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Objektführer / Herzogenrath / Karbonroute

Herzogenrath_Eschweiler Bergwerks-Verein Hauptverwaltung
Roermonder Str. 63

Texte und Dokumente
Walter Buschmann: Die EBV-Hauptverwaltung in Herzogenrath

 

strassenansicht96
EBV-Hauptverwaltung von der Roermonder Str. Foto 1996

Walter Buschmann
Die EBV-Hauptverwaltung in Herzogenrath

Geschichte
In dem Verwaltungsgebäude an der Roermonder Straße spiegelt sich die Geschichte der beiden größten Bergwerksunternehmen im Aachener Revier. Die Ursprünge des Gebäudes gehen auf die 1836 als Aktiengesellschaft gegründete „Vereinigungs-Gesellschaft. Anomyme Gesellschaft für Steinkohlenbergbau im Wurmrevier“ zurück. Zusammengefunden hatten sich hier Persönlichkeiten aus dem wirtschaftlichen und kommunalpolitischen Leben Aachens, mit dem Ziel einer Vereinigung sämtlicher Zechen im Wurmrevier. Es war eine Konkurrenzgründung zu dem ein Jahr zuvor von Christine Englerth als Familienaktiengesellschaft gegründeten Eschweiler Bergwerks-Verein. Die Schwerpunkte des EBV lagen jahrzehntelang an der Inde mit der Grube Centum als wichtigster Grube. Im nördlichen Revierteil hatte der EBV Anteile an den Gruben Ath, Furth, Neu-Voccart.

Im Nordrevier war die Vereinigungs-Gesellschaft die erfolgreichre der beiden großen Zechenunternehmen im Aachener Revier. Innerhalb von 25 Jahren war 1861 das Ziel einer Vereinigung der Zechen an der Wurm erreicht. Die Vereinigungs-Gesellschaft hatte damit den Wettlauf mit dem EBV in diesem Revierteil gewonnen, konnte sich allerdings im Kampf um die seit 1863 zum EBV gehörenden Grube Anna nicht durchsetzten. Der Einflussbereich der Vereinigungs-Gesellschaft konzentrierte sich hier allerdings nahezu umfassend auf den engeren Bereich rund um die Wurm.

Besonders zwei Maßnahmen waren es, die bergbaulich und architektonisch den Konzentrationsprozess der Wurmzechen verdeutlichte. Die Zechen an der Wurm wurden 1868 untertägig auf der 200 und 270m-Sohle durch ein Stollennetz verbunden mit Gleisanlagen für eine Pferdebahn von 17km Länge. Über Tage zeugte ein 1870 errichtetes „Centralbureau“ an der Straßenecke Roermonder Straße(damals: Provinzial-Landstraße Aachen-Herzogenrath) und Bahnstraße von der erreichten Position des Unternehmens. Mit diesem Standort hatte man sich gegen eine innerörtliche Lage oder eine direkte Anbindung an einen Grubenstandort entschieden, sondern vielmehr eine Situation von hoher Verkehrsgunst gewählt. Die 1850 bis 1853 entstandene Eisenbahnlinie von Aachen nach Düsseldorf(über Herzogenrath) mit dem Bahnhof in Kohlscheid am Endpunkt der Bahnstraße sowie die Landstraße nach Aachen versprachen optimale Erreichbarkeit der neuen Hauptverwaltung für auswärtige Geschäftspartner und Mitglieder von Unternehmensgremien. Das lang gestreckt an der Bahnstraße errichtete Verwaltungsgebäude ist im Kern des überlieferten Baus erhalten.

Vereinigungs-Gesellschaft und EBV beendeten durch Zusammenschluss 1906 die Konkurrenz zwischen den Zechen an der Inde und an der Wurm. Das neu entstandene und unter dem Namen Eschweiler Bergwerks-Verein firmierende Unternehmen war mit 13 fördernden Schächten eine der größten Zechengesellschaften Europas. Die EBV-Zechen förderten 1907 ca. 2,0 Mio t Kohle, in den Kokereien wurde 500.000t Koks erzeugt und die Belegschaft war auf über 10.000 Mann gestiegen. Bis zum ersten Weltkrieg konnte die Förderung noch einmal erheblich auf knapp 3,0 Mio t Kohle und 950.000t Koks gesteigert werden. Ähnliche Dimensionen erreichten im Ruhrgebiet nur die großen Bergwerke wie Rheinpreußen(Duisburg/Moers), Deutscher Kaiser(später Friedrich Thyssen in Duisburg), Zollverein(Essen) und die GHH-Zechen(Oberhausen). Der Sitz des EBVs war gemäß den Statuten Eschweiler-Pumpe. Nach der Verschmelzung wurde der Hauptsitz des Unternehmens nach Herzogenrath-Kohlscheid verlagert, unter Um- und Ausbau des dortigen „Centralbureaus“ von 1870. Bauantrag und Rohbauabnahme in Kohlscheid waren schon 1910/11. Der Umzug von Eschweiler-Pumpe erfolgte wohl erst 1913.

