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Objektführer / Hürth Hürth_Goldenberg-WerkDokumente und Texte Kurztext
Walter Buschmann: Das Goldenberg-Werk in HürthGeschichte und erste WachstumsphasenZu den wichtigen Entwicklungsschritten der Menschheitsgeschichte gehört die Erzeugung von Strom mit den bekannten Folgen für Industrialisierung, Stadtentwicklung und Alltagsleben. Nach den ersten öffentlichen Kraftwerken in Deutschland, die 1885 in Berlin erbaut wurden mit zahlreichen Nachfolgern auf kommunaler Ebene in den anschließenden zwei Jahrzehnten war die zweite Phase der Kraftwerksentwicklung (1908 - 18) durch Entstehung der Großkraftwerke „auf der Kohle„ gekennzeichnet. Diese Großkraftwerke wurzelten zugleich in dem sprunghaften Wachstum der Elektrizitätswirtschaft und der Entdeckung der Braunkohle als Energiequelle zur Stromerzeugung. Neben dem von Walther Rathenau und seinem Ingenieur Georg Klingenberg in Mittel- und Ostdeutschland für die AEG realisierten, gewaltigen Ausbau der Stromerzeugung bestimmte im Westen das Rheinisch-WestfälischeElektrizitätswerk (RWE) mit Hugo Stinnes und seinem Ingenieur Bernhard Goldenberg diese Entwicklungsphase. Sie wird geradezu exemplarisch in Entstehung und Wachstum des Goldenberg—Werkes in Hürth deutlich. Nachdem das RWE 1898 in Essen gegründet worden war und seit dem 1.4.1900 in der Stammzentrale Viehof er Straße Strom mit Steinkohle erzeugte erfolgte 1906, als Hugo Stinnes bereits die dominierende und stets auf Expansion bedachte Persönlichkeit des Unternehmens geworden war durch Ankauf des Kraftwerkes Berggeist bei Brühl der Sprung ins Braunkohlerevier. Getrieben durch den explosionsartig sich entwickelnden Strommarkt schloß das RWE am 12.11.1912 mit der Roddergrube einen Kohlenlieferungsvertrag. Die Roddergrube betrieb damals mit „Vereinigte Ville„ die zweitgrößte Grube des Reviers mit einem Kohlevorkommen von 56 Metern Mächtigkeit unter einer Deckschicht von 12 Metern. Am Rande des Tagebaus entstand durch die Roddergrube unter dem Namen „Vereinigte Ville„ seit 1902/03 eine riesige Brikettfabrik. Im unmittelbaren Anschluß daran war das neue Großkraftwerk der RWE geplant. Als Hugo Stinnes 1912 per Zug und Dienstwagen mit seinem Ingenieur Bernhard Goldenberg von Essen nach Hürth anreiste, um den Bauplatz zu besichtigen und den Bau des Großkraftwerkes, der zunächst sogenannten „Vorgebirgszentrale„ vor Ort zu besprechen fand er also nicht mehr unberührte Landschaft vor. Die Kohleversorgung aus dem Tagebau „Vereinigte Ville„ und die zugehörigen Brikettfabriken waren die Basis für die Kraftwerksplanung. Bernhard Goldenberg, nach dem das Kraftwerk benannt wurde, lieferte das technische Konzept und der Essener Architekt Alfred Fischer schuf die zugehörige Architektur. Im April 1914 konnte das Kraftwerk nach zwölfmonatiger Bauzeit zunächst mit zwei 15 MW (Megawatt) Turbinen den Betrieb aufnehmen.
