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pforte
Pförtner. Foto 2010

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

kesselhaus
Kesselhaus. Foto 2010

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Objektführer / Krefeld / Wollroute

Krefeld_VerSeidAG
Girmesgath

Texte und Dokumente
Denise Hesselmann/Henning Bleul: Die VerSeidAG in Krefeld, Seminararbeit RWTH Aachen. Lehrgebiet Denkmalpflege. SS 2009(gekürzte und für das Internet bearbeitete Fassung)

Links
http://www.kunstmuseenkrefeld.de/d/kunstmuseen/miesvanderrohe/index.html
http://www.girmesgath.de/14.html
Flickr: [Online] http://www.flickr.com/photos/99452024@N00/1875332934/
Wikipedia: [Online] http://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Mies_van_der_Rohe

he_aussenVerSeidAG. HE-Gebäude und Uhrenturm . Foto 1996

Denise Hesselmann/Henning Bleul
Die VerSeidAG in Krefeld

Die VerSeidAG, ein Paradebeispiel der Transformation der Seiden- und Weberstadt Krefeld
ins 20. Jahrhundert, identifiziert sich bis heute mit ihrem seit 1931 bestehenden Firmensitz
an der Girmesgath 5-7. Das Gebäudeensemble wurde zum großen Teil von oder in letzter
Instanz durch Ludwig Mies van der Rohe geplant. Im Jahre 1999 wurde es unter
Denkmalschutz gestellt und in Folge dessen maßgeblich durch den Krefelder Architekten
Karl-Heinrich Eick in Zusammenarbeit mit den Denkmalbehörden restauriert.

Die VerSeidAG
Die Geschichte Krefelds, der „Stadt wie Samt und Seide“ ist untrennbar mit der VerSeidAG
verbunden. Die wirtschaftliche Notlage nach dem Ersten Weltkrieg veranlasste im Jahre 1920
mehrere Textilbetriebe in Krefeld und am Niederrhein sich zur „Vereinigten Seidenweberei Aktien Gesellschaft“, der VERSEIDAG zusammen zu schließen. Hermann Lange und Josef Esters, beides Besitzer einer zuvor familiär geführten Weberei, wurden zu den Geschäftsführern der Aktiengesellschaft.

Bis 1940 beschäftigte das Unternehmen 6000 Leute, eine Zahl, die nach der
Zerstörung des Firmenhauptsitzes in Krefeld im Zweiten Weltkrieg und des darauf folgenden
Wiederaufbaus erst in den 60er Jahren wieder erreicht wurde. Ab 1970 ging es mit der Firma, vor allem wegen der Importe aus Niedriglohnländern bergab. Sie konnte sich nur durch harte Umstrukturierungsmaßnahmen und dem Rückzug aus den gefährdeten Bereichen der Textilindustrie retten. In den 90er Jahren fand im VerSeidAG-Konzern eine erneute Umstrukturierung statt. Die
Produktion wurde vom reinen Textilunternehmen zum Zulieferspezialisten mit
weitestgehend technischer Ausrichtung im Kunststoffbereich transformiert.

Am 30. November 1998 schloss sich der VerSeidAG Konzern, nun bekannt als „VerSeidAG
Technologies“, mit der niederländischen Gamma Holding N.V./Helmhold zusammen. Ihre
Geschäftsbereiche ergänzen sich gut und die eingegliederte VerSeidAG hat sich in dem größeren Konzern zum lukrativsten Geschäftszweig, mit den größten Wachstumsaussichten gemausert, wobei der größte Teil der Produktion ins Ausland verlegt wurde. Ihr Hauptsitz ist und bleibt aber in Krefeld, auch wenn er sich mittlerweile auf zwei Etagen im, von Ludwig Mies van der Rohe gebauten, HE- Gebäude beschränkt. Das ehemalige Firmengelände, auf dem sich zahlreiche neue Firmen, teils auch aus der Textilindustrie, angesiedelt haben, wird heute von der Grundstücksgesellschaft Girmesgath verwaltet.

Mies van der Rohe und Krefeld
Mies van der Rohe  entwarf in Krefeld so viele Bauwerke unterschiedlicher Funktion, wie sie in
keiner anderen deutschen Stadt zu finden sind. In dem Geschäftsführer Hermann Lange fand Ludwig Mies van der Rohe einen sowohl reichen, als auch extrem einflussreichen Unterstützer seiner Architektur.

