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Wiehlbrücke Brüchermühle, Foto 2002

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Kömpeler Tunnel

 

 

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Bahnhof Morsbach

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Bahnhof Denklingen, Foto um 1920

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Bahnhof Brückermühle, Foto 2002

 
Objektführer /Wiehl / Eisenbahnen / Netzwerk Industriekultur Bergisches Land

Wiehl/Waldbröhl/Morsbach_Wiehltalbahn

Texte und Dokumente
Walter Buschmann: Die Wiehltalbahn
vgl.: Steinbreche Wiehl-Alperbrück und Steinbruch und Steinbreche Karl Kohlmeier

Links
www.wiehltalbahn.de
Eva-Maria Thoms: Die Bahn soll weg, in: Die Zeit 9/2006
Stephan Propach: 13 Prozesse um die Wiehltalbahn, in: Kölner Stadt-Anzeiger 15./16. 12. 2007
Stephan Propach: Wiehltalbahn kann doch weiter fahren, in: Kölner Stadt-Anzeiger 15. 7. 2007
Michael Fiedler-Heinen: Wiehltalbahn dürfte auch nach Morsbach fahren, in: Kölnische Rundschau 3. 9. 2008
Stephan Probach: Wiehltalbahn setzt sich durch, in: Kölner Stadt-Anzeiger vom 14.11.2008

foto_dampflok

 

Walter Buschmann
Die Wiehltalbahn

Geschichte

Nach Eröffnung der ersten deutschen Eisenbahnstrecke für den Personenverkehr 1835 zwischen Nürnberg und Führt, waren die ersten Jahrzehnte des Eisenbahnzeitalters in Deutschland durch den Bau der großen Fernverbindungen gekennzeichnet. Viele der alten und historisch zuweilen hochbedeutende Industrieregionen wie das oberbergische Land wurden von den Ferneisenbahnen nur tangiert. Diese Linien taugten nur sehr begrenzt zur Erschließung und Versorgung der Fläche, vor allem aber leisteten sie kaum einen Beitrag zum Transport der einheimischen Bodenschätze. Diese Mängel in der Verkehrserschließung durch die Eisenbahn, dem im 19. Jahrhundert mit Abstand wichtigsten Massentransportmittel trugen zum Niedergang der traditionellen und zum Aufschwung der neuen Industriereviere und Industriestädte bei.

Dabei fehlte es nicht an frühzeitigen und vielfachen Versuchen, auch Regionen wie das oberbergische Land mit der Eisenbahn zu erschließen. Zu einer Art Basislinie wurde die 1856 bis 1859 erbaute Köln-Gießener Eisenbahn im Siegtal. Mit der 1862 bis Ruppichteroth erstellten und 1870 bis Waldbröl verlängerten Bröltalbahn gab es zu den regionalen Bemühungen auch einen bemerkenswerten Erfolg: der Ruhm dieser seit 1863 mit Dampf betriebenen Schmalspurbahn drang bis in alle Welt und führte sogar interessierte Besucher aus Amerika an die Sieg. Alle anderen Projekte jedoch scheiterten an den Interessen der im ganzen bergischen Land dominierenden Bergisch-Märkischen Eisenbahngesellschaft. Bei den hohen Baukosten von Eisenbahnlinien in dem topographisch schwierigem Terrain befürchtete man eine ausbleibende Rentabilität der Anlagen. Mit der Verstaatlichung des Eisenbahnwesens 1880 erlebten die Pläne zur Erschließung des oberbergischen Landes unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Regionalförderung  neuen Aufschwung. 1882-84 entstand vom Siegtal aus die 1887 und 1893 ausgebaute Aggertalbahn. Und 1890 wurde wieder vom Siegtal aus Morsbach mit der Wissertalbahn erschlossen. Waren für das Aggertal die Textilindustrie und für Morsbach die Eisenerzgruben wesentliche Grundlage des Eisenbahnbaus, spielte für das Wiehltal die Grauwacke eine entscheidende Rolle. Die Gewinnung von Grauwacke war um 1870 in eine industrielle Entwicklungsphase eingetreten. Es wurden Plastersteine und Schotter für den Straßenbau in den wachsenden Städten an Rhein und Ruhr bis weit nach Westfalen hinein produziert und die Eisenbahn selbst war Abnehmer für den zum Gleisbau gut einsetzbaren Schotter und Splitt aus Grauwacke.