Wie an anderer Stelle im Kraftwerkbau hinkte auch das Goldenberg-Kraftwerk hinter dem prognostizierten Strombedarf hinterher. Nachdem in den nächsten beiden Ausbaustufen bis 1918 vier 15 MW Turbosätze zugefügt wurden wuchs das Kraftwerk anschließend wie ein „Bovist„, wie es sehr anschaulich an einem zeitgenössischen Aufsatz ausgedrückt wurde. Noch während des Ersten Weltkrieges bestellte Bernhard Goldenberg 1916 die ersten 50 MW-Turbosätze. Dies war ein Sprung in eine bisher noch nicht bekannte Größenordnung, da die bis dahin größten Turbinen nur 20 MW hatten. Derart große Maschinensätze galten damals auch als problematisch, weil der Ausfall nur einer einzigen Maschine einen großen Leistungsabfall des betroffenen Werks nach sich ziehen würde. Goldenberg, der 1917 früh starb erlebte die Aufstellung dieser Turbinen nicht mehr. 1924 waren vier dieser Großmaschinen im erweiterten Maschinenhaus aufgestellt. Das Goldenberg-Werk war nun mit 290 MW das größte Kohlekraftwerk Europas bis es 1928 von dem stets um die Vorrangstellung in Europa bemühten Kraftwerk Zschornewitz bei Dessau überflügelt wurde. In einer weiteren Ausbaustufe wurden in dem noch einmal verlängerten Maschinenhaus bis 1936 drei weitere 50 MW Turbosätze aufgestellt, so daß das Goldenberg-Werk nun auf eine Leistung von 390 MW kam. Technik und Architektur des Goldenberg-Werkes um 1936 Bernhard Goldenberg orientierte sich in der Gesamtdisposition an den von Georg Klingenberg für die AEG seit dem Kraftwerk Heegermühle 1909 verwirklichten Grundsätzen, mit T-förmiger Anordnung von Maschinenhaus und Kesselhäusern. Die Grundrißfigur war jedoch nicht einfach kammnförmig wie bei den typischen Klingenberg Kraftwerken, sondern wie ein zweiseitiger Kamm, da die flügelartigen Kesselhäuser wie die Zinken eines Kammes an beiden Seiten des Maschinenhauses angefügt worden waren.
Die Bekohlung erfolgte vom Tagebau „Vereinigte Ville„ über das Gelände der Brikettfabriken hinweg mit Kettenbahnen in Grubenwagen. Die Wagen wurden mit Kreisel- und Kopfwippern entleert, die Kohle in Walzenbrechern auf die richtige Korngröße gebracht und mit Becherwerken in die Bunker der Kesselhäuser gefördert. In den sechs in Stahlfachwerkbauweise errichteten Kesselhäusern standen 68 Hanomag—Steilrohrkessel, die ursprünglich mit einfachen Steilrosten und nach Umrüstung 1924 mit Verschub-Treppenrosten ausgestattet waren. Die Bunker waren in Längsrichtung der Kesselhäuser unter den zweifach gestuften Firsten angeordnet. Die Kohle gelangte durch eigenes Gefälle auf die Kesselroste. Den Kesselhäusern zugeordnet waren jeweils zwei Schornsteine, die als „die 12 Apostel„ in die Literatur eingingen. Die 110 Meter hohen Schornsteine wurden 1929 - 30 auf 126 Meter erhöht. Vier dieser Schornsteine, davon drei mit kombinierten Wasserhochbehältern sind erhalten (in 1970er Jahre auf 80 Meter reduzIert). Zwischen den Kesselhäusern lag das in mehreren Bauabschnitten 1913 - 36 als Massivbau mit verputzten Fassaden entstandene und teilweise erhaltene Maschinenhaus. Die sechs 15 MW Turbinen waren in der damals üblichen Weise quer zur Maschinenhausachse eingebaut, während die 50 MW Turbosätze paarweise in Längsrichtung standen. Die 13. Turbine wurde in Mittellage zwischen die Maschinen 8 bis 12 eingefügt. Die Schalttafeln aus Marmor und Schiefer waren auf einer Empore an einer Längsseite des Maschinenhauses untergebracht. Die 50 MW-Turbosätze wurden von geschlossenen Schalträumen auf Höhe dieser Empore an der Längsseite des Maschinenhauses überwacht und geschaltet. An dieser Längsseite des Maschinenhauses wurden die Trafozellen in einem langgestreckten Seitenflügel für die 25 kV-Schaltanlage angefügt, mit über diesem Seitenflügel aufragenden Treppenhäusern. Als Kopfbau war und ist dem