kopf

 
Home
News
Warum Industriekultur?
Veranstaltungen
Vereine, Museen, Archive
Projekte und Themen
Orte und Objekte
Impressum und Kontakt
Links

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



muehle_08
Zievericher Mühle vom Mühlenkolk, 2008

freiarche
Freiarche an der Zievericher Mühle, 2008

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Objektführer/ Bergheim

Bergheim_Erft und Erftflutkanal

Texte und Dokumente
Walter Buschmann: Der Erftflutkanal

Links
Horst Komuth: Erft wird renaturiert, in: Kölner Stadt-Anzeiger, 6. 7. 2008
Das Bett der Erft wird neu gemacht, in: Kölnische Rundschau, 25. 6. 2008
Heinz Tutt: Die Erft wird wieder natürlich, in: Kölner Stadt-Anzeiger, 26. 6. 2008

lettow
Die Erft bei Bergheim mit dem geplanten Erftflutkanal. 1860

Walter Buschmann: Der Erftflutkanal

Geschichte
Die Erft entspringt oberhalb von Bad Münstereifel auf 550 Meter über Normalnull, verlässt auf ihrem Weg nach Norden nach etwa 20km das Bergland und wird bei Euskirchen zu einem trägen Niederungsfluss. Parallel zum Rhein fließend erreicht die Erft nach 103,3km die Mündung bei Neuss-Grimlinghausen in den Rhein. In einem überbreiten Tal bewegte sich der Fluss vor seiner Regulierung stark mäandrierend langsam und mit geringem Gefälle talabwärts. Zuflüsse im oberen Teil des Flusslaufs durch Eschweilerbach, Bleibach, Rothbach und Swistbach durchteilten die Erftniederung in diesem Bereich mit vielfachen Einschnitten in das Niederungstal. Nördlich von Kerpen war der Fluss wohl von Natur her in mehrere Arme aufgeteilt.

Seit dem Mittelalter gab es durch die adligen Besitzer der Wasserburgen und Müller teilweise intensive Veränderungsmaßnahmen an der Erft durch die Versorgung der Burggräben mit dem Erftwasser und durch die Anlage von Mühlen. Das Müllereiwesen spielte seit dem Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert an der Erft und seinen Nebenflüssen, besonders dem Neffel-, Finkel- und Rotbach eine bedeutende Rolle.

Abweichend vom allgemein üblichen System der Kraftversorgung von Mühlen entstanden an der Erft keine parallel zum Flusslauf angelegten Mühlengräben. Die 26 Mühlen zwischen Kerpen und der Rheinmündung waren vielmehr direkt am Fluss errichtet worden. Quer durch den Fluss reichende Wehre, die so genannten „Freiarchen“ waren mit teilweise 10 Wehrtafeln bestückt und regulierten die Wasserzufuhr auf die Wasserräder der Mühlen. Zwei dieser beeindruckenden hölzernen Wasserbauwerke an der Zievericher Mühle in Bergheim und an der Gusdorfer Mühle in Grevenbroich sind erhalten.

Zur Versorgung der Mühlen möglicherweise aber auch schon von Natur aus war der Fluss auf langer Strecke beginnend im Kerpener Bruch bis nördlich von Bergheim in zwei Arme geteilt: die Große und Kleine Erft. Beide Wasserarme, in zahlreichen und scharfen Krümmungen sich durch die Niederung ziehend lagen, die eigentliche Talmulde zwischen sich lassend auf höherliegendem Terrain. Die Wasserzufuhr zu den beiden Flussarmen wurde durch das Mödrather Wehr im Verhältnis 2:1 zugunsten der Großen Erft geteilt. 1813 baute der Mödrather Müller ein neues Wehr mit der Folge, dass sich nun die Wassermassen im umgekehrten Verhältnis überwiegend in die Kleine Erft ergossen.