Während die Steinbrüche bei Lindlar und Gummersbach durch die Aggertalbahn und die östlich von Dieringhausen davon abzweigende Nordbahn relativ gut erschlossen waren, lag das Wiehltaltal noch abseits der Verkehrsströme. Der 1878 bei Alperbrück gegründete Steinbruch von Friedrich Wilhelm Schwarz war ganz auf den Absatz nach Köln ausgerichtet. Die Pflasterstein mußten umständlich mit Fuhrwerken nach Waldbröl gebracht und dort auf die Bröltalbahn verladen werden. 1884 wurden zahlreiche weitere Steinbrüche im Wiehltal aufgeschlossen: die Sprengpulverfabrikanten Cremer & Buchholz legten die Brüche Bauwerk und Jägersruh an, der Gastwirt Idel und der Gerichtsschreiber Jürges eröffneten den Jürgesbruch, durch die Ortsansässigen Kranenburg und Dick entstanden die Brüche bei Jägerhaus und in der Eichhardt, der Kölner Tiefbauunternehmer L'host und August Oeser gründeten bei Alperbrück ihre Betriebe. Den Aufschwung hatte die 1884 bis Ründeroth fertiggestellte Aggerbahn bewirkt, die nun mit den vollbeladenen Fuhrwerken angefahren wurde. Bis 1891 gab es eine stetige Weiterentwicklung der Steinbruchbetriebe mit kleineren Brüchen im Gierhagener Tal, bei Denklingen und im oberen Wiehltal zwischen Brüchermühle und Wildbergerhütte. Bis 1914 war die Steinbruchindustrie mit 5000 Beschäftigten in ganz Oberberg zur zweitwichtigsten Branche nach der Textilindustrie geworden.

Die neue Generation von Steinbruchbesitzern im Wiehltal setzte sich vehement für den Bahnbau zur Erschließung ihrer Brüche ein. Die 1897 bis Wiehl geschaffene Bahn ermöglichte den umfangreichen Transport von Grauwacke, befriedigte daher die Wünsche der Steinbruchbetreiber und schuf zugleich die Grundlage zur Entstehung neuer Steinbrüche. 1906 wurde die Verlängerung bis Waldbröl und 1908 das topographisch schwierige Teilstück bis Morsbach fertiggestellt. 1910 konnte das obere Wiehltal von Brüchermühle bis Wildbergerhütte erschlossen werden und 1915 entstand als private Kleinbahn die Strecke Bielstein - Nümbrecht - Waldbröl (beide nicht erhalten). Entlang der Bahnlinien wurden weitere Anschlüsse bis in die Steinbrüche hinein durch Schmalspurbahnen, Seil- und Standseilbahnen geschaffen. Die Verladestellen entlang der Wiehltalbahn trugen nun wesentlich zum Landschaftsbild bei.

Neben dem Transport von Grauwacke hatte die Wiehltalbahn weitere wichtige wirtschaftliche Funktionen: erschlossen wurden auch die im Bergischen Land traditionsreichen Betriebe der Metallverarbeitung, die Bahn belieferte den Waldbröler Viehmarkt und ermöglichte Holztransporte. Für den im Niedergang befindlichen Erzbergbau kam die Bahn allerdings zu spät.

Weiterhin spielte die Wiehltalbahn für den Personentransport eine wichtige Rolle. Die steinbruchnahen Bahnhöfe eigneten sich für die Anfahrt der weiter entfernt wohnenden Steinbrucharbeiter. Besonders die im Erzbergbau um Morsbach arbeitslos werdenden Bergleute nutzten die Bahn als Verkehrsmittel. Es entwickelte sich ein erster umfangreicher Berufs-Pendelverkehr. 

Ihre größte Blütezeit erlebte die Wiehltalbahn während der Ruhrbesetzung 1923-26. Der sonst über Köln verlaufende Nord-Süd Verkehr wurde nun durch das Bergische Land umgeleitet. Das Streckennetz und die Bahnhöfe waren in dieser Zeit überlastet und wurden ständig ausgebaut.

Mit dem Niedergang der Grauwackeindustrie nach dem Zweiten Weltkrieg und der zunehmenden Bedeutungssteigerung des Autoverkehrs verbunden mit einem Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik wurde der Bahnverkehr im oberbergischen Land immer weiter zurückgedrängt. Die Wissertalbahn (Morsbach-Wissen) war nach 1945 nicht wieder aufgebaut worden. Die Bröltalbahn wurde 1953 geschlossen und verschwand fast völlig. Auf der Wiehltalbahn endete 1960 der Personen- und 1994 der Güterverkehr. Einem Eisenbahnverein ist die Sicherung der Gleistrassen zu verdanken. Die Bahnhöfe stehen überwiegend unter Denkmalschutz und sind durch Um- oder Zwischennutzungen gesichert.