Maschinenhaus das Verwaltungsgebäude vorangestellt. Der dreigeschossige Putzbau war durch einen turmartigen Eckbaukörper akzentuiert. Im Zusammenspiel mit dem treppenartigen Giebel des Maschinenhauses, der über den Verwaltungstrakt hinwegragte dominierten im Gesamtbild die horizontalen Trauf- und Gesimsbänder. Alfred Fischer wandte sich damit gegen die von Klingenberg geforderte Vertikalordnung. Klingenberg lehnte die horizontalen Gesimse und Bänder wegen den dort möglichen Rußablagerungen ab. Fischer ergänzte die dominante Horizonalordnung durch die wie Stützen wirkenden, gebäudehohen Fensterpfeiler, indem er die Fensterbrüstungen zurückliegend ausbildete. Besonders betont war der Haupteingang. Über zwei gerade, zweiläufige Treppen wird eine geschlossene Eingangsloggia erschlossen. Auf den massiv gemauerten Treppenbrüstungen waren Kugeln aufgelegt. Die vier Pfeiler hinter dieser Eingangsarchitektur waren kanneliert und näherten sich mit ihren stilisierten Kapitellen einer neoklassizistischen Pilasterarchitektur. Wesentliches Gestaltungsmittel waren und sind die auf den Haupteingang achsial ausgerichteten sechs Kühltürme. Es sind Naturzugkühler in genieteter Stahlkonstruktion mit ursprünglich hölzernem Rieselwerk. Die Kühltürme steigern die Monumentalwirkung der Gesamtanlage, da sie die vom Maschinenhaus und den Schornsteinen formulierte Hauptorientierung der Anlage unterstreichen. Bedingt durch den gewaltigen Ausbau des Kraftwerkes in den 1920er Jahren mußten auf der anderen Seite des Maschinenhauses acht weitere Kühltürme errichtet werden. Ebenfalls in der Längsachse entstand seitlich vom Maschinenhaus die 110 KV-Anlage als langgestreckter Putzbau mit Walmdach (nicht erhalten), sowie weiterhin die Werkstatt, Wasseraufbereitung und eine Reihe von Wohnhäusern, von denen heute noch zwei, darunter das Haus des Betriebsleiters erhalten sind. Krieg und WiederaufbauMit dem Bau des spitzkegeligen Bunkers, der im unteren Bereich eine Befehlsstelle für das Kraftwerk hatte war 1940 Vorsorge für den Krieg und die offenbar schon zu dieser Zeit befürchteten Fliegerangriffe getroffen worden. Im Oktober 1943 fielen die ersten Bomben auf das Werk. Die Fliegerangriffe vom Oktober bis Dezember 1944 führten zur Stillegung der Anlage. Erst Ende 1945 konnten die ersten Turbinen (7 und 8) wieder in Betrieb genommen werden. Fünf weitere Turbinen folgten in den Jahren 1946 - 48, so daß mit den alten Stromerzeugern wieder eine Leistungskraft von 350 MW erreicht war. Zur ersten Wiederaufbauphase gehört auch der an Stelle des alten Verwaltungsgebäudes neu erstellte Trakt, der seit 1949 dem Maschinenhaus als Kopfbau im Westen vorgelagert ist. Die Planungen nach dem Krieg gingen jedoch weit über den baulichen und technischen Bestand — so wie er nach den Kriegsschäden noch benutzbar war — hinaus. Analog zu anderen Kraftwerken 9 wurde auch für das Goldenberg-Werk eine Vorschaltanlage konzipiert. Die Planung erfolgte schon 1946 durch Brown, Boverie & Cie. Die Anlage entstand 1950/51 mit Mitteln aus dem Marshallplan als unabhängiges Bauwerk mit drei Blöcken, die jeweils aus vier Kesseln und zwei Hochdruck—Turbosätzen (34,3 MW) bestanden (Gesamtleistung 205,8 MW). Die Vorschaltanlage wird derzeit (1997) abgebrochen. Ein Jahr nach Fertigstellung der Vorschaltanlage begann Ende 1952 der Bau einer Hochdruck-Kondensationsanlage. Anstelle der Kesselhäuser 1 und 2 entstanden zwei neue, mächtige Kesselhausbauten, die das alte Maschinenhaus kräftig überragten und im Maschinenhaus wurden erstmals in Deutschland 100 MW—Turbosätze aufgestellt, die auch weltweit zu den größten ihrer Art gehörten. Das Goldenberg—Werk war nach Inbetriebnahme dieser Turbinen Anfang 1953 mit 755,8 MW wieder das größte Braunkohlen-Kraftwerk Europas. Zur