Als erstes Projekt für die VerSeidAG entwarf Mies, gemeinsam mit der Innenarchitektin und Designerin Lilly Reich, die Inneneinrichtung des Cafés „Samt und Seide“ auf der Berliner Messe „Die Mode der Dame“. Daraufhin entstanden zwischen 1927 und 1930 die Wohnhäuser Lange und Esters, heute beides Kunstmuseen der Stadt Krefeld, 1931- 1935 Produktions- und Verwaltungsgebäude für die Seidenindustrie, sowie 1937 ein Verwaltungsgebäude für die VerSeidAG, welches allerdings durch den Ausbruch des Krieges nicht mehr von ihm
realisiert wurde.

Mit Lilly Reich zusammen wurde Mies 1930, auch von Hermann Lange, mit der Inneneinrichtung der Berliner Wohnung seiner Tochter Mildred Crous beauftragt. Des Weiteren plante er einen Golfclub in Krefeld Taar, welcher jedoch durch den Bau
eines Versorgungsflughafens nicht realisiert wurde, und ein Wohnhaus für Ulrich Lange, welches ebenfalls nie realisiert wurde. Der Industriebau an der Girmesgath in Krefeld ist einzigartig in Laufbahn des Architekten. Es ist zudem sein letztes realisiertes Projekt in Deutschland vor seiner Auswanderung in die USA.

Gesamtanlage der VerSeidAG
Der gesamte Komplex an der Girmesgath besteht aus dem HE- Gebäude (HE steht für Herrenfutterstoffe) mit der angeschlossenen Färberei (beide zwischen 1931 und 1935 entstanden), dem Kesselhaus (1932), leicht an seinem Schornstein zu erkennen, der Warendurchsicht mit dem Uhrenturm (1932), der Schlichterei (1935/36), dem Pförtnerhaus
(1935/36) und dem Bürotrakt (1938/39).

Das HE-Gebäude wurde von Mies van der Rohe 1931 als zweistöckiger Bau mit Kellergeschoss und einer, im Westen anschließenden Halle (der Färberei), die vier Sheds zählte und mit dem Gebäude über ein niedrigeres, flacher geneigtes, Verbindungselement verbunden ist, geplant. Das Verbindungselement war notwendig, um eine Verschattung der Fenster des HE-Gebäudes durch die höher aufragenden Sheds zu Verhindern.

1935 führte Mies die Erweiterung seines Baus aus. Das HE Gebäude wurde auf vier Stockwerke erhöht und die Färberei um fünf Sheds erweitert, so dass sie nun neun Sheds zählte. Auch nach der Vergrößerung bleibt die gelungene Proportionierung des kubischen Baukörpers mit dem von unten flach erscheinenden Satteldach erhalten, welcher besonders durch seine großen Fensterflächen und die klare Rasterung besticht.

Die Planung der weiteren Gebäude auf dem Firmengelände übergab Mies van der Rohe ab 1934 an seinen Schüler Erich Holthoff. Holthoff wurde Leiter der Bauabteilung der VerSeidAG. Er orientierte sich bei der Gestaltung von Pförtnerhaus, Warendurchsicht, Schlichterei und Bürogebäude (auf der gegenüberliegenden Straßenseite) stilistisch so stark an den Vorgaben seines Meisters, dass heute kaum eine Unterscheidungsmöglichkeit besteht. Es ist wahrscheinlich, dass er
trotz Mies’ Abwesenheit, mit ihm Rücksprache hielt und nach seinen Anweisungen handelte.

Das Kraftwerk ist auf Grund seiner Backsteinbauweise, klar einer anderen Funktion und Stilrichtung zuzuordnen als die vom Bauhaus geprägten umliegenden Gebäude. Der imposante Schornstein wurde zum Wahrzeichen der Industrieanlage.

Im zweiten Weltkrieg wurden große Teile des Firmengeländes durch Luftminen und Fliegerbomben zerstört. Der Aufschwung in der Textilindustrie nach dem Krieg ermöglichte es der Firma jedoch, die Kriegsschäden bald zu beseitigen

HE-Gebäude
Mies van der Rohe beschritt mit seinem einzigen Industriebau in seiner langen Karriere einen neuen Weg. Er wendete er sich von der traditionellen Backsteinbauweise ab und entwarf einen Stahlskelettbau mit Bimsstein – Ausfachung. Die Wandflächen sind verputzt. Ein umlaufender, fünf Steine hoher, Backstein Sockel bildet den Abschluss. Mies van der Rohe legte besonderen Wert auf den bündigen Anschluss von Sockel und Putz.

