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Objektführer/Leverkusen

Leverkusen_Bayerwerk. Pförtner 1 und Feuerwache
Kaiser-Wilhelm-Allee

Texte und Dokumente
Walter Buschmann: Bayerwerk Leverkusen

ansicht_werksseite
Foto 1995

Walter Buschmann
Bayerwerk Leverkusen. Pförtner 1 und Feuerwache

Bereits um 1900 stand am östlichen Hauptzugang zum Werk ein Pförtner mit Wartehalle. Das Mittagessen wurde den Werksangehörigen von ihren Frauen im Henkelmann ans Werkstor gebracht. Auch geschäftstüchtige Kleinunternehmer verkauften fertige Mittagessen am Tor. Alternativ gab es in der 1897 errichteten Arbeiterspeiseanstalt (Gebäude V 1) für 33 1/3 Pfennige ein preiswertes Essen.

Mit der Verlegung des Firmensitzes von Elberfeld nach Leverkusen 1912 wurde an dieser prägnanten Stelle an der Bezirksstraße von Mülheim nach Düsseldorf ein neuer Pförtner mit Hauptfeuerwache errichte. Als Planverfertiger signierte M. Simon die Baupläne.

Im Zentrum des mehrteiligen Gebäudekomplexes steht der zweigeschossige, verputzte Torbau. Unter dem ruhig, und lastend wirkenden, mit Biberschwanzziegeln gedeckten Walmdach entwickelt sich ein lebendig gestalteter, axial gegliederter Baukörper. Direkt in Verlängerung der durch das ganze Werksgelände reichenden südlichen Querstraße öffnet sich in drei Bögen das Werkstor. Die Gebäudemitte wird betont durch die kupferbeschlagene Laterne mit Uhr im Dach und durch die seitlich der Mittelachse angeordneten, in den Dachbereich hineinragenden Giebel. Auf Vorder- und Rückseite wird der Gebäudekörper weiterhin plastisch geformt durch Loggien und Eckerker. Gegen die Putzfassaden des Obergeschosses ist das Erdgeschoß mit einer dunklen bruchrauhen Natursteinverblendung abgesetzt. Das Motiv der rundbogigen Toröffnungen in der Gebäudemitte wird seitlich wiederholt durch die zum Feuerwehrgeräteraum führenden drei Tore im südlichen und die drei Rundbogenfenster im nördlichen Gebäudeteil. Rechts und links vom Tor schließen fünfbahnige Rechteckfenster an, die durch vertikale Natursteinfensterstöcke geteilt werden.

Das Gebäude wurde und wird nur zu einem kleineren Teil durch Pförtner und Ausweiskontrolle in dem rechts von der Durchfahrt liegenden Raum genutzt. Gegenüber befand sich der Telegrafenraum. Das übrige Gebäude war als Hauptfeuerwache eingerichtet. Im Obergeschoß, erschlossen durch zwei rechts und links der Durchfahrt liegende Treppenhäuser, waren Schlafräume mit 69 Betten sowie hinter den Erkern über die ganze Gebäudetiefe reichende Wohnzimmer, Küche und Unterrichtszimmer für die Wachmannschaft untergebracht. Rutschstangen vermittelten zusätzlich zu den Treppen eine rasche Verbindung vom Ober- ins Erdgeschoß.

Im Süden des Torhauses grenzt jener in seiner Substanz noch aus der Anfangszeit des Werkes stammende eingeschossige Backsteinbau an, der mit seiner nivellierenden Fassadengestaltung von 1958 im Erscheinungsbild seine historische Qualität nicht mehr offenbart. Die anschließenden Gebäudeteile - ein dreigeschossiger giebelständiger Gebäudekörper mit flachem Satteldach und ein von der Straße zurückgesetzter Turm über quadratischem Grundriß - sind wenig prägnant in der Formensprache der 1920er Jahre ausgebildet und stehen kaum noch in einem optisch erlebbaren Zusammenhang mit dem Pförtner.

Der 1911/12 geplante und erbaute Pförtner 1 mit Hauptfeuerwache entstand in einer Entwicklungsphase des Unternehmens, die für den Standort Leverkusen mit der Verlagerung des Firmensitzes 1912 sehr wichtig war.  Mehr noch als das nach Süden zum Park orientierte Verwaltungsgebäude präsentiert der an der Kölner Straße gelegene Pförtner 1 Werk und Unternehmen gegenüber der Öffentlichkeit. Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht die Wahl eines relativ zurückhaltenden Formenkanons, der im Gegensatz zu der im ausgehenden wilhelminischen Kaiserreich für vergleichbare Bauten auch noch üblichen Monumentalarchitektur sich mehr dem Heimatstil zuordnen läßt. Prominente Vertreter dieser Stilrichtung waren Heinrich Tessenow oder Georg Metzendorf, dessen Siedlung Margarethenhöhe (ab 1909) sehr vergleichbare Bauformen aufweist. Als vermittelndes Element zwischen Produktions- und Freizeitbereich ist der Pförtner 1 kaum an der Formenwelt der Werksbauten orientiert, sondern bezieht sich viel stärker auf die städtebaulich hier dicht an den Werksbereich heranrückenden Siedlungsbauten mit dem direkt gegenüber auf der anderen Straßenseite gelegenen Bayer-Kaufhaus.

Bedeutung kommt dem Gebäude auch hinsichtlich der hier ausgeübten Funktionen zu. Die Zusammenfügung von Pförtner und Hauptfeuerwache ist keinesfalls zufälliges oder künstliches Produkt einer Planung, die an dieser aussagekräftigen Stelle des Werkes eine Konzentration baulicher Massen anstrebte. Die im Leverkusener Werk seit 1893 existierende freiwillige Werksfeuerwehr war 1897 zur Berufsfeuerwehr umgewandelt worden und organisierte, verwaltete und beaufsichtigte traditionell mehrere Einrichtungen des Unternehmens. Seit 1906 gehörte zur Feuerwehr der Wagen-, Automobil-, Fahrrad- und Motorbootverkehr mit Reparaturwerkstätten, Schneiderei, Rheinbadeanstalt, Filtertuchlager, Post, Polizei, Pförtner, Aufenthaltsräume, Wartehallen, Gärtnerei, Sicherheitsdienst.

Im Torhaus mit den anschließenden Gebäudeteilen materialisieren sich also die sehr weitgesteckten Funktionen der Werksfeuerwehr, wobei die polizeilichen Aufgaben im Torhaus die enge Verknüpfung mit dem Pförtner mit sich brachte. Zur weiteren Ausübung dieser polizeilichen Funktion war neben dem Pförtnerzimmer ein Verhörzimmer untergebracht.

Weiterhin zeigt das Torhaus vom Pförtner I in Leverkusen ein Beispiel für die architektonisch/städtebauliche Lösung einer für die Fabrikarchitektur wichtigen Baugattung.  Das Werkstor ist immer Zäsur und Verbindung zweier Welten, signalisiert Beginn und Ende des Geltungsbereiches der Werksordnung. Charakteristisch für diesen Gebäudetyp ist die zur Pünktlichkeit gemahnende Uhr, die hier markant in der Laterne auf dem Dach untergebracht ist.

Das Torhaus ist bedeutend für die Geschichte des Menschen und für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse. Seine Erhaltung liegt aus künstlerischen, volkskundlichen, städtebaulichen und wissenschaftlichen, insbesondere architektur- und sozialgeschichtlichen Gründen im öffentlichen Interesse.

 


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