Vorschalt- und HD-Anlage gehörte eine neue Bekohlung mit Grabenbunker und weitläufigen Bandbrücken, die 1953 fertiggestellt wurde. Die Rohkohle kam nun über eine fünf Kilometer lange Verbindungsbahn aus dem Tagebau Vereinigte Ville. Die von Elektrolokomotiven gezogenen Züge mit sechs, später acht Wagen wurden im Tagebau von den Baggern beladen und brachten ihre Fracht zum Grabenbunker des Goldenberg-Werkes. Eine Lokomotive dieser Elektrobahn von 1948 mit Wagenpark ist erhalten und wird als denkmalwert eingestuft. Ebenfalls in Zusammenhang mit der HD-Anlage entstand ein neuer Naturzugkühler, der mit ca. 75 Metern Höhe seit 1952 zu einem weit in das Umland ausstrahlenden Blickpunkt wurde. 1957/58 wurden im Maschinenhaus zwei weitere 100 MW-Turbosätze und 1959 ein Vorschaltkessel zugefügt. Die alten Kesselhäuser waren inzwischen sämtlich abgebrochen worden. Als vorläufig letzte große Baumaßnahme auf dem Kraftwerksgelände entstanden im Bereich der Stromerzeugung unter Teilabbruch des alten Maschinenhauses 1991 - 93 neue Kessel— und Maschinenanlagen. Die Kessel 1 und 2 wurden stillgelegt und die Bekohlung durch Bau neuer Bandbrücken und Bunker an den neuen Kesseln DE„J„ und DE„K„ geändert. Aus der bewegten Geschichte des Goldenberg-Werkes blieb eine Anlage überliefert, die aus Bauwerken der Gründungszeit und der Nachkriegszeit (HD—Kondensationsanlage) interessante und bedeutende Kapitel der Kraftwerksgeschichte in Deutschland dokumentiert. Die GesamtanlageErrichtet auf einen Höhenrücken des Vorgebirges (Ville) liegt das Goldenberg-Werk in dominanter Lage über dem Flachland der Kölner Bucht und der Stadt Hürth. Das Kraftwerk wurde eingerahmt von den Brikettfabriken Vereinigte Ville und Berrenrath, der AG für Stickstoffdünger (Fa. Hoechst), der Gold- und Silberscheideanstalt (Degussa) und der Rheinischen Elektrodenfabrik. Die Anlagen sind teilweise noch in Betrieb, so daß das Goldenberg-Werk auch heute noch Teil eines großen industriellen Komplexes ist. An zwei Seiten des Werksgeländes führt die Trasse der Köln-Bonner-Eisenbahn im Geländeeinschnitt vorbei. Das Industriegebiet, zu dem das Goldenberg-Werk gehört ist an drei Seiten von inzwischen ausgekohlten Tagebauen des Braunkohlenbergbaus umgeben. Beeinflußt durch die topographische Situation und die Dominanz einiger Gebäudeteile des Kraftwerkes (Schornsteine, Kühltürme, Kesselhäuser) hat das Goldenberg-Werk die Qualität einer Landmarke im südwestlichen Umland von Köln. Das Goldenberg-Werk wird in seiner Gesamtdisposition nach wie vor durch die Grundidee der Entstehungszeit geprägt. Maschinenhaus, Schornsteine und Kühltürme definieren eine langgestreckte Hauptachse. Dabei sind die sechs Kühltürme axial auf den Haupt-eingang zum Verwaltungsgebäude ausgerichtet. Quer zur Hauptachse standen die nicht erhaltenen Kesselhäuser, sowie die von Nordwesten herangeführten Bekohlungsbänder und die entgegengesetzt von Südost sich nähernde baumbestandene Erschließung für die Beschäftigten des Kraftwerkes. Die erhaltene Allee zeugt noch von diesem Gedanken der aus diametralen Richtungen zusammengeführten Rohstoffe und Arbeitskräfte, aus deren Begegnung letztlich das Produkt Strom entsteht. Maschinenhaus, 1914/15, Arch.: Alfred Fischer Seitlich ist der südlichen Traufseite der Halle auf ganzer Länge ein niedrigerer Seitentrakt angefügt, in dem ehemals die 25 kVSchaltanlage und die zugehörigen Transformatoren standen. Über diesem Seitentrakt erheben sich erkerartige Treppenhäuser, die mit einem turmartigen Gebäudekörper des Verwaltungsgebäudes korrespondieren. An diesen Gebäüdeteilen, wie auch am Giebel des Maschinenhauses ist die von Alfred Fischer entwickelte Formensprache mit kräftigen, einfach gestuften Traufgesimsen und Horizontalbändern noch am besten ablesbar.