Die großen, sofort ins Auge fallenden, Fensterbänder in der Ostfassade mit ihren fast raumhohen Fenstern, bestimmen die optische Wirkung des Gebäudes. Die einzelnen Fenster  waren mit besonders filigranen Stahlfensterrahmen bestückt und teilten die großen Einzelflächen jedes Fensters in 16 kleinere Scheibenformate.

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HE-Gebäude. Originalfenster im EG. Foto 2009

Die streng gerasterten Fensterbänder werden von den vier Fallrohren aufgelockert. Auch hier findet sich eine Besonderheit: Die Fallrohre gliedern die Fenster in der Fassade in einem Rhythmus von 1-2-3-2-1, das heißt, nach der Hausecke kommt erst ein Fenster, dann ein Fallrohr, dann zwei Fenster und ein Fallrohr, dann drei Fenster und ein Fallrohr und der Rhythmus wieder zurück. Die Fallrohre selbst treten erst unter der Attika in größeren Sammelkästen hervor. Das ermöglicht eine ununterbrochene Attika - Linie als oberen Abschluss des Gebäudes, hinter der sich die Dachentwässerung, sowie das sehr flach geneigte Satteldach verbergen.

Der Haupteingang befindet sich, recht unscheinbar in seiner Ausführung, auf der schmalen
Südseite des HE- Gebäudes und leitet den Besucher in ein Treppenhaus aus hart gebrannten Klinkern. Die extrem hart gebrannten Klinker auf der Innenseite des gesamten Treppenhauses haben verschiedene Schattierungen von dunkelrot über verschiedene Braun- und Blautöne bis hin zu schwarz. Sie verleihen den hohen Wänden ein bewegtes Äußeres. Die besonders große Hitze während des Brennvorgangs hat den Steinen eine leicht glänzende Oberfläche verliehen. Der Mörtel ist mit einem Zusatz versehen (vielleicht Ruß), der ihn schwarz färbt. Das Geländer ist eine schlichte Schmiedearbeit. Die Stufen sind aus Beton und wurden steinmetzmäßig bearbeitet, eine Technik, die die sie auf den ersten Blick wie aus Stein gemeißelt erscheinen lässt. Hier hat Mies sogar an das Putzen der Treppe gedacht und den Stufen zum Treppenauge hin eine Aufkantung verliehen, so kann das Putzwasser nicht hinab laufen. Gegenüber der Eingangstür befindet sich ein Personenaufzug. Des Weiteren findet man auf jeder Etage links neben dem Aufzug eine kleine Doppeltür. Was zuerst einen Schrank vermuten lässt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als eine praktische Hilfe für die Reinigungskräfte. Es befindet sich ein Waschbecken hinter der Tür um den Putzeimer aufzufüllen ohne die Büro und Lagerräume zu betreten oder lange Wege zurücklegen zu müssen.

Das Erdgeschoss geht in die Färberei(Shedhallen) über. Im Verbindungsteil zwischen HE-Gebäude und Färberei ist die Warenannahme untergebracht. Hier ist besonders die Laderampe zu erwähnen, die erhöht angelegt ist. Lieferanten für Stoffe konnten so mit den Fuhrwerken oder LKWs direkt auf Entladehöhe an das Gebäude heran fahren.

In den beiden darüber liegenden Stockwerken waren Geschäftsräume und Stoffballen Lager, hier wurden vor allem die besonders wertvollen Innenfutter Stoffe, z.B. für Anzüge, gelagert. Daher auch der Name des Gebäudes „Herrenfutterstoffe“. In der oberen, stützenfreien Etage, wurden die potentiellen Käufer empfangen. Hier konnten die
Waren aus der Färberei und den unteren Stockwerken mit den Lastenaufzügen heraufgebracht und den Kunden vorgeführt werden. Diese konnten dann beliebige Mengen der ausgewählten Waren bestellen. Die Aufträge wurden direkt an die Produktion weiter geleitet.