Die beiden Erftarme vereinten sich erst bei der Zievericher Mühle, teilten sich knapp unterhalb der Mühle erneut, wobei der westliche Arm das Wasser auf die Wasserräder der Paffendorfer Mühle lenkte. Kurz hinter der Paffendorfer Mühle erfolgte wieder die Vereinigung der Flussläufe. Von hier aus floss die Erft in einem Bett bis zum Selikumer Wehr südlich von Neuss. Nach erneuter Teilung am Selikumer Wehr fließt der südliche Arm in der Erftniederung bis zur Mündung in den Rhein bei Grimlinghausen während der nördliche Arm über das Wehr Empellement das Wassersystem der Neusser Stadtbefestigung und des Nordkanals versorgte. Die bereits in die Denkmalliste der Stadt Neuss eingetragenen Wehre bei Selikum, Empellement und Epanchoir sind nicht Gegenstand dieses Gutachtens.

Probleme und Motive zur Erftregulierung

Schon Ende des 18. Jahrhunderts gab es bei den Behörden, den betroffenen Grundeigentümern und in der Öffentlichkeit die kritische Wahrnehmung einer zunehmenden Versumpfung der Flussniederung. Erste Pläne einer Flussregulierung gab es 1792 durch die kurpfälzische Regierung. Dieses Projekt, wie auch die folgenden Projekte unter französischer Herrschaft 1812 und in den 1830er Jahren sollten der Melioration, d. h. der Wertverbesserung von Grund und Boden durch geeignete Be- und Entwässerungsmaßnahmen dienen.

Die Probleme der Erftniederung verschärften sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmend. Es gab dafür mehrere Gründe.

Durch den zunehmenden Bleibergbau bei Kommern und Mechernich gelangten große Mengen Sand über den Blei- und Rotbach in die Erft und setzten sich dort wegen der vielen Krümmungen und der trägen Fließgeschwindigkeit ab. Statt das Flussbett zu räumen wurden an den Mühlen die Staubalken höhergelegt und die Ufer kilometerweit oberhalb der Mühlen aufgewallt. Das Wasser sickerte durch die Dämme in die Niederung und durch die viel zu engen Flussprofile kam es vermehrt zu Überschwemmungen.  Zwischen 1816 und 1855 gab es jeweils zur Erntezeit 7 große Hochwasser mit jeweils vollständiger Vernichtung der Heuernte.

Zudem war das Wasser  mit Bleilette getränkt. Am Ufer der Erft sonderte sich rötlicher Schlamm ab und durch die Überschwemmungen und das Sickerwasser gelangte das bleihaltige Wasser auf die Weiden. Das Weidevieh verendete durch die Aufnahme vergifteter Gräser und des bleihaltigen Wassers auf qualvolle Weise. Das Viehsterben nahm 1853 derart dramatische Ausmaße an, dass Landrat Raitz von Frentz den kostenlosen Viehtrieb der Bewohner auf die Erftweiden – eine Lebensgrundlage vieler Dorfbewohner – bei Androhung von Strafe verbot. Ein weiteres Problem war das im Rheinland früher durchaus verbreitete Sumpffieber, einer Malaria, dessen Ausbreitung durch die nur noch in warmen Sommern trocken werdenden Wiesen in der Erftniederung unterstützt wurde.

Die Probleme waren bekannt und die verschiedenen Lösungsansätze wurden teils heftig diskutiert. Erfolgreich war das vom Strombaumeister Nobiling vorgeschlagene Meliorationsprojekt mit einem neuen „…Flut, resp. Flussbett…“ für die Erft.

Mit der Ausarbeitung wurde Wasserbau-Inspektor Grund aus Düsseldorf und zur Bewältigung der Verfahrensfragen Regierungsrat Lettow beauftragt und die Planung 1856 ohne Abstriche in Berlin genehmigt. 1859 entstand die „Genossenschaft für die Melioration der Erftniederung“ als Zwangsvereinigung. Alle Grundbesitzer in dem von Hochwassern gefährdeten Bereich zwischen dem Rotbach bei Kerpen und der Rheinmündung mussten der Genossenschaft beitreten. 

Der Erftflutkanal 1860-66

Nach dem von Wasserbau-Inspektor Grund ausgearbeiteten Plan wurde in sechs langen Jahren unterbrochen durch Prozesse, Planänderungen, massiven tätlichen Behinderungen durch die Bevölkerung und monatelangen Baustellenstilllegungen infolge schlechten Wetters der Erftflutkanal ausgehoben. Die Erdbauarbeiten erfolgten durch Tagelöhner unter Aufsicht von Baumeistern. Aufsehen erregte der Einsatz eines Dampfbaggers mit Antrieb durch eine Lokomobile. Das Projekt verschlang die stolze Summe von 475.655 Talern und war Ende 1867 abgeschlossen.