Die Bauten der Wiehltalbahn und des Abzeigs nach Morsbach

Die Wiehltalbahn ist eine 1897 bis Wiehl erbaute und 1906 bis Waldbröl verlängerte eingleisige Bahnstrecke zwischen Osberghausen und Waldbröl.1908 wurde die Wiehltalbahn um eine ebenfalls eingleisige Strecke zwischen Hermesdorf und Morsbach ergänzt. Denkmalwert ist die ganze Strecke von der Anschlußweiche der Wiehltalbahn in Osberghausen an die Aggertalbahn bis zum Bahnhof Waldbröl und von Hermesdorf bis zum Bahnhof Morsbach.

Die Talstrecke von Osberghausen bis Waldbröl konnte mit vergleichsweise geringen technischen Mitteln hergestellt werden. Teilweise entstanden Bahndämme, die bis zur Böschungsunterkante zum Denkmal dazugehören. Durchlässe in den Bahndämmen, meist rundbogig in Grauwacke gemauert ermöglichen kreuzungsfreie Wegebeziehungen unter die Bahnlinie hindurch. Zu den Wegunterführungen gehört auch eine mit 13 Metern Spannweite größere Grauwackebrücke und ein Dreifeld-Viadukt, beide in der Nähe von Waldbröl sowie ein Zweifeld-Viadukt über die B 256, von dem noch ein Bogen erhalten ist. Zu den aufwändigeren technischen Bauten der Talstrecke zählen auch die Flußbrücken über die Wiehl. Besonders bemerkenswert ist die 1905 erbaute Blechträgerbrücke südlich von Oberwiehl mit einer Spannweite von 15 Metern und die Bogenbrücke in Grauwacke bei Brüchermühle mit einer Spannweite von 20 Metern.

Technisch wesentlich aufwändiger sind die Bauten der Strecke Hermesdorf - Morsbach. Dazu gehört der Kömpeler Tunnel mit einer Länge von 785 Metern. Der Tunnel hat eine ovale Querschnittsform. Tunnelportale und Stützwände an den Mundlöchern sind in Grauwacke gemauert. Auf den Tunnel folgen Richtung Morsbach drei bemerkenswerte Brücken und Viaduktbauten. Es handelt sich um eine Bogenbrücke mit einer Spannweite von 32,70 Metern, ein Fünffeld-Viadukt mit den Spannweiten 7,4 - 7,4 - 15,4 - 7,4 - 7,4 Meter zur Überquerung eines Seitentals mit Wegunterführung und ein Dreifeld-Viadukt mit Spannweiten von drei mal 15 Meter. Diese Bauwerke sind alle in sichtbar belassenem Stampfbeton erbaut. An den Widerpfeilern, Pfeilern und entlang der Bogenlinien ist der Beton geglättet und durch Sichtfugen unterteilt. Der Dreifeld-Viadukt bei Morsbach für eine Straßen- und Bachunterführung ist zusätzlich mit einem Konsolfries unter den Stabgeländern gegliedert. Diese Brücken- und Viaduktbauten sind als frühe Betonkonstruktionen auch technikgeschichtlich bedeutend. Weiterhin gibt es auf dieser Gleisstrecke noch vier kleinere Wegunterführungen und Durchlässe, die überwiegend in Grauwacke gemauert sind.

Entlang der gesamten Bahnstrecke stehen sieben Bahnhöfe, von denen fünf bereits als Baudenkmale in die Denkmalliste eingetragen sind. In den Architekturformen unterscheiden sich deutlich die etwas früheren Bahnhöfe in Morsbach(1890) und Wiehl(1897) von denen der später erstellten Empfangsgebäude an der 1906 erbauten Strecke zwischen Wiehl und Waldbröl.