Das erste und das zweite Obergeschoss sind durch eine Stützenreihe in der Verlängerung der Treppenhaus- Flucht geteilt. Das oberste Stockwerk ist gänzlich stützenfrei angelegt. So konnten die Flächen leicht als Lager genutzt werden. Wenn jedoch Kontor-, Arbeits- oder Büroräum gebraucht wurden, ließen sich diese durch variabel versetzbare Trennwände leicht abtrennen. Die Trennwände waren im oberen Teil verglast, das erzielte eine offenere Wirkung des Raumes, auch bei aufgestellten Wänden. An beiden Stirnseiten des Gebäudes waren die großen Lastenaufzüge platziert. Mies van der Rohe konstruierte schon hier „nutzungsvariable Universalräume“ (Wikipedia, Mies van der Rohe)

Nach der Eintragung in die Denkmalliste 1999 wurde zuerst das HE-Gebäude modernisiert. Das Dach wurde mit einer Wärmedämmung versehen und durch neue Schweißbahnen abgedichtet. Die Attika bekam ein 10cm breites, abgekantetes und beschichtetes Metallprofil als Abdeckung. Sammelkästen und Fallrohre zur Dachentwässerung an der Ostfassade wurden, nach originalem Vorbild, aus Titanzink neu angefertigt. Die verputzten Fassaden wurden von beschädigtem Putz befreit. Gerissene Stellen wurden ausgebessert. Danach wurde ein Armierputz aufgetragen, der mit einem schlagregenfesten und in der Originalfarbe durchgefärbten Kratzputz versehen ist. Die eigentlichen charakteristischen, filigranen Stahlfenster sind zum größten Teil in den 70er Jahren durch Fenster mit breiteren Rahmen ausgetauscht worden. Allerdings weisen sie die gleiche Aufteilung und Farbigkeit auf. Nur die Kellerfenster, fünf Fenster im Erdgeschoss (Produktionsbereich) sowie die Fenster in den WC- Anlagen und im hinteren, kleinen Treppenhaus blieben erhalten. Die Fenster aus den 1970er Jahren wurden mit Isolierverglasung und neuen Dichtungen bestückt. Die im Original erhaltenen Fenster wurden wieder aufgearbeitet.

Die Lichtschacht- Gitterbänder über den Kellerfenstern wurden erneuert. Das vorhandene Kopfsteinpflaster ist höhenmäßig an das der Stichstraße angeglichen und neu verlegt worden. Die Sanitärräume wurden gänzlich entkernt, neu aufgeteilt und mit neuen Einbauten bestückt. Die erwähnten Fenster mit ihren immer noch funktionierenden, ausgeklügelten
Öffnungsmechanismen sind erhalten geblieben. Die alte Heizungsanlage wurde komplett entfernt und ein neues Heizsystem einbaut.

Die alten, die Räume sehr verschachtelt erscheinen lassenden, Trennwände wurden entfernt. Die neue Aufteilung und Planung der nun offenen Etagen übernahm das Büro „raumkontor“. Sie teilten die Büroräume im zweiten Obergeschoss neu auf. Es entstand ein Gang, mit einer Wand zur rechten, auf die ein besonders glatter, grauer Putz aufgetragen wurde, an dem zu beiden Seiten die Büros angelegt sind. Keine der neu eingezogenen Wände berührt die Decke, wie auch schon bei ihren variablen Vorbildern bildet ein Glasbande den Abschluss. Die Stützen sind freigestellt worden. Eine sich sehr zurücknehmende Glaslösung bei den Brandschutzbarrieren stört den offenen
Raumeindruck nicht.

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HE-Gebäude. 3. OG. Foto 2009

Das dritte Obergeschoss ist auch gänzlich frei geräumt worden. Hier ist jetzt eine recht große Teeküche angelegt, die zum verweilen einlädt. So kann man auch gleich den großen, stützenfreien Raum mit der großen, nach Westen über die Shedhalle ausgerichteten Fensterfront bestaunen. An der Ostfassade sind auch Büros entstanden. Der freie Raum ist mit variablen Ausstellungswänden ausgestattet, die ein gutes Stück unter der abgehängten Decke enden. Hier werden beispielsweise Pläne und Zeichnungen ausgestellt. In beiden Etagen ist das original Parkett fast komplett erhalten und wurde nur abgeschliffen und gewachst. Nur ein kleiner Teilbereich wurde erneuert. Das erste Obergeschoss ist weitestgehend unberührt und versprüht noch seinen blautürkisen 70er Jahre Charme.

