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Fabrikbau von 1861. Foto 1996

 

 

 

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Bürogebäude von 1861 und Zwischentrakt im Hof. Foto 2007

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Objektführer / Aachen / Wollroute

Aachen_Tuchfabrik Hergett
Heinzenstr. 16

Texte und Dokumente
Walter Buschman: Die Tuchfabrik Hergett in Aachen

 

strasse
Straßenansicht. Foto 2007

Walter Buschmann
Die Tuchfabrik Hergett in Aachen

Geschichte
Die Tuchfabrik J. A. Hergett wurde 1830 gegründet und war an­fangs am Schweinemarkt (heute Templergraben) untergebracht. 1861 erfolgte die Umsiedlung des Unternehmens zur Heinzenstraße. Hergett hatte sich an der neuangelegten Mariahilfstraße ein Wohnhaus gebaut (Nr. 21) und auf dem bis zur Heinzenstraße durchgehenden Grundstück die aus vier Gebäuden bestehende Fabrikanlage bis 1867 errichtet. Schon 1861 war an dem neuen Standort eine gebrauchte Dampfmaschine mit 10PS Leistungskraft aufgestellt und abgenommen worden. Zum Rauchabzug diente ein 70 Fuß (=24,7 m) hoher Kamin. Ausweislich der Katasterkarten be­stand die Fabrik anfangs aus dem alten Fabrikbau(rechts) und dem Bürogebäude im Hof. Zwischen 1863 und 1867 wurde das dritte Gebäude und der Seitenflügel hinzugefügt. Trotz des Kamins ergaben sich Probleme mit den Nachbarn, die sich we­gen der Rauch- und Rußbelastung und über die daraus resultieren­den Schäden für die zum Bleichen ausgelegte Wäsche beschwerten. Hergett baute daraufhin 1865 einen neuen Kessel und wohl auch eine neue, stärkere Dampfmaschine.

1895 entstand eine neue Kraftanlage in einem rückwärtigen Anbau an das alte Fabrikgebäude mit Zweiflammrohrkessel und Kamin auf quadratJschem Grundriß. Die Konflikte wegen der von der Fabrik ausgehenden Emissionen hörten jedoch nicht auf und 1939 be­schwerte sich ein Nachbar, daß man kaum die Fenster öffnen, die Wäsche draußen trocknen könne oder im Garten sich aufhalten könne, "... da wir dermaßen mit Flugasche überschüttet werden, dass man meinen sollte, man wohnt neben einer Zeche."?

Nach dem Krieg wurde die Kesselanlage noch einmal erneuert. Die Fa. I. A. Hergett war auf dem Grundstück noch 1958 ansässig.

Beschreibung
Eingefügt in eine dichte Straßenrandbebauung sind die beiden Fabrikgebäude Teil der Fluchtlinie an der Heinzenstraße. Mit dem im hinteren Grundstücksteil liegendem Bürogebäude und einem Seitenflügel rahmen die vier denkmalwerten Gebäude einen engen Hof, der ursprünglich teilweise eingeschossig überbaut war.

Das Fabrikgebäude von 1861 steht mit seiner vierachsigen Schmalseite in der Fluchtlinie der Heinzenstraße. Es ist ein dreigeschossiger Backsteinbau mit Walmdach. In den stichbogigen Öffnungen mit Blausteinfensterbänken sind die kleinteiligen Metallsprossenfenster weitgehend erhalten.

Das Gebäude ist vollständig unterkellert mit einer Betondecke über dem Kellergeschoß. Die Geschoßdecken sind als Holzbalkendecken ausgebildet. Die ursprüngliche Erschließung durch eine zweiarmige Innentreppe in der Nordostecke des Gebäudes wurde in jüngerer Zeit ersetzt durch eine zweiläufige Betontreppe, die direkt hinter dem Mitteleingang in der siebenachsigen Seiten­fassade angeordnet wurde.