Die Bahnhöfe in Morsbach und Wiehl, ebenso wie der nicht mehr existierende in Alperbrück folgen dem weit verbreiteten Anlageschema des für viele preußische Eisenbahnen verwirklichten Typs: ein giebelständiger, leicht aus der Flucht vorspringender Mitteltrakt wird ergänzt durch zwei ungleichmäßig ausgebildete Flügelbauten. Einer der Seitenflügel ist zweigeschossig ausgebildet. Im Obergeschoß von Mitteltrakt und Seitenflügel war regelmäßig die Wohnung des Bahnhofsvorstehers untergebracht. In den niedrigeren Seitenflügeln waren Wartesaal und/oder die Bahnhofsgaststätte untergebracht. Die Dächer waren häufig, wie heute noch in Morsbach zu sehen als aufwändige Schwebegiebel mit reichem Holzzierwerk ausgebildet.

Das zu klein geratene Empfangsgebäude in Wiehl wurde 1938 umgebaut und vergrößert. Der zweigeschossige Seitenflügel wurde um drei Achsen verlängert und nun in gleicher Flucht mit dem Mitteltrakt wieder aufgebaut. Das Erscheinungsbild wurde entsprechend dem Stilempfinden der 1930er Jahre wesentlich vereinfacht mit einem Strukturputz für das Erdgeschoß und Schieferverkleidung für die Obergeschosse. Die Fassadengliederung erfolgt weiterhin durch scharrierte Fensterumrahmungen, vorspringende Sohlbänke und profilierte Traufgesimse.

Den Empfangsgebäuden dieser kleinen Bahnhöfe waren jeweils die Güterschuppen als Hallenbauten angefügt. In Wiehl ist der Güterschuppen in Holzfachwerk erbaut und wurde 1938 deutlich verlängert.

Die 1906 zwischen Wiehl und Waldbröl entstandenen Empfangsgebäude folgen zwar noch dem ursprünglichen Schema der Baumassengliederung mit Mitteltrakt und Seitenflügeln unterscheiden sich dennoch deutlich von den Vorgängerbauten. Man wollte offenbar in sich differenziertere Baukörper schaffen, indem separierbare Bauteile als Anbauten kenntlich gemacht wurden. Auffällig sind die dominanten, teilweise weit herunter gezogenen, meist schiefergedeckten Dächer. Die Grauwackefassaden sind angereichert durch Werksteinumrahmungen in rotem Sandstein für Fenster und Türen. Fachwerk taucht nur in den Giebeldreiecken des Denklinger Empfangsgebäudes auf. Die Gestaltung dieser Bahnhöfe ist geprägt von den Ideen des Heimatschutzgedankens und der englischen Cottagearchitektur. Man wollte offenbar wegkommen von einem gleichmäßig, typisiertem Erscheinungsbild und eine möglichst große Formenvielfalt erreichen. Dazu gehört auch der geschweifte Giebel in Brüchermühle oder das durch seine großen Dachflächen gekennzeichnete Erscheinungsbild des eingeschossig wirkenden Empfangsgebäudes in Hermesdorf.

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Bahnhof Oberwiehl, Foto 2002

Bahnhöfe bestehen nicht nur aus Empfangsgebäuden. Die Güterschuppen wurden bereits erwähnt. Stellwerke gibt es generell nicht. Signale und Weichen wurden von den Empfangsgebäuden aus bedient. Zum Bahnhof Wiehl gehören drei Gleistrassen und ein Bahnsteig. Eine vierte Gleistrasse befindet sich direkt vor dem Güterschuppen. Die Bahnhof Waldbröl hat drei und Morsbach vier Gleistrassen mit jeweils zwei Bahnsteigen. In Waldbröl ist die Verladerampe für die Viehtransporte erhalten geblieben. Mit sechs Gleisen war der Bahnhof Hermsdorf als Abzweigstelle nach Morsbach am besten ausgestattet. Hier sind zwei Gleisstränge und ein Bahnsteig erhalten. An allen anderen Bahnhöfen ist nur das durchgehende Gleis erhalten geblieben.

Bedeutung

Die Wiehltalbahn mit dem Abzweig nach Morsbach muß als Teil der Eisenbahngeschichte und der Industriegeschichte des oberbergischen Landes verstanden und gewürdigt werden. Herausragend ist die Verknüpfung mit der Gewinnung und dem Transport der Grauwacke. Ohne die Grauwackebrüche hätte es die Bahnlinie vermutlich nicht gegeben und ohne die Bahnlinie hätten sich die Steinbrüche nicht in dieser Form entwickelt. Diese wechselseitige Abhängigkeit zwischen Eisenbahn und Steinindustrie gab es zwar auch an anderer Stelle im Bergischen Land, doch wurde andernorts die Eisenbahngeschichte auch von anderen Industriebranchen, besonders der Textil- und der Eisen- und Stahlindustrie mit geprägt. Im Wiehltal dagegen gibt es einen einzigartig eindeutigen Zusammenhang zwischen Eisenbahn und Steinbrüchen. Dieser historische Zusammenhang ist zugleich heute noch anschaulich erlebbar, weil die Wiehltalbahn mit einer großen Anzahl baulicher Anlagen aus der Entstehungszeit überliefert ist und die Steinbrüche im Wiehltal noch heute zu den landschaftsprägenden Elementen gehören.