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HE-Gebäude. Treppenhaus. Foto 2009

Im verklinkerten Treppenhaus wurden die gemauerten Flächen gereinigt. Einige nicht mehr benötigte Türöffnungen wurden zu gemauert. Auch wurden einige Stellen, die sehr unpassend vermauert waren entfernt und mit angepassten Klinkern neu angelegt. Eine Mauer, die im 2. Weltkrieg von einer Luftmine eingedrückt worden ist, wurde neu aufgebaut. Auch Teile des Bodens wurden ausgebessert. Bei all diesen Maßnahmen kann man gut das neue Material erkennen. Das Treppengeländer wurde in den 70er Jahren um ca. 20cm erhöht, nachdem es bei einer Betriebsfeier zu einem Unfall kam und ein Mitarbeiter über das nur 70 cm hohe Geländer aus dem oberen Stockwerk in die Tiefe stürzte. Man kann noch die Schweißnaht erkennen. Ansonsten ist es original erhalten. Anstrichfarbe von Geländer, Türen und Aufzugtüren in blau- türkis sind wahrscheinlich auf die 70er Jahre zurück zu führen, wurden aber wieder in dem Farbton lackiert. Es wird vermutet, dass der Originalton braun war. An einer Stelle des Geländers wurden die alten Farbschichten freigelegt.

Shedhalle
Die Shedhalle, in der die Färberei untergebracht war, ist durch Glasbänder in den Sheds belichtet. Eigentlich sind alle diese Lichtbänder aus gleich vielen kleineren Scheiben zusammengesetzt. Nur das erste Shed, vom HE-Gebäude aus gesehen, weißt ein größeres durchgängiges Fenster auf, welches zur Erbauungszeit schwer herzustellen war. Wahrscheinlich wurde es zu repräsentativen Zwecken eingesetzt, da dies der Eingangsbereich der Halle ist, den man auch vom Gebäude aus sehen kann.

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Shedhalle(links), HE-Gebäude, Schlichterei und Kesselhaus(Hintergrund). Foto 2009

Die Shedhalle ist weitestgehend unsaniert. Allerdings wurde hier in den 70er Jahren ein Betonbau vorgesetzt, der die ursprüngliche Ansicht verdeckt und stört.

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Shedbau mit Anbau. Foto 2009

Pförtner
Das Pförtnerhaus wurde ca. 1935/36 von Erich Holthoff entworfen. Es befindet sich zur linken Seite des Werktores und ist ein eingeschossiger, kubischer Flachdachbau. Die Gestaltung lehnt stark an das HE-Gebäude an - von der kompakten geometrischen Form und der flächenbündigen, die Tragstruktur ausfachenden Glasfassade in derselben Rasterung, bis zum gemauerten Sockel mit flächenbündig aufgetragenem Putz. Das Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg auf der Rückseite beschädigt und unter der Leitung Erich Holthoffs wieder instand gesetzt.

Bei den umfassenden Sanierungsmaßnahmen seit 1999 wurde die Putzfassade erneuert. Die Fenster  waren schon in den 1970er Jahren erneuert worden. 

Uhrenturm und Warendurchsicht
Uhrenturm und Warendurchsicht  bestehen aus einem schmalen Riegel, der, gegenüber und parallel zum HE-Gebäude, an eine schon bestehende Fabrikationshalle anschließt. Der Uhrenturm mit anschließendem Bürotrakt wurde ca. 1933 von der Bauabteilung der VerSeidAG (noch unter der Leitung Erich Holthoffs Vorgängers) errichtet und greift die Gestaltungsmerkmale des von Mies van der Rohes entworfenen HE-Gebäudes hinsichtlich einer schlichten, geometrischen, dekorlosen Form im Stil des Bauhauses der 1920/30er Jahre auf. Verputzte Wände in hellem Farbton und großformatige Fenster mit horizontaler Rasterung beziehen sich eindeutig auf die Vorgaben des HE-Gebäudes und lassen die Gebäude als Komplex zusammenwachsen. Der Versatz in der Höhe und die gestalterisch etwas unglücklich geratene Verbindung der Gebäude über einen niedrigen Gang, in der Achse der nun verlängerten Industriestraße, lassen jedoch die fehlende Gesamtplanung der Anlage erkennen und wurden auch von Mies van der Rohe kritisiert.

