau und die Ausgestaltung der Rheinschiffe. Die aus Rosslau an der Elbe stammende Firma Gebr. Sachsenberg hatte sich 1898 im Köln-Mülheimer Hafen angesiedelt und beschäftigte 1914 400 Arbeiter in der Schiffsmontage, in Maschinenfabrik, Kesselschmiede, Gießerei und Reparaturwerkstätten. Gebaut wurden Rad- und Schraubendampfer sowie Baggerschiffe. Die Werft prägte wesentlich das östliche der beiden Bassins im Mülheimer Hafen. Dampfmaschine und Schaufelräder als Produkte dokumentieren auch dieses für die Stadt Köln und die Rheinschifffahrt so wichtige Unternehmen.

 

Literatur
Bündgen, Eduard: Die Personenschiffahrt auf dem Rhein. Vom Schaufelraddampfer zum Kabinenschiff, Freiburg 1987
Fischbach, Georg: Die Schiffe der Köln-Düsseldorfer Rheindampfschiffahrt. 1826-2004 Technische Daten, Lebensläufe, Fotos, Marienhausen 2004
Hübener, Helmut: 1853-2003 Kölnische und Düsseldorfer Rheindampfschiffahrtsgesellschaft, Emmerich 2003
Napp-Zinn, A. F.: 100 Jahre Köln-Düsseldorfer Rheindampfschiffahrts-Aktiengesellschaft, Köln 1953
Napp-Zinn, Anton Felix: Die Anfänge des deutschen Rheindampferbaus. Ein Beitrag zur Wirtschafts- und Technik-Geschichte, Düsseldorf 1939
Rindt, Hans(G. Dexheimer Hg.): Die Schiffe der Köln-Düsseldorfer einst und jetzt, Stockstadt/Rhein 1987
Weyhenmeyer, Alfred: Die Unternehmungen in der Rheinschiffahrt, Duisburg 1922
Wilden, Josef: Hundert Jahre Düsseldorfer Dampfer. Die Entwicklung der Personendampfschiffahrt auf dem Rhein, Köln/Düsseldorf 1936
Zander, Thomas: Zum Bau von Schleppdampfern für den Rhein durch die Werft Gebr. Sachsenberg, in: Mitteilungen aus dem Museum der Deutschen Binnenschiffahrt Duisburg-Ruhrort 1984, S. 21-43
  

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