Schon kurz nach der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert hatte der EBV durch Lieferverträge 1901, 1904, 1906 und 1911 enge Kontakte mit der Luxemburgisch-Lothringischen Eisen- und Stahlindustrie geknüpft. Aus dem dortigen Konzentrationsprozess entstand mit der ARBED (Acièries Réunies de Burbach-Eich-Düdelingen) eines der großen europäischen Montanunternehmen mit drei Eisenhütten(20 Hochöfen) und Eisenerzgruben im Minette-Gebiet. Sitz der Gesellschaft war die Stadt Luxemburg. Zur Sicherung einer Kohlebasis wurde nach einem in Deutschland üblichen Modell zur Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Unternehmen zwischen EBV und ARBED 1913 eine Interessengemeinschaft auf 30 Jahre vereinbart. Nach dem Ersten Weltkrieg erwies sich die ARBED als der stärkere Partner in diesem Verbund. Bis 1926 hatte der luxemburgische Konzern 91% der Aktien des EBV übernommen.

Auch wenn sich das Zentrum des Unternehmens also nach Westen in das montanindustriell so bedeutende Minette-Gebiet verlagerte, wurde die Verwaltung der Gruben im Aachener Revier weiterhin in Herzogenrath-Kohlscheid bewältigt. Die Hauptverwaltung an der Roermonder Straße war über Jahrzehnte hinweg seit 1913 bis zur Schließung der letzten Grube des Aachener Reviers 1992(Grube Anna in Alsdorf) und bis zur Eingliederung des EBV in die Ruhrkohle AG 1989 das administrative Zentrum des Steinkohlenbergbaus im Aachener Revier. Daraus ergibt sich die historische Bedeutung der rezenten Gebäude die zudem als räumliche Einheit von Direktorenwohnsitz und Verwaltungsstandort eine hohe Aussagekraft zur Industriegeschichte der Zeit um 1900 besitzen. 

Hauptverwaltung und Direktorenvilla an der Roermonder Straße in Kohlscheid

Hauptverwaltung, 1870/1911/1938
Die Hauptverwaltung des Eschweiler Bergwerks-Vereins in Kohlscheid ist im historisch wichtigen Kernbestand ein Gebäude auf winkelförmigen Grundriss mit dem älteren Flügel im Westen von 1870 entlang der Bahnstraße und dem jüngeren Flügelbau im Süden von 1910/11 an der Roermonder Straße.

Nach den nur spärlich überlieferten Unterlagen zum Haupt- oder Centralbureau der Vereinigungsgesellschaft war dies ein vergleichsweise schlichtes, zweigeschossiges Backsteingebäude mit flachem Satteldach. Die Traufseite zur Bahnstraße zählte 11 Fensterachsen, zur Roermonder Straße zeigte der Giebel eine 5-achsig konzipiert Fassade mit Mitteleingang. Die rechte Achse war allerdings durch einen 2-geschossigen Anbau(vermutlich für den Portier) verdeckt. Nach Süden gehörte schon 1870 ein knapp 17m langer Flügel mit 8 Achsen dazu. Westlich erstreckt sich zwischen dem Verwaltungsgebäude und dem Bahnhof der Eisenbahn Aachen-Herzogenrath ein großer Park. Der durch die Vereinigungs-Gesellschaft entstandene Ursprungsbau der Hauptverwaltung ist im überlieferten Erscheinungsbild der Gesamtanlage noch durch die vergleichsweise schmalen, segmentbogigen Fensterformen des Flügels entlang der Bahnstraße sichtbar. Der vorgelagerte Anbau rechts vom Giebel an der Roermonder Straße wurde vermutlich beim Umbau von 1938 reduziert, während der 8-achsige Südflügel an der anderen Seite in die Ereiterung von 1910/11 einbezogen wurde. Aus dem Umbau von 1938 stammt auch die jetzige Fassadenfassung zur Roermonder Straße und die vertikalen Treppenhausfenster an der Bahnstraße.