Bei der Sanierung des HE-Gebäudes ca. 1999/2000 wurde auch der Uhrenturm und der angrenzende Bürotrakt mit Verbindungsgang saniert. Die Fenster aus den 1970er Jahren, die nah an das Erscheinungsbild der Originalfenster heranreichen - von denen lediglich 5 Stück im Erdgeschoss des HE-Gebäudes erhalten sind - konnten erhalten bleiben und wurden nicht durch Kunststofffenster (wie zunächst vom Eigentümer gefordert) ersetzt. Es wurden lediglich neue Dichtungen und Isolierglas eingebaut. Die Gebäude wurden mit einer außen liegenden Dämmung versehen, verputzt und in demselben hellen Farbton gestrichen, der auch bei Sanierung von HE-Gebäude, Pförtnerhaus und Schlichterei Anwendung fand.

Schlichterei
Schlichten ist ein Vorgang bei der Seidenfäden Herstellung, bei dem die Fäden entwirrt und besseren zur Weiterverarbeitung behandelt werden. Es macht sie auch reißfester. Außerdem war in diesem Gebäude die Kantine untergebracht mit einer großen, auf den Putz gemalten Ansicht der Stadt Krefeld.

Die Schlichterei wurde 2005 ähnlich wie das HE-Gebäude neu verputzt. Neben einigen kleinen Firmenbüros wurde die Kantine zu einem kleinen Ausstellungsraum umgewandelt. In der Mitte des Raumes ist ein Glaskubus eingebaut. Dieser kann leicht wieder rückgebaut werden und beschert gleichzeitig dem für Kunst genutzten Raum einen kleinen Rundgang.

schlichterei
Schlichterei. Foto 2010

Kesselhaus
Das Kesselhaus befindet sich rechts des Werkstores -gegenüber dem Pförtnerhaus- und ist somit eines der ersten Gebäude, die sich dem Betrachter darbieten. Es wurde ca. 1932 von der Bauabteilung der VerSeidAG errichtet und besteht aus Stahlbeton mit einer Klinkerfassade, flächenbündigen Fensterbändern und einem dreistufigen Pultdach, das durch den Attikaaufbau jedoch die Erscheinung von zwei versetzten Flachdächern hat. Die Ausmaße sind ca. 38mx28m bei einer Höhe von insgesamt 17,5m. Der gemauerte Schornstein ragt aus dem niedrigeren, auf der Vorderseite des Gebäudes  liegenden Teil des Daches 75m hoch. In 2 Bauabschnitten wurde der Gebäudekomplex mit Kesselhaus, Turbinenhalle und Kohlenbunker bis ca. 1936 fertig gestellt.

Die seitlich an das Kesselhaus angrenzende Turbinenhalle besteht aus einer Stahlrahmen-Konstruktion, die die Lasten aus Fassade und Dach aufnimmt und zugleich als Auflager der innen liegenden Krananlage dient. Die Vorderseite ist komplett verglast und setzt die Turbinenhalle  somit als eigenen Baukörper vom Kesselhaus ab, während sich die Seite mit einer gemauerten Fassade und einem hoch liegenden, horizontal durchgehenden Fensterband, an die Formensprache des Kesselhauses anpasst. Die Halle misst ca. 17mx22m und hat eine Attikahöhe des Flachdaches von 10m und ist somit niedriger als der vordere Teil des Kesselhauses. An die Turbinenhalle angrenzend befindet sich ein Anbau, hergestellt aus einer Stahlbeton-Konstruktion mit raumhoher, ganzflächiger Verglasung, der seitlich flächenbündig aber in der Höhe ca 3,5m nach unten abgesetzt, die Halle nach hinten erweitert und Aufsicht, Schaltwarte, Hoch- und Niederspannungsraum, Transformatoren sowie Umkleiden und Sanitärräume beherbergt. Ebenfalls mit einem Flachdach ausgeführt, liegt die Oberkante der Attika auf Höhe der Unterkante des Fensterbandes der Turbinenhalle, das seinerseits auf Höhe der kranführenden Schiene im Innern der Halle endet.

Die Positionierung des Kesselhauses auf dem Firmengelände wurde so gewählt, dass es möglich war, den hinter dem Gebäude angelegten Kohlenbunker mit einem auf Schienen geführten Ladekran über einen Anschluss an die Eisenbahn zu befüllen. Hierfür wurde eine Weiche und ein Haltegleis gelegt, was eine optimale Versorgung mit Ressourcen garantierte, jedoch auch Platz auf dem Firmengelände einnahm und so evtl. auch zu den unterschiedlichen Geometrien, aus denen sich der Baukörper der Warendurchsicht zusammensetzt, führte.