Als Anbau von 1895 befindet sich hinter dem Fabrikgebäude von 1861 das Maschinen- und Kesselhaus. Es besteht aus einem höheren Gebäudeteil in Stahlfachwerk mit Ausfachungen in Ziegeln und blauschimmernden Glasbausteinen und einem daran anschließenden flacheren Trakt. Im Gebäude sind technische Teile der Kraftanlage erhalten; der ehemalige Kamin wurde durch Sprengung restlos beseitigt.

Das Fabrikgebäude von 1865 wohl zusammen mit der neuen stärkeren Kessel- und Dampfmaschinenanlage entstanden steht mit seiner sechsachsigen Längsfassade in der Straßenflucht der Heinzenstraße. Es ist ein dreieinhalbgeschossiger Backsteinbau mit Walmdach, stichbogigen Fensteröffnungen mit Blausteinfensterbänken, in denen teilweise die kleinteiligen Metallsprossenfenster erhalten sind. An der Straßen- und Hofseite befinden sich gußeiserne Telleranker. In der weißgeschlämmten Hof­fassade gibt es eine mittig angeordnete große Türöffnung mit Natursteinlaibung und eine schmale Seitentür. Zur Straße ist in
die Fassade ein gußeisernes Schild eingelassen mit der Inschrift: J. A. Hergett Tuchfabrik. Die Innenkonstruktion be­steht aus Holzbalkendecken ohne Stützen.

Im rückwärtigen Grundstücksbereich befindet sich das Bürogebäude von 1861. Es ist ein dreigeschossiger Backsteinbau auf polygonalem Grundriss mit Walmdach, Stichbogenfenstern, Fensterbänken aus Blaustein und gusseisernen Tellerankern. In den Obergeschossen sind die Holzfenster in alter Teilung erhalten. Die seitlich angeordnete breite Türöffnung mit Natursteinlaibung und ursprünglich doppelflügeliger Holztür erschließt eine zweiläufige Holztreppe.

Zwischen dem Fabrikgebäude von 1865 und dem Bürotrakt erstreckt sich ein schmaler dreigeschossiger Seitenflügel, in dem sich eine einläufige Treppe befindet. Der Seitenflügel diente im 1. Ober­geschoß zur Verbindung von Büros und Fabrik.

Der zwischen die Fabriktrakte nachträglich eingefügte Zwischentrakt mit zweiachsiger Straßenfassade in Ziegelmauerwerk, breiter Tordurchfahrt und ebenso breitem Erdgeschoßfenster ist Teil der Gesamtanlage.

Bedeutung
Die Tuchfabrik J. A. Hergett ist eine der kleinen Produktions­stätten, die typisch waren für die Aachener Textilindustrie. Auch die innerstädtische Lage mit Einbindung in ein engbebautes Umfeld und den daraus resultierenden Problemen zwischen den Nutzungen Wohnen und Arbeiten war charakteristisch für die Aachener Situation.

Im Gebäudebestand ist die kleine Tuchfabrik nahezu komplett überliefert - es fehlen nur der Kamin und die eingeschossige innere Hofüberbauung. Die schlichte Zweckarchitektur mit
kubischen Baukörpern, einfachen Ziegelfassaden mit den schlicht darin eingeschnittenen Stichbogenfenstern und Blausteinfenster­bänken entspricht im architektonischen Ausdruck jener äußersten Zurückhaltung, Strenge und Geschlossenheit, die für den Fabrik­bau in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht nur in Aachen gültig war, und der für unser Jahrhundert zeitweise Vor­bildcharakter hat Die Nutzung der Gebäude, die ursprüngliche Anordnung der Dampf­maschinen und die Führung der Transmissionseinrichtungen ist noch ungeklärt und bedarf weitergehender industriehistorischer Forschung.

Literatur
Rouette, Hans-Karl: Aachener Textil-Geschichte(n) . Ent~icklungen in Tuchindustrie und Textilmaschinenbau der Aachener Region, Aachen 1992

Fischer, Wilhelm: Aachener Werkbauten des 18. und 19. Jahrhunderts, Diss. Aachen 1946 (Typoskript)


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