Inneres: In der Halle sind die zur Hochdruck—Kondensationsanlage gehörenden Siemens/BBC-Turbosätze von 1952 - 54 erhalten. Es sind dreigehäusige Turbinen mit Hoch-, Mittel- und Niederdruckteil. Nach Umbauten (1990 - 93) leistete die Maschine E noch 87 MW und die Maschine F 103 MW. Beide Maschinen wurden 1996 stillgelegt. Kesselhäuser 1 und 2, 1952/53Die beiden ca. 50 Meter hohen Kesselhäuser sind Stahlkonstruktionen mit Stahlfachwerkfassaden. Zur Belichtung dienen vertikale Fensterbänder mit Metallsprossen, die hochrechteckige Scheibenformate ergeben. Mittig zwischen den Kesselhäusern und jeweils seitlich von ihnen befinden sich die sog. Schwerbauten in Betonkonstruktion mit Bekohlungseinrichtungen und Bunkern. Der mittlere Schwerbau enthält zwischen den Kesseln das Speisewasserpumpenhaus mit der Wärmewarte. Er ist über geschlossene Bandbrücken in Stahlfachwerkbauweise mit den seitlichen Schwerbauten und einem direkt vorgelagerten Eckturm verbunden. Von diesem Eckturm aus gab es eine nicht mehr vorhandene Verbindung mit geschlossenen Bandbrücken zu den Ecktürmen der Vorschaltanlage und darüber hinaus zum Grabenbunker. Auf Erdge schoßebene ist Kesseln und Schwerbauten eine langgestreckte Halle in Stahlbetonkonstruktion für die Hauptwerkstatt vorgelagert. Das äußere Erscheinungsbild der Kesselhäuser wird vom Wechsel zwischen den dunkelroten Bauteilen aus Stahlfachwerk und den hellen Stahlbetonbauten für Bunker, Bekohlung und Werkstatt geprägt. Die Fassade des westlichen und die Stirnseite des mittleren Schwerbaus sind mit großzügigen Fensterflächen verglast, deren Metallsprossen hochrechteckige Formate bilden. Die Betonoberflächen sind durch spezielle Schalungstechniken in schmale, längliche Felder strukturiert. Inneres: Zu den wichtigen Ausstattungsteilen gehören die sechs Speisewasserpumpen, die sich zwischen den beiden Kesselhäusern befinden und die über diesem Speisewasserpumpenraum liegende Wärinewarte, die von diesem Raum aus über eine der Monumentalarchitektur entlehnten, zweiläufigen Treppe erschlossen wird. Die Wärmewarte bietet über Glasflächen einen zentralen Blick sowohl zur Maschinen— wie auch zur Kesselseite. Schornsteine 1 - 4, 1914/15
Kühltürme 1 — 6, 1914 — 18/um 1950 Die 40,5 Meter hohen Stahlkonstruktionen stehen auf Betontassen mit 5 bis 6 Meter Tiefe. Die Türme haben oben einen Durchmessern von 25,5 Meter. Der stündliche Wasserdurchsatz beträgt 7700cbm. Kühlturm 8, 1952 Verwaltungsgebäude, 1913/14 1949/1955 Nach Kriegsschäden wurde das Gebäude unter Einbeziehung alter Bausubstanz erneuert und dient seither nur noch für Verwaltungszwecke sowohl für die technische, wie auch für die kaufmännische Abteilung. Der an der Südwestecke gelegene turmartige Baukörper zeigt noch am deutlichsten die Fonmensprache Alfred Fischers mit den kräftigen Horizontalgesimsen und zurückliegenden Fensterbrüstungen, so daß die Fensterpfeiler wie Stutzen wirken. Im Erdgeschoß sind die beiden äußeren Fenster jedoch dazugekommen und in der oberen Zone waren die Fenster wie horizontale Lichtbänder ausgebildet. Der