Die ersten Pläne für die Erweiterung des Haupt- oder Centralbureaus zur Hauptverwaltung des EBV stammten Mitte 1910 aus dem Baubüro der Zechengesellschaft von dem auch sonst mehrfach beim Bau von Zechengebäuden des EBV in Erscheinung tretenden R. Wichmann. Wichmann konzipierte eine wenig inspirierte Verlängerung des Südflügels um gut 36m als Kombination aus 2-geschossigen Flachbauten mit einem pavillonartigen Baukörper, der in etwa die Maße des vorhandenen Südflügels von 1870 aufnahm und einem dazwischen gelagerten Mittelrisalit. Im August 1910 lieferte der etwa zeitgleich mit dem Bau der Villa beauftragte Aachener Architekt Walter Eversheim die dann ausgeführte Planung.

Der bis 1911(Rohbauabnahme) fertig gestellte Erweiterungsflügel ist ein zweigeschossiger Putzbau mit zwei gleich großen, 3-achsigen, übergiebelten Risaliten. Der nördliche Risalit, als optischer Mittelpunkt in Gesamtabwicklung des Westflügels konzipiert, wird flankiert von zwei Turmbauten mit geschweiften, schiefergedeckten Turmhelmen(Glockendächer) und im ersten Obergeschoß durch zwei den Risalit flankierende, massive Balkone über profilierten Konsolsteinen. Unterhalb der Turmhelme sind zwei vertikale, Ovalfenster(Ochsenaugen) angeordnet. Unter dem Giebeldreieck des Mittelrisalits befindet sich in erhabenen Buchstaben die Inschrift „Eschweiler Bergwerks-Verein“ und im Giebeldreieck ist eine Uhr eingelassen. Der Putzbau mit breiten Segmentbogenfenstern und knapp vorspringenden Sohlbänken in den Hauptgeschossen ist sonst ruhig gegliedert mit einem abgesetzten Sockelbereich, der bis zur Unterkante der Erdgeschoßfenster reicht und hier durch ein Sohlbankgesims abschließt. In den Giebeldreiecken der Risalite befinden sich einfache Rechteckfenster. Der nördliche Teil des von 1870 stammenden Flügels wurde in die Neugestaltung einbezogen, macht aber durch die schlankeren Fensterformate(Segment- und Rundbogen)noch seine ältere Herkunft deutlich.

Nach den in den Bauakten überlieferten Unterlagen(Stadtarchiv Herzogenrath 6330/63 Akten I bis III) blieb die grundlegende Nutzungsbelegung der Flügel über die Jahrzehnte hinweg gleich. Im Obergeschoß des älteren Westflügels lagen die Direktorenzimmer, wobei dem Generaldirektor das größere, zum Park hin orientierte Westzimmer vorbehalten war. Im Erweiterungsbau von 1910/11 waren untergebracht: die bau- und maschinentechnischen Büros, die Markscheiderei mit Bibliothek und Lesezimmer und das Büro des Oberingenieurs, später auch die Registratur, Einkaufs-/Versandabteilung und Rechnungsführung.

Nachdem es schon 1926 Pläne für einen großzügigen Umbau besonders des westlichen „Direktoren“-flügels gab, erfolgte eine Änderung hier erst 1938 nach Plänen des Kölner Architekten Otto Scheib. Die wichtigste Maßnahme war die Herausnahme der alten Holztreppen aus dem Westflügel und der Bau einer neuen massiven Treppe zur Erschließung der Obergeschosse. Obwohl in den Plänen von Scheib nicht enthalten dürften in diesem Zusammenhang auch die vertikal in der Nordfassade durchlaufenden Treppenhausfenster, der Giebel des Westflügels zur Roermonder Straße seine heutige Fassung erhalten haben und die dahinter liegende Treppenhaushalle entstanden sein. Halle mit Treppe sowie die von 1911 stammende Treppe im Südflügel gehören im Inneren des Gebäudes zur denkmalwerten Substanz.