Das aufwändigste Bauteil der Gesamtmaßnahme war der an der tiefsten Stelle der Niederung angelegte durchgehende Flutkanal zwischen Kerpen-Brüggen und Bedburg-Blerichen. Bei einer gleich bleibenden Tiefe von 1,26m hatte der überwiegend wie mit dem Lineal gezogene und nur wenig Krümmungen aufweisende Kanal unterschiedliche Breitenmaße. Um die Fließgeschwindigkeit zu reduzieren waren auf dem Kanalgrund in unregelmäßigen Abständen Grundschwellen mit einer Höhe von 0,47m montiert.

Am südlichen Anfangspunkt des Kanals hatte das Wehr I die wichtige Funktion das ankommende Wasser in die Kleine Erft und den Türnicher Mühlgraben zu verteilen. Bei Hochwasser wurden die Wehrtafeln gezogen. Der Flutkanal konnte nach Fertigstellung 24,7 cm3 Wasser pro Sekunde aufnehmen. Die Kleine Erft floss und fließt zunächst auf der linken Seite des Flutkanals vorbei an Schloß Gymnich und der Gymnicher Mühle, wechselte dann bei Mödrath durch ein Aquädukt die Kanalseite und fließt auf dem weiteren Weg vorbei an Horrem, Quadrath und Bergheim um bei Zieverich wieder in das Bett des Flutkanals zu münden. Die Große Erft wurde sehr weitgehend vom Flutkanal ersetzt. Das verbliebene Reststück beginnt bei Sindorf, trieb die Sindorfer und Escher Mühle um bei Thorr wieder in den Flutkanal einzumünden. Kleine und Große Erft hatten seit Fertigstellung des Flutkanals eine Aufgabe, die vergleichbar ist den klassischen Mühlenkanälen. Allerdings wurden über beide Flussläufe auch die Grabensystem der anliegenden Wasserburgen (Gymnich, Mödrath, Hemmersbach und Frens) gespeist sowie die Bewässerung anliegender Wiesen und Weiden bewältigt. Große und Kleine Erft wurden im Zusammenhang mit der Melioration begradigt, um die zugedachten Wassermengen im Hochwasserfall aufnehmen zu können. Unterhalb von Bergheim teilte man die Kleine Erft durch ein Wehr in zwei Arme auf. Hier ist ein Teil des ursprünglichen, im Rahmen der Melioration aber ebenfalls begradigten Erftlaufes zum Antrieb der Zievericher und Paffendorfer Mühle erhalten. Der Erftkanal als durchgehendes Bauwerk endet bei Bedburg-Blerichen.

Nördlich von Bedburg wurde der alte Erfverlauf im Wesentlichen beibehalten. Orte und Mühlen erhielten kurze Umgehungsflutgräben: Bedburg, Kaster, Harfer Mühle, Gustorfer Mühle, Grevenbroich und Elsener Mühle, Ober- und Untermühle in Wevelinghoven, Eppinghover Mühle, Erprather Mühle, Gnadenthaler Mühle. Im Bereich des Unterlaufs ab Wevelinghoven bis zur Rheinmündung wurden größere Abschnitte der Erft weitgehend neu trassiert, so dass hier von einer Kompletterneuerung des Flusslaufs gesprochen werden muss. Die verbleibenden und nun nicht mehr von Wasser durchflossenen Krümmungen der alten Erftläufe wurden verfüllt.

Insgesamt entstanden etwa 150km neue Flut-, Ent- und Bewässerungsgräben, 31km Flusslauf wurden reguliert und 50km Deich- und Staudämme errichtet. Es entstanden 286 Bauwerke, darunter 13 massiver Flutschleusen, 5 massive und 30 hölzerne Stauschleusen mit der wesentlichen Funktion die Wasserzufuhr zu den Mühlen und im Hochwasserfall zum Flutkanal zu regeln, 14 hölzerne Bewässerungsschleusen, Aquädukte und Brücken.

Weitere Phasen der Erftregulierung

Das Problem einer künstlichen Bewässerung hochliegender und gerade erst durch die regelmäßigen Hochwasser bewässerten Flächen wurde zwar mit Erstellung der Gründungsanlage bedacht aber nur unvollständig ausgeführt. Die zweite Phase der Erftmelioration begann ab etwa 1890, als durch erfolgreiche und beispielgebende Maßnahmen des grundbesitzenden Erftadels die Binnenmelioration erfolgte.

1901 bis 1910 wurde eine weitere Regulation der Erftläufe unter Beseitigung von Flusskrümmungen durchgeführt. Die wichtigsten Bauwerke, besonders die Wehre wurden umgebaut unter Ersatz aller Bauteile aus Holz durch Eisen, Beton und festem Mauerwerk.

1917 wurde die Reinhaltung der besonders von der Zülpicher Papierfabrik, den Braunkohlegruben, den Zucker- und Textilfabriken sowie von Brauereien und Molkereien verursachten Verschmutzung in die Satzung der nun unter dem Namen „Erftgenossenschaft zu Bergheim“ agierenden Vereinigung aufgenommen. 1941 erfolgte erneut eine Namensänderung in „Erftverband zu Bergheim“ und der Bau und Betrieb von Kläranlagen wurde in den Aufgabenbereich einbezogen.

Mit Beginn der großen Tieftagebaue im rheinischen Braunkohlegebiet begann ein neuer, wichtiger Entwicklungsabschnitt für die Erft. Das aus den Tagebauen und an deren Rändern an das Tageslicht gepumpte Wasser wurde über die Flüsse Erft, Inde, Rur  und Merzbach abgeleitet. Schon 1954 betrugen die Zuflüsse aus dem Wasser der Braunkohlegruben in die Erft 1 cm3/sec. Mit dem Gesetz von 1958 wurde gegen den Widerstand der Braunkohleunternehmen der Große Erftverband gegründet mit der Aufgabe, die gesamte Wasserwirtschaft im Erftgebiet zu bewältigen. Das Bett der Erft reichte für die stetig zunehmenden Sümpfungswasser aus den Braunkohletagebauen nicht aus. Die Erft musste am Unterlauf nördlich von Bedburg ab 1966 teilweise um das doppelte verbreitert werden. Die Uferböschungen wurden aufgehöht und die Wehre als leistungsstarke Betonkonstruktionen erneuert.  Da die Erft allein im östlichen Braunkohlenrevier die Sümpfungswasser nicht aufnehmen konnte, entstand der 22km lange Kölner Randkanal, dem bei Mödrath etwa 10cm3 Wasser pro Sekunde aus der Erft zugeführt wird. Trotz dieser Entlastung besteht heute noch immer der überwiegende Teil des Erftwassers aus den Zuflüssen der Braunkohletagebaue.  Nach Abschaltung dieser Zuflüsse wird die Erft am Mittel- und Unterlauf wieder den Zustand eines häufig nur mäßig gefüllten, träge dahinfließenden Niederungsflusses erhalten.

Historische Bauten des Erftflutkanals bei Bergheim

Zieverich-Paffendorfer Mühlenerft und Erftflutkanal zwischen Zieverich und Paffendorf
Mit dem Erftabschnitt zwischen Zieverich und Paffendorf ist eine Situation erhalten geblieben, die sehr weitgehend noch der zwischen 1860 und 1866 ausgeführten Erftmelioration in Planung und Realisation entspricht. Es handelt sich um den Erftflutkanal mit den Flutschleusen Paffendorf (W13) und Zieverich (W 14), der annähernd parallel dazu verlaufenden Paffendorf-Zievericher Mühlenerft mit dem an der Einmündung erbauten Wehr (W 14.1) und dem Paffendorfer Umfluter mit dem Wehr W 13.1. Dieser Abschnitt spiegelt auf verhältnismäßig kleiner Fläche das im südlichen Abschnitt zwischen Kerpen und Zieverich realisierte Verhältnis von Flutkanal und den und wie Mühlengräben wirkenden im Zuge der Melioration begradigten Flussläufe der Kleinen und Großen Erft. Auch die Paffendorf-Zievericher Mühlenerft als begradigter ehemaliger Erftlauf hat faktisch die Funktion eines Mühlengrabens. Die Gesamtsituation ist aus Sicht der historischen Überlieferung auch deswegen so hoch einzustufen, weil an dieser Mühlenerft zwei denkmalwerte und in die Denkmalliste eingetragene Mühlen (Paffendorfer und Zievericher Mühle) erhalten sind. Die Zievericher Mühle ist zudem noch mit einem jener als „Freiarche“ bezeichneten Wehre ausgestattet, die für die Zeit vor der Melioration typisch waren für die Wasser- und Mühlentechnik an der Erft. Dieses hölzerne Ständerwehr ist ebenfalls bereits in die Denkmalliste eingetragen und nicht Gegenstand dieses Gutachtens. Der Mühlenkolk hinter dem Wehr und die Umflut um die Paffendorfer Mühle sind Teil des Denkmals.

zieverich
Zievericher Mühle mit Freiarche und Mühlenkolk. Um 1855

Im Einzelnen gehören zur Paffendorf-Zievericher Mühlenerft und Flutkanal neben dem Erftflutkanal selbst und der Mühlenerft in diesem Bereich folgende Bauten:

Flutschleuse Zieverich, W 14, 1862/63 - 1900
Es handelt sich um ein zweifeldriges Wehr mit einer Gesamtweite zwischen den Kammerwänden von 9,52m. Die Kammerwände und Widerlagerflügel sind in Ziegelmauerwerk und die leicht gerundeten Ecken der Kammerwände in Naturstein (Basaltlava) ausgeführt. Der den Flutkanal überbrückende Bediensteg mit Holmgeländer ist in Beton zwischen Stahlprofilen mit Zementestrichauflage erbaut. In eine Stahlkonstruktion aus geschraubten U- und Doppel-T-Profilen sind zwei hölzerne Schütztafeln mit einem Antrieb durch Zahnstangen und Elektomotoren eingelassen. Die Schütztore mit zugehöriger Stahlkonstruktion wurden 1900 als Ersatz von sechs hölzernen Fluttafeln erbaut und als typische Verschleißteile der Wassertechnik mehrfach überarbeitet und teilerneuert. Die Antriebsmotoren sind aus jüngerer Zeit. Flussabwärts ist der Flutschleuse ein bereits in einem Plan von 1865 eingezeichneter Kolk zugeordnet.

erftwehr
Flutschleuse Zieverich, 2008

Flutschleuse Paffendorf, W 13, 1862/63
Von dem ehemals zweifeldrigen Wehr sind noch die Kammerwände, Widerlagerflügel und Bediensteg erhalten. Die lichte Öffnungsweite zwischen den Kammerwänden beträgt 9,11m. Kammerwände und Widerlagerflügel sind in Ziegelmauerwerk erstellt mit an den Kanten leicht gerundeten Basaltlavaecksteine. Nach dem Ausbau der Schütztafeln ist noch der Bediensteg mit Betonkappen zwischen Stahlträgern und Zementestrichauflage erhalten. Auch die Paffendorfer Flutschleuse hatte ursprünglich sechs hölzerne Wehrtore zwischen verstrebten Holzpfosten. Das Wehr wurde 1901 in Stahlbauweise erneuert.

Wehr im Paffendorfer Hochwasserentlaster, W. 13.1, nach 1950
Das schon in einem Plan von 1865 eingetragene Wehr steuert die Wasserzufuhr zu dem als Hochwasserentlaster erbauten Graben zwischen Zieverich-Paffendorfer Mühlenerft und Erftflutkanal. Das zweifeldrige Wehr hat zwischen den Kammerwänden eine lichte Weite von 6,13m. Kammerwände und Widerlagerflügel sind in Beton erstellt. Schütztafeln mit zugehöriger Bedientechnik (kurbelbediente Zahnstangen) sind in Stahl bzw. Stahlblech ausgeführt. Der Bediensteg ist mit Betonkappen zwischen Stahlträgern und Estrichauflage konstruiert.

Wehr am Beginn der Zieverich-Paffendorfer Mühlenerft, W 14.1, nach 1950
Das zweifeldrige Wehr mit einer lichten Weite von 11,59m steuert den Zufluss zur Zieverich-Paffendorfer Mühlenerft. Kammerwände, Widerlagerflügel und Mittelpfosten sind in Beton erstellt. Die Wehrtafeln und die Wehrtafelaufhängung bestehen aus Stahlprofilen und Stahlblech. Der Bediensteg ist in Stahlbeton ausgeführt und wird mit einem Holmgeländer gesichert.

Zusätzlich zu diesem insgesamt als ein Baudenkmal erhaltenswerten Anlagen zwischen Zieverich und Paffendorf sind folgende Wehre am Erftflutkanal denkmalwert.

Flutschleuse W I bei Brüggen/Gymnich, 1882
Das Wehr entstand als Ersatzbauwerk für das im Zuge der Entstehung des Erftflutkanals 1862/63 errichtete erste Wehr an dieser Stelle. Es ist darüber hinaus als Folgebauwerk für das zur Wasseraufteilung in Große und Kleine Erft in Dokumenten überlieferte Wehr im Kerpener Bruch aus vorindustrieller Zeit erhaltenswert.

Das dreifeldrige Wehr hat eine lichte Weite zwischen den Kammerwänden von 14,78m. Kammerwände, Widerlagerflügel und die beiden im Flutkanal errichteten Mittelpfeiler sind in Ziegelstein gemauert. Ecksteine an den leicht gerundeten Kammerwänden, die Frontsteine an den stromaufwärts schiffsbugförmig geformten Mittelpfeilern und Abdecksteine der Kammerwände sind aus werkgerecht gearbeitetem Basaltlava. Stromabwärts sind die Mittelpfeiler gerundet. Der Bereich zwischen den Mittelpfeilern ist im Flutkanal mit Natursteinquadern befestigt. Der über die Mittelpfeiler hinwegführende Bediensteg ist aus Beton zwischen Stahlträgern mit Zementestrichauflage konstruiert. Die drei Schütztafeln aus Stahlblech sind aufgehängt an einer geschraubten Stahlkonstruktion aus Doppel-T- und U-Profilen und werden über jeweils zwei Zahnstangen betätigt. Im Bereich der Zahnstangen sind die U-Profile durch aufgenietete Flacheisen verstärkt. Bediensteg und Kammerwände sind mit einem Holmgeländer eingefasst.

Wehr im Abschlag zwischen Kleiner Erft und Erftflutkanal bei Mödrath, W 1.1.2, 1862/62
Einfeldriges Wehr mit einer lichten Weite zwischen den Kammerwänden von 4,6m. Die Kleine Erft verengt sich vor dem Wehr trichterförmig. Das Wehr ist eingelassen in ein langgestrecktes Kammerbauwerk mit Rechteckquerschnitt (4,28mx1,8m). Kammerwände und die trichterförmig auf das Wehr zulaufenden Flügelwände sind in Werkstein aus Basaltlava gemauert. Die Abdeckung wurde aus Werksteinplatten und Ortbeton erstellt. Das Wehr besteht aus Schütztafeln in Stahlblech mit aufgenieteten Winkelprofilen. Die Schütztafel wird über Zahnstangen im Handkurbelbetrieb betätigt. Schütztafeln und Betätigungselemente sind eingefügt in eine geschraubte Konstruktion aus U-Profilen. Im Bereich der Zahnstangen ist das horizontale U-Profil oben und unten durch aufgenietete Flacheisen verstärkt. Die Kammerwände werden durch einen Bediensteg in Beton mit Stahlträgern und Zementestrichauflage verbunden. Bediensteg und Kammerwände sind durch Holmgeländer gesichert. 

Bedeutung
In der Geschichte der Erftregulierung lassen sich mehrere Bau- und Ausbauphasen feststellen. Konstitutiv für das ganze System war die Entstehungsphase 1860 bis 1866. Wichtig waren auch die Phase der Binnenmelioration und die bauliche Erneuerung der Wehre in den Jahrzehnten 1890 bis etwa 1910. Einen zusätzlichen Funktionszweck für das Gesamtsystem brachte die Einbeziehung in das Entwässerungskonzept für die großen Tieftagebaue des Braunkohlenbergbaus nach dem Zweiten Weltkrieg besonders mit dem separaten Bauwerk des Kölner Randkanals und dem Ausbau der Unteren Erft nördlich von Bedburg mit einer Verbreiterung des Erftbetts und der Erneuerung der Wehre ab 1966.

Aus der Ursprungszeit sind mit nennenswerter baulicher Substanz nur die drei Wehre Zieverich, Paffendorf und Mödrath erhalten. Zieverich und Paffendorf sind von besonderem Wert, weil sie direkt in den Flutkanal eingebaut wurden und damit einen hohen Dokumentationswert für die Ausbildung der Ursprungsanlage haben. Das Wehr Mödrath (W 1.1.2) ist darüber hinaus durch die sorgfältige und aufwändige Bauwerksausführung in Werkstein bemerkenswert. Das Wehr I wurde zwar erst zwanzig Jahre später errichtet, gleicht aber in der Ausführung der Mauerwerksteile den älteren Anlagen der 1860er Jahre und ist darüber hinaus durch seinen Standort am Beginn des Erftflutkanals von besonderem Stellenwerk. Es ist wegen seiner Lage, als eine Art Bollwerk gegen die aus der Eifel anströmenden Wassermassen im Vergleich mit den anderen Wehren besonders kräftig durch die im Kanalbett errichteten massiven Mittelpfeiler ausgebildet. Die spätere Erneuerung der Schütztore und der zugehörigen Tragkonstruktion und Bedienelemente folgte in der Machart dem Muster der Baumaßnahmen um 1900. Die Wehre sind daher bedeutend für die technikgeschichtliche Entwicklung der Fluss- und Kanalwehre.

Die Erftmelioration hatte im 19. Jahrhundert einen herausragenden Einfluss auf Entwicklung und Gestalt der Erftniederung. Die Beseitigung der Versumpfungsflächen und die deutliche Verringerung der Hochwassergefahr machten erst eine weitergehende bauliche Entwicklung und industrielle Ansiedlungen möglich. Die landwirtschaftlichen Flächen wurden nutzbar und das Sumpffieber erfolgreich bekämpft. Die Landschaft wurde geformt durch das Nebeneinander von teilweise drei parallel verlaufenden Wasserläufen: Kleine und Große Erft sowie Erftflutkanal. Dieses System der Landschaftsformung in Verbindung mit einer Verdeutlichung der Erftnutzung als Antriebssystem für die zahlreichen Mühlen ist hervorragend im Bereich der Zieverich-Paffendorfer Mühlenerft nachvollziehbar. Dieser Bereich ist daher insgesamt mit den genannten Bauteilen als ein Denkmal bedeutend für die Regional- und Ortsgeschichte.

In vielen Regionen hat die Auseinandersetzung des Menschen mit dem Wasser als Antriebskraft, Transportweg, existenziellem Lebensmittel und lebensgefährdender Naturgewalt zu beeindruckenden Zeugnissen der Baukultur geführt. Auch die Trockenlegung von Sümpfen oder von versumpften Landschaften führte zu solchen Bauleistungen. Der Erftflutkanal darf zu den „…großartigen Leistungen…“ dieses Teils der Menschheitsgeschichte gerechnet werden.

Literatur
Krings, Josef/ Harke-Schmidt, Susanne: Mühlen an Neffel und Erft. Katalog zur Ausstellung im Kerpener Rathaus von 18.4.97 bis 16.5.97, Kerpen 1997 (Selbstverlag)

Köhler, Hans: Der Landkreis Bergheim, Ratingen 1954

Lettow, Die Melioration der Erftniederung in der Rheinprovinz, o.J., o.O. (um 1871

Möltgen, Manfred: Die Melioration der Erftniederung unter besonderer Berücksichtigung des Bergheimer Raumes und der Enteignung der Bergheimer Mühle, in: Jahrbuch des Bergheimer Geschichtsvereins e.V., Bergheim 1998

Beissel von Gymnich, Otto Graf: Festschrift aus Anlaß des 50jährigen Bestehens der Genossenschaft für die Melioration der Erft-Niederung zu Bergheim a.E., Brauweiler 1910 (Archiv Erftverband),  S. 3. -  Köhler, wie Anm. 1, S. 255

Hermann, Erich: Bauern . Bagger – Braune Kohle, Gubberath 1966

Kleinebeckel, Arno: Unternehmen Braunkohle, Köln 1986

Utermark, Walter: Die Erftmelioration in den Kreisen Euskirchen, Bergheim und Grevenbroich-Neuss und ihre Erfolge, Diss. Berlin 1932

all Copyrights reserved / Alle Rechte der Texte und Bilder dieser Homepage
verbleiben beim Verfasser bzw. Hersteller:
©Rheinische Industriekultur e.V. 2004-2006