Vergleicht man die Verteilung der Grauwackebrüche im oberbergischen Bezirk, kommt man zudem zu dem Ergebniss, dass neben Gummersbach und Lindlar Wiehl im 19. Jahrhundert eines der drei Zentren der Grauwackeindustrie war. Die Bahnhöfe Engelskirchen und Alperbrück waren zwischen 1897 und 1922 die bedeutendsten Verladestätten für Grauwacke. Von hier aus ging die Grauwacke in die städtischen Zentren Westdeutschlands und als Schotter zu den Baustellen der Eisenbahn. Der im Wiehltal erlebbare Kontext von Bahnanlagen und Steinbrüchen kann stellvertretend für die ganze Region einen wesentlichen Aspekt der regionalen Wirtschaftsentwicklung dokumentieren.

In architekturhistorischer Hinsicht interessant ist die dichte Reihung erhaltener Empfangsgebäude aus der Entstehungszeit der Eisenbahn. Hier wird nicht nur der Wechsel vom Historismus (Morsbach) zu einer Formvariante der Übergangstile mit Anklängen an die englische Cottagearchitektur greifbar. Darüberhinaus wird durch die Abfolge der unterschiedlich gestalteten Bauten zwischen Wiehl und Waldbröl der Wunsch nach Formvielfalt deutlich. Wir finden hier in der Eisenbahnarchitektur des Wiehltales eine Parallele zum romantischen Städtebau, der mit malerischen Baumassenkompositionen und einer künstlichen Vielfalt von Formen einen Gegenpol zur eintönigen Rasterarchitektur und zum "Kasernenstil" der Zweckbauten im 19. Jahrhundert schaffen wollte. Die Diskussion um den Heimatschutz, die gerade in dieser Zeit aufflammte und 1904a zur Gründung des Deutschen Bundes Heimatschutz führte, passte gut zu diesem städtebaulich-architektonischen Leitbild. Der künstliche Romantizismus wurde allerdings auch schon bald wieder jener strengen Kritik unterworfen, die dann in das Zeitalter der klassischen Moderne mündete. Insofern sind die Empfangsgebäude im Wiehltal echte Kinder ihrer Zeit, und spiegeln den Wertewandel einer aufregend widersprüchlichen Epoche. Zu dem Gesamtbild zählt auch der durch Umnutzung leider etwas stärker durch Veränderung beanspruchte Bahnhof in Hermesdorf, wie auch der 1938 umgebaute Bahnhof in Wiehl. Es sind in ihrer Dokumentationskraft etwas schwächere Elemente in einer insgesamt betrachtet jedoch eindrucksvollen Gesamtreihe.

Etwas anders stellt sich die Bedeutung des Abzweigs von Hermesdorf nach Morsbach dar. Hier ging es weniger um die Erschließung von Steinbrüchen, sondern eher um die Komplettierung des Eisenbahnnetzes mit einer schnellen und komfortablen Verbindung des Wiehltales mit der Sieg. Dazu wurde eine technisch anspruchsvolle Bahnlinie mit den erwähnten Brücken, Viadukten und dem Kömpeler Tunnel gebaut. Technikhistorisch besonders interessant sind die Betonbauten. Beton ist zwar ein schon im 19. Jahrhundert bekannter und genutzter Baustoff. Wie etwa 100 Jahre zuvor bei Eisen und Stahl fehlten jedoch die Erfahrungen mit diesem Baustoff. Die statischen Grundlagen wurden erst Anfang des 20. Jahrhunderts geschaffen und publiziert, so dass erst nach 1900 vermehrt Betonbauten entstanden. Die Betonbrücken und Viadukte zwischen Hermesdorf und Morsbach müssen zu den Pionierbauten dieser Bauweise gezählt werden und sind daher technikgeschichtlich bedeutend.


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