Villa für Bergwerksdirektor Vogel, 1910/11
Zeigleich mit dem Erweiterungsflügel für die Hauptverwaltung entstand im rückwärtigen Grundstücksbereich ebenfalls nach Plänen des Aachener Architekten Walter Eversheim die Villa des Bergwerksdirektors Vogel. Hauptverwaltung und die etwa 50m entfernte Villa stehen in einer räumlichen Beziehung zueinander, indem die Eingangsfassade der Villa annähernd in gleicher Flucht mit dem Südgiebel des Erweiterungsbaus der Hauptverwaltung angeordnet wurde.

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Villa Berwerksdirektor Vogel. Foto von der Parkseite 2008

Die Villa ist ein 2-geschossiger Putzbau mit winkelförmigem Baukörper und lebhaft-asymmetrischer Baumassengliederung. Hohe Walmdächer überdecken die beiden Flügel. Sie werden unterbrochen durch übergiebelte Zwerchhäuser. Das hohe Dachgeschoß wurde ursprünglich neben den Fenstern in den Zwerchhäusern durch Einzelgauben belichtet. Das hohe Walmdach wurde in Teilbereichen später durch eine Vollaufstockung mit Satteldach ersetzt.   

Zur Parkseite ist einem der übergiebelten Zwerchhäuser ein über die beiden Hauptgeschosse reichender Erker auf polygonalem Grundriss(halbes Achteck) zugeordnet. Der Erker unterstreicht die Bedeutung von Esszimmer(Erdgeschoß) und Elternschlafzimmer(Obergeschoß). Das Erkermotiv wiederholt sich am Südende dieses Flügels, hier aber nur im Erdgeschoßbereich vor der ehemaligen Küche. Nach Nordosten und nach Westen waren dem Herren- und Damenzimmer von Säulen getragene Veranden vorgelagert(heute zugebaut). Im Innenwinkel der beiden rechtwinklig zusammengesetzten Flügel befindet sich in der hier zweifach zurückspringenden Fassade der Haupteingang hinter einer schmalen Eingangsloggia(heute zugesetzt).

Im Inneren des Gebäudes ist noch annähernd die Grundrissdisposition der Villa abzulesen. Zentral angeordnet, liegt hinter dem heute zugesetzten Haupteingang eine Vorhalle auf ovalem Grundriss. Diese Vorhalle öffnet sich mit zwei Säulen und den damit verbundenen breiten Durchlässen zu einer Wohnhalle mit der zweiläufigen Haupttreppe ins Obergeschoß. In der heute unterteilten Wohnhalle gab es einen großen Kamin. Die Wohnhalle mit Treppenanlage gliederte die Villa im Erdgeschoß in einen Bereich mit Herrenzimmer auf der Ost- und einen Bereich mit Damenzimmer auf der Westseite. Dem Herrenzimmer zugeordnet war ein Empfangsraum. Dem Damenzimmer war das Esszimmer angegliedert mit daran anschließender Anrichte und Küche. Das Esszimmer, neben der Wohnhalle der größte Raum im Erdgeschoß ist in der Parkansicht durch den Erker betont.

Im Obergeschoß lagen Schlaf- und Kinderzimmer, im Dachgeschoß waren Mädchen- und Fremdenzimmer mit Nebenräumen untergebracht. Das Haus ist vollständig unterkellert mit großen Vorratsräumen für Kohle und Koks und einer zentralen Heizungsanlage.   

Bedeutung
Geschichte und Bedeutung des Eschweiler Bergwerks-Vereins ist vielfach in der Literatur dargestellt worden. Als Parallelgründung war die Vereinigungs-Gesellschaft ebenfalls von hoher Bedeutung für das Aachener Revier und für die Entwicklung des Bergbaus an der Wurm. Verwaltungsbauten sind in der Regel die zentralen Orte in der Geschichte jedes Unternehmens. Die Hauptverwaltung in Herzogenrath-Kohlscheid dokumentiert beide Bergbauunternehmen und steht zugleich für den Zeitpunkt ihrer Vereinigung. Das Gebäude ist also bedeutend für die Bergbaugeschichte des Aachener Reviers und daher für die Geschichte des Menschen.

Orte und Landschaften nördlich von Aachen wurden seit Jahrhunderten durch den Bergbau geprägt. Dominant waren besonders die hoch aufragenden Fördereinrichtungen, Halden aber auch große Hallenbauwerke und Siedlungen. Das Verwaltungsgebäude des EBV trägt an prägnanter Stelle zu diesem noch immer bergbaulich geprägten Gesicht der Region bei und ist bedeutend für die Geschichte der Region und besonders für die Geschichte von Kohlscheid.    

Die besonders im Erweiterungsbau realisierten Architekturformen verweisen mit ihren schlichten Neobarockformen auf den Umbruch in der Architektur nach 1900. Sie entsprechen der von Paul Mebes und Paul Schultze-Naumburg propagierten Abkehr vom Formenreichtum des Historismus und den Bestrebungen durch eine geschickte und wohlproportionierte Baumassengliederung eine anspruchsvolle Gestaltung nach dem Vorbild schlichter Barockbauten zu erreichen. Die Hauptverwaltung des EBV ist ein Beispiel für die Reformbestrebungen in Kunst und Gesellschaft nach 1900 und ist insofern bedeutend für die Architekturgeschichte.

Die gleiche architekturhistorische Bedeutung hat auch die Villa des Bergwerksdirektors Vogel. Trotz der baulichen Veränderungen ist die Formensprache des schlichten Neobarocks nach den Vorstellungen von Mebes und Schultze-Naumburg noch gut ablesbar. Zugleich werden in der winkelförmigen Gliederung des Gebäudekörpers, aber auch in der Grundrissdisposition Merkmale deutlich, die den besonders von Hermann Muthesius mit seinen Publikationen zum englischen Wohnhaus vertretenen Vorstellungen zuzuordnen sind. Nicht selten wird der von Muthesius angestoßenen Diskussion zur Erneuerung der Wohnvorstellungen Signalwirkung auf dem Weg zur Moderne zugeordnet. Die Villa unterstreicht also noch einmal den anspruchsvollen Beitrag des Unternehmens aber vermutlich auch des auftraggebenden Bergwerksdirektors Vogel für ein damals zeitgemäßes Orts- und Landschaftsbild.

In der Gesamtanlage tritt zudem ein kennzeichnender Aspekt der Industriegeschichte im 19. und frühen 20. Jahrhundert zu Tage: die Verwaltung des Unternehmens wird verbunden mit dem Direktorenwohnsitz. Hier spielt auch der praktische Gesichtspunkt eine Rolle, das leitende Persönlichkeiten in Notfällen schnell am Ort der Entscheidungen anwesend sein sollten. Wichtig waren aber auch repräsentative Gesichtspunkte und das Lebensgefühl einer paternalistischen Gesellschaftsordnung. Gerade im Rheinland lassen sich für diese Kombination, zuweilen auch mit zusätzlicher Einbeziehung des Produktionsortes sehr eindringliche Beispiele nennen, von der 1783-87 in Cromford bei Ratingen verwirklichten Anlage mit dem schlossähnliche Wohnhaus des Tuchfabrikanten Johann Gottfried Brügelmann bis zu der außerordentlich dominanten Beziehung zwischen Verwaltungsbau und Wohnsitz für das Bayerwerk Leverkusen mit der axial auf die Verwaltung bezogenen Villa von Carl Duisberg(1911-13, nicht erhalten). In Kohlscheid ist diese Beziehung distanzierter, aber immer noch gut nachvollziehbar. Die Hauptverwaltung des EBV mit Direktorenvilla ist daher auch industriegeschichtlich von Bedeutung.

Literatur
Aretz, Josef: Kohlscheider Bergwerke, Herzogenrath 1987

Buschmann, Walter: Zechen und Kokereien im rheinischen Steinkohlenbergbau. Aachener Revier und westliches Ruhrgebiet, Berlin 1998

Mebes, Paul: Um 1800. Architektur und Handwerk im letzten Jahrhundert ihrer traditionellen Entwicklung, München 1908

Muthesium, Hermann: Das englische Haus, 3. Bde., Berlin 1908-11
 
Salber, Daniel: Das Aachener Revier, Aa­chen 1987

Schaetzke, Hans Jakob: Vor Ort, Herzogen­rath 1992

Schultze-Naumburg, Paul: Kulturarbeiten, Bd. 1-9, Müchen 1906-17

Schunder, Friedrich: Geschichte des Aa­chener Steinkohlebergbaus, Essen 1968

Stegemann, Oskar:  Der Eschweiler Berg­werks-Verein und seine Vorgeschichte, Kohlscheid 1938

Stegemann, Oskar: Der Eschweiler Berg­werksverein in seiner neuesten Entwick­lung, Aachen 1927

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