anschließende, dreigeschossige Baukörper mit 20 Achsen lehnt sich nur mit seinem profilierten Traufgesmms noch an die ursprüngliche Gestaltung an. Die schlichte Lochfassade, in der nur der Eingangserker des Haupteingangs mit großem Treppenhausfenster und ein zweiter Eingangserker für einen Nebeneingang betont sind paßt sich im Charakter den Bauten der HD-Anlage an. Die Fassadenverblendung mit flach aufgelegten, glasierten Ziegelsteinen ist noch eine Reminiszens an Backsteinarchitekturen der 1920er Jahre. 1955 wurde an das Verwaltungsgebäude ein Quertrakt angefügt. Werkstatt, um 1916 Wohnhäuser, 1914 - 15 Beide Häuser sind quaderförmige Putzbauten mit hohen Walmdächern über auskragender Traufe. Die schlichten Lochfassaden sind leider beim Betriebsleiterwohnhaus durch Änderung der Fensteröffnungen beeinträchtigt. Auch die Grundrisse sind durch Einfügung von Büronutzungen verändert. Die Häuser erinnern an die von Alfred Fischer für den Wohnhausbau bis in die 1950er Jahre hinein vertretenen Grundhaltung 13 bei Verwendung einfacher, kubischer Großfortnen die ganze Gestaltungskraft auf eine gute Proportionierung der Einzelteile zu konzentrieren. Als flankierende Eckbauten für einen der ehemaligen Zufahrtswege zum Kraftwerk sind die beiden Häuser auch wichtige Bestandteile der Gesamtanlage. Lokschuppen, um 1916 Luftschutzbunker, 1939/40 Die Erzeugung und Nutzung von Strom war ein wichtiger Schritt in der Menschheitsgeschichte. In der Geschichte der Stromerzeugung lassen sich mehrere Phasen unterscheiden, die auch abhängig waren vom mit rasender Geschwindigkeit steigenden Stromverbrauch. Die Nutzung des Stromes für den Verkehr und vor allem sein Einsatz in der Industrie machte den Bau von Großkraftwerken notwendig, die überwiegend als sogenannte Überlandzentralen abseits der großen Städte in den Montanrevieren entstanden. In dieser Phase der ersten Großkraftwerke spielte das Goldenberg— Werk neben dem Kraftwerk Zschornewitz bei Dessau eine überragende Rolle. Es war stets eines der größten Kraftwerke und hat durch die Größenordnung der verwendeten technischen Aggregate häufig eine Pionierrolle übernommen. Das gilt für die Gründungszeit des Kraftwerkes mit den 15 und besonders mit den 50 MW Turbosätzen und das gilt für die Zeit des Wiederaufbaus mit den 100 MW Turbosätzen und den Großkesseln mit einer Leistung von 400 t Dampf pro Stunde. Zwar sind die Maschinen der Gründungszeit nicht mehr erhalten, doch verweist die Größenordnung verschiedener Bauteile (Schornsteine, Kühltümme 1 — 6, Abmessungen des Maschinenhauses) auf die für die Bauzeit gewaltige Leistungskraft des Goldenberg-Werkes. Der 1952/53 durch die HD-Kondensationsanlage erreichte Entwicklungssprung ist auch direkt an den Maschinen und Kesseln noch nachvollziehbar. Das Goldenberg— Werk ist also ein wichtiges Dokument für die Geschichte der Kraftwerke und damit für die Geschichte des Menschen. Damit verbunden sind auch Aspekte der Allgemeingeschichte. Die gewaltige Kapazität der Gründungsanlage verweist auf die Dynamik des Industrialisierