kopf

 
Home
News
Warum Industriekultur?
Veranstaltungen
Vereine, Museen, Archive
Projekte und Themen
Orte und Objekte
Impressum und Kontakt
Links

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 




 

 

 

 

 

Objektführer / Düsseldorf / Chemie

Düsseldorf_Fa. Henkel: Werks- und Baugeschichte

Texte
Walter Buschmann: Fa. Henkel: 'Werks- und Baugeschichte

1900
Henkel um 1900

Walter Buschmann
Fa. Henkel: Werks- und Baugeschichte

Bedingt durch Industrialisierung und Verstädterung ist der Alltag des Menschen in den letzten 150 Jahren in beispielloser Weise revolutioniert worden. Das betrifft die Verhältnisse des Arbeitens, Wohnens und der Freizeit, die exakte Einteilung des Tages durch die Uhr, Essen, Körperpflege, Fortbewegung und vieles andere mehr. In diesem Prozess spielte die Entwicklung spezifischer Lebens- und Hilfsmittel eine besondere Rolle. Ihrer Produktion widmeten sich ganze Industriezweige. Ein zentrales Hilfsmittel zur notwendigen Erleichterung der zuvor zeit-, arbeits- und bei der Rasenbleiche auch flächenextensiven Wäschereinigung war die Verbesserung der Waschmittel. Die Firma Henkel hat auf diesem Gebiet Kulturgeschichte geschrieben. Die vielfach und zum Teil auch sehr ausführlich dargestellte Firmengeschichte soll hier nur kursorisch, bezogen auf die Geschichte und speziell die Architekturgeschichte des Stammwerkes in Holthausen mit einigen Angaben zur Vorgeschichte rekapituliert werden.

Gegründet durch Fritz Henkel 1876 in Aachen unter dem Namen Henkel & Cie. erfolgte 1878 die Umsiedlung des Unternehmens nach Düsseldorf. Schon bald wurde die angemietete, zuvor leerstehende Seifenfabrik in Flingern 1880 durch einen Neubau an der Gerresheimer Straße ersetzt und 1884 durch eine Wasserglasfabrik ergänzt. Das Unternehmen produzierte als Mischung aus Wasserglas und Soda ein in handliche und preisgünstige Papiertüten und später in Faltschachteln abgepacktes Waschmittel, das zunehmend Absatz fand.

Als 1899 ein 5 ha großes Gelände in Holthausen mit Bahnanschluss und günstiger Verbindung zum neugeschaffenen Hafen Reisholz erworben wurde, war der entscheidende Schritt zum industriellen Großbetrieb getan. Fritz Henkel schrieb in  seinen Erinnerungen, dass in dem neuen Werk Holthausen alle Rohstoffe aus eigener Produktion kommen sollten. Die baulichen Anfänge waren jedoch bescheiden. Als 1900 die Produktion in Holthausen aufgenommen wurde, bestand die Anlage im Wesentlichen aus Wasserglas- und Bleichsodafabrik mit Kessel- und Maschinenhaus und Verwaltungsgebäude.

Die Entwicklung des Waschmittels Persil 1906/07 brachte den großen Wurf, mit dem der Weltruf der Fa. Henkel begründet wurde. Persil entstand aus 75 % Spezial-Seifenpulver dem seit 1898 verfügbaren Perborat (Per) und Silikat (sil). Persil bedeutete eine wesentliche Erleichterung des häuslichen Wäschewaschens: statt Einseifen, zweimaligem Kochen und kräftigen Reiben mit der Bürste auf dem Waschbrett empfahl die Fa. Henkel zukünftig nur noch das Einweichen der Schmutzwäsche mit Bleichsoda und anschließendes kurzes Kochen der Wäsche mit Persil. Mit einem aufwendigen Werbefeldzug (Pauline laß das Reiben sein!) und effektiver Verkaufsorganisation sollte das neue Waschmittel so bekannt werden wie Maggi, Kathreiner's Malzkaffee, Hoffmann's Stärke, Liebig's Fleischextrakt. Steigender Absatz bestätigte den Erfolg und das Werk Holthausen wuchs zur industriellen Großanlage.

1913
Henkel um 1910. Die Persilfabrik befindet sich in dem lang gestreckten, 4-geschossigen Komplex auf der rechten Seite. Auf der linken Seite ist die Seifenfabrik zu sehen.

Zentrales Bauwerk wurde die neue Persilfabrik, die bei angestrebter Eigenproduktion aller Rohstoffe zwangsläufig ergänzt werden musste durch eine Seifenfabrik (1906/07) und eine Ölfabrik (1911) in der aus Palmkernen und Sojabohnen das Fett zur Seifenherstellung gewonnen wurde. In einem 1909/10 erbauten Glyzerinwerk wurde dem Fett das für die Seifenherstellung unnötige aber für andere Produkte (z.B. Dynamit) verwendbare Glyzerin entzogen. Auch Bleichsoda- und Wasserglasfabrikation wurden ausgebaut. 1913 wurde das Verwaltungsgebäude an der Henkelstraße kräftig erweitert und ab Frühjahr 1914 entstand eine große neue Seifen- und Sodafabrik, die seit 1935 als Klebstoffwerk diente. 1916 lagen die Anfänge der bis heute - allerdings mit kräftigen Erweiterungen und Veränderungen - genutzten zweiten Wasserglasfabrik. Zu diesen Bauten im Kernbereich der Produktion kamen mehrere Ergänzungs- und Hilfsbetriebe dazu. Besonderes Augenmerk richtete das Unternehmen auch auf verschiedene Sozialeinrichtungen, die mit Stolz in den verschiedenen Jubiläumsschriften präsentiert wurden.

Bemerkenswert war die in fast allen Entwicklungsstadien auf Werksansichten festgehaltene Fabrikarchitektur. Waren die ersten Bauten noch nach Entwurf des Architekten Genschmer entstanden, war ab 1906 - also mit Beginn des Persilzeitalters - der Architekt Walter Furthmann für alle Bauaufgaben bei der Fa. Henkel zuständig. Der damals 33jährige Furthmann hatte zuvor mehrere Architekturwettbewerbe gewonnen, hatte das Rathaus in Hilden und den südlichen Stadtgrabenabschluß der Königsallee ausgeführt und war Fritz Henkel als Preisträger im Wettbewerb für das Rathaus Benrath aufgefallen. Furthmann wurde zum "Hausarchitekten" der Fa. Henkel und lieferte bis über das 70. Lebensjahr hinaus die Entwürfe für das Werk Holthausen.

Die Werksbauten von Furthmann galten mit ihren lebendigen Gliederungen aus gelben Verblendsteinen vor den zurückliegenden Wandflächen aus roten Ziegeln als glückliche Alternative zur Eintönigkeit älterer Fabrikbauten. Gelobt wurde der freundliche Eindruck, den diese Bauten machten und ihre Großzügigkeit, die viel Raum für freie Bewegung und bequemes Schaffen biete: "es sollten keine Stätten der Nüchternheit und des bloßen Nutzens, sondern Denkmäler der Arbeit geschaffen werden."

Die im Frühjahr 1914 begonnene neue Seifen- und Sodafabrik wurde erst nach Kriegsbeginn fertig gestellt. Sie wurde zunächst nicht in Betrieb genommen, sondern als Kriegslazarett eingerichtet. Spätestens 1916 aber war das Gebäude in die Produktion einbezogen mit sechs Riesen-Siedekessel zur Herstellung der für Persil notwendigen Kernseife. Zusätzliche Kessel dienten zur Herstellung des Rohmaterials für Persil. Das Rohpersil und das flüssige, heiße Seifenpulver wurden getrocknet, zerkleinert, auf Mahlstühlen zu feinem Pulver verarbeitet und zu Persil gemischt.

1925
Schaubild um 1925. Am linken Bildrand ist die Seifen- und Sodafrik zu sehen. Als Ergänzung zum Verwaltungsgebäude wurde in die ehemalige Werkseinfahrt 1923 ein Turmbau gesetzt.

1920 trat eine wesentliche Änderung im Produktionsgang ein. Mit Einführung des "Krause verfahrens" war es gelungen, Persil und andere Pulverprodukte in Zerstäubertürme kontinuierlich und großtechnisch herzustellen. Es entstand die Trocken- oder Zerstäuberanlage - ein Betonbau mit Backsteinaußenwänden, der noch heute eine faszinierende Innenarchitektur bietet. In den Zerstäubertürmen, die in den Seitenschiffen des großartigen Fabrikgebäudes unter den Emporen standen wurde das flüssige Mischgut aus Soda, Seife und Wasserglas auf eine rasch rotierende Zerstäuberscheibe gegeben. Durch den gewaltigen künstlichen Luftstrom im Inneren der Türme kristallisierten die aufspritzenden Partikel zu Pulver. Die Krauseanlage hatte einen enormen Rationalisierungseffekt. Die Arbeit von früher 200 bis 220 Mann konnte nun durch 16 Mann erledigt werden. Die alten Zerstäubertürme existieren nicht mehr und das Gebäude selbst ist leider im Außenbau stark verändert. Die außen aufgestellten neuen Zerstäubertürme prägen heute stark das Bild der Werksanlagen.

Gleichzeitig mit dem neuen Produktionsverfahren für Persil wurde als weiteres Markenprodukt 1920 das Scheuermittel Ata eingeführt. Ata wurde bis 1935 im Gebäude der Seifen- und Sodafabrik hergestellt. Seit 1923 wurde hier auch Klebstoff zunächst in bescheidenem Rahmen produziert.

Die 1920er und 1930er Jahre waren in der Unternehmensentwicklung insbesondere durch Beteiligungen, Übernahme und Gründung von Werken in Deutschland und im Ausland gekennzeichnet. Die Expansion des Unternehmens musste zwangsläufig im zentralen Stammwerk Holthausen zu einer Vergrößerung der Verwaltung führen. Die baulichen Maßnahmen am Verwaltungskomplex waren Mitte bis Ende der 1920er Jahre die prägenden Ereignisse in Holthausen. Sie setzten ein mit dem Ausstellungsgebäude der Fa. Henkel für die Gesolei (Ausstellung Gesundheitswesen - Soziale Fürsorge - Leibesübungen) 1926 in Düsseldorf. Der Ausstellungsbau wurde 1927 als Gesolei-Saal dem Verwaltungskomplex angegliedert wurde. Ab 1928 wurde die Verwaltung erweitert, aufgestockt und mit den Stilmitteln der 1920er Jahre umgestaltet. Zentrales Bauwerk wurde der 1923 erbaute, 1929/30 aufgestockte und umgestaltete Turm mit opulenter Eingangshalle. Herauszuheben ist unter den Bauten dieser Periode auch das als architektonische Sehenswürdigkeit bezeichnete Dr.-Hugo-Henkel-Schwimmbad. Der Architekt Walter Furthmann lieferte mit diesen Bauten einen wesentlichen Beitrag zur Formenwelt der Düsseldorfer Schule, die mit Namen wie Peter Behrens, Wilhelm Kreis und Emil Fahrenkamp verbunden ist.

Die 1930er Jahre wurden im Stammwerk Holthausen geprägt durch den Neubau der Ölfabrik (1931), Bau des Haupt-Laboratoriums (1932/33), den Bauten für das Kraftwerk (1935) und den Neubau der ATA-Fabrik (1934). Die Seifen- und Sodafabrik wurde 1935 in ein Klebstoffwerk umgebaut für die seit 1933 erfolgreiche Klebstofffabrikation.

Im 2. Weltkrieg erlitt das Henkel-Stammwerk Holthausen nur wenig Kriegsschäden. Die bauliche Substanz blieb fast unberührt. Der Gesolei-Saal wurde 1945 bis 1948 vom städtischen Schauspielhaus für Theater-, Opern, Operetten- und Balettaufführungen genutzt. Parallel fanden in dem Saal bis 1949 81 Sitzungen des Landtages für das neugeschaffene Land Nordrhein-Westfalen statt. Ebenso wurden Filme für Besatzungsoldaten in dem Saal aufgeführt.

Nach dem Verlust der mitteldeutschen Tochterfirmen (Werk Genthin, Böhme Fettchemie, Deutsche Hydrierwerke) sollte durch Erweiterungen im Werk Holthausen ein Ausgleich geschaffen werden. Nach 1945 erlebte das Werk dadurch seine größte Ausbauperiode. Es entstanden die Fettchemischen Betriebe, neue Zerstäubertürme, die Verwaltung II (= Böhme- Bau) und 1955 das neue Klebstoffwerk im Nordviertel. Dann wuchs das Henkel-Werk südlich über die Henkelstraße hinaus. 1959-61 und 1965-67 entstand das neue Forschungszentrum nach einer Planung von E. Petersen und W. Köngeter mit dem Architekturbüro der Fa. Henkel unter S. Wilms. Einen großzügigen Platz mit Grünanlagen und Besucherparkplatz umschließend entstanden gegenüber dem Haupteingang 1959-61 und 1968-76 weitere Verwaltungsbauten, das Fritz-Henkel-Haus für Vertriebsberatung und das Kasino-Süd.

all Copyrights reserved / Alle Rechte der Texte und Bilder dieser Homepage
verbleiben beim Verfasser bzw. Hersteller:
©Rheinische Industriekultur e.V. 2004-2006