In einer 3. Baumaßnahme wurde ca. 1959/60 die Anlage von Kohle auf Erdöl umgerüstet und neue Kessel und Turbinen installiert. An der Gebäudestruktur wurden jedoch nur im Innern leichte Änderungen vorgenommen und äußerlich behielt der Gebäudekomplex sein Erscheinungsbild. Auch der vorhandene Schornstein konnte unverändert genutzt werden, da eine Mindesthöhe von 32m für die neue Anlage gegeben war und die vorhandenen 1,8 m Innendurchmesser auch den Anforderungen genügte.

Bis auf eine Sanierung des Flachdaches und Ausbesserungen des Kellers, sind Kesselhaus und Turbinenhalle bis heute unverändert und im Originalzustand erhalten geblieben. Mit seiner kompakten Form und den horizontalen Fensterbändern fügt es sich in das moderne Erscheinungsbild der Gesamtanlage ein, setzt jedoch auch einen Kontrast zu den umgebenden, weißen Gebäuden durch das unverputzte Mauerwerk dunkelroter Farbigkeit.       

Die zentrale Position auf dem Firmengelände und der hohe Schornstein wirken auf das         Erscheinungsbild der Anlage im Innern, sowie auf die Ansicht im Stadtbild Krefelds. Die technischen Anlagen und Maschinen wurden versteigert und entfernt.

Bürogebäude
Auf der gegenüber liegenden Straßenseite wurde auch das Bürogebäude neu verputzt.
Hier hat es in den 60er Jahren schon einmal eine Aufstockung um eine Etage gegeben.
Auch diese wurde neu hergerichtet. Das aufgesetzte Stockwerk ist ein schönes Beispiel für den generell behutsamen und eindeutigen Umgang mit dem Denkmal. Da die Etage ein Stück von der Fassade zurück springt, spielt sie sich nicht in den Vordergrund. Sie fügt sich sogar in ihrer, zwar anderen, aber klaren Formensprache ausnehmend gut an das Gebäude an. Die Etage ist klar als Architektur einer anderen Epoche zu identifizieren und hebt sich so vom ursprünglichen Gebäude ab ohne den Gesamteindruck zu stören.

verwaltung
Verwaltung. Foto 2010

Fazit
Bei der Sanierung aller Gebäude auf dem VerSeidAG-Gelände wurde großen Wert auf die Erhaltung des originalen Zustandes gelegt. Es wurden, obwohl angedacht, keine zusätzliche Dämmung auf
die Fassade aufgetragen um das von Mies so sorgfältig geplante Verhältnis von Putzflächen und Sockel nicht zu verändern. So wurde der kubische und wohl proportionierte Gesamteindruck des
Ensembles nicht verfälscht.

Bei dem Entwurf des HE-Gebäudes hat Mies van der Rohe auf eine Flächenbündigkeit der Bauteile in der Fassade geachtet, die den kubischen Charakter des Baukörpers, ohne Vor-  und Rücksprünge  unterstreicht - von den Fensterflächen bis zum Sockel im Detail.

Diese Formensprache findet sich beim Pförtnerhaus, dem Uhrenturm mit Warendurchsicht wieder. HE- Gebäude, Warendurchsicht und Pförtnerhaus haben schlichte Baukörper aus geometrischen Grundformen mit Flachdach und im Stil des Bauhauses ohne jedes Dekor, einen gemauerten Sockel mit bündig darüber beginnendem weißem Putz und großformatige Fenster mit schmalen Metallsprossen in einem regelmäßigen Raster.

Das Problem bei der Sanierung der Gebäude war, dass die einschalige Konstruktion den heutigen bauphysikalischen Standard im Bezug auf die Wärmedämm-Funktion der Außenhülle nicht erfüllt. Des Weiteren konnte die ursprüngliche Farbgebung aufgrund fehlender Angaben und der stark verwitterten Oberfläche des maroden Originalputzes nicht genau ermittelt werden. Es existieren nur Schwarzweiß-Aufnahmen des Originalzustandes und der Restaurator musste sich daher auf die Angabe „hell“ beschränken. Schließlich wurde ein fast weißer Farbton gewählt.

Bei der Sanierung des HE-Gebäudes und des Pförtnerhauses wurde eine Wärmedämmschicht in die Vorsatzschale der Innenverkleidung integriert und auf der Außenseite der schadhafte Putz ausgebessert, mit einem armierten, zementfreien Putz zur Rissüberbrückung auf einer Silikat-haltigen Grundierung und anschließend mit einem Kratzputz überzogen, der eine identische Körnigkeit von 3mm mit dem Originalputz hat. Die Maßnahmen vielen Zugunsten des homogenen Erscheinungsbildes der Oberflächen aus, wobei jedoch der sonst in der Denkmalpflege vorrangige Erhalt der originalen Bausubstanz in den Hintergrund treten musste. Somit gleicht das jetzige Erscheinungsbild weitestgehend dem Originalzustand.

Der Uhrenturm mit angrenzender Warendurchsicht wurde hingegen mit einer Wärmedämmschicht versehen und anschließend verputzt. Da sich hier, im Gegensatz zum HE-Gebäude, keine großen  Fensterflächen zur Front hin befinden und der Baukörper weniger ein kubischer Monolith als eine Fügung  geometrischer Körper ist, fällt die neue zweischalige Konstruktion nicht auf den ersten Blick auf. Im Gesamteindruck ist das Erscheinungsbild der Anlage erhalten geblieben. Im Detail wäre aus denkmalpflegerischer Sicht eine innenliegende Wärmedämmung wünschenswert gewesen.

Fallrohren und Sammelkästen wurden neu, aber in der alten Form, anzufertigen, so dass man das Neue nicht vom alten Original unterscheiden kann.

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HE-Gebäude und Uhrenturm. Foto 2009

Bei den Fenstern erfolgte ein Zugeständnis hinsichtlich der Doppelverglasung nur bei den bereits in den 70er Jahren veränderten Fenstern. Das äußere Erscheinungsbild erstrahlt wieder in seinem alten Glanz. Zum originalen Putz wurden Studien durchgeführt um ihn möglichst originalgetreu wieder herzustellen. (Was natürlich anhand der ausschließlich schwarz-weiß Fotos aus der Erbauungszeit und der möglichen Verfärbungen der gefundenen Reste des Originalputzes, nicht 100-prozentig zu gewährleisten ist)

Die Innenräume wurden, optisch sehr ansprechend, auf die neue Büronutzung angepasst.
Hier lässt sich gut erkennen, welche Elemente auf Grund der gewünschten
Büroanordnung hinzugefügt wurden, da sie sich in ihrer Farbe und Materialität klar von
den originalen Wänden unterscheiden. Da sich die neuen Wände durch Glasbänder von
der Decke absetzen lässt sich der ehemals freie Raum noch, zumindest vor dem geistigen
Auge, rekonstruieren.

In den WC-Anlagen des HE-Gebäudes wurden die originalen Fenster, so wie die, sehr gut durchdachten, originalen Fenstergriffe und Mechanismen zur Öffnung der hoch über Kopf angebrachten Fenster besonders schön in Stand gesetzt und erhalten. Zu Anschauungszwecken hat man sogar das Geländer des hinteren Treppenhauses nicht erhöht, obwohl es mit 65cm Höhe gewiss keiner DIN- Norm entspricht. Man kann sich also ein gutes Bild vom Ursprungszustand machen.

Im Schlichtgebäude kann man den Originalzustand noch extrem gut erkennen. Man kann
sogar sehen, wo sich die Theke und die Küche befanden. Die neue Nutzung ist sehr feinfühlig integriert und sogar rückbaubar. Die beiden Gebäude sind ein besonders gutes Beispiel für denkmalgerechte Instandsetzung.

Literatur
VerSeidAG und Gamma Holding(Hg): VerSeidAG- die Geschichte eines Wandels. Metamorphose einer „Seidenraupe“ zu einer modernen Technologie-Holding, Krefeld.

Schwanke, Hans P.: Architekturführer Krefeld, Krefeld 1996, S. 215- 216.

Eick, Karl- Heinrich: Sanierung der VerSeidAG- Gebäude in Krefeld,
Essay, Krefeld 2005

Drexler, Arthur: The Mies van der Rohe Archive (The Museum of Modern Art), PT1: 004, Garland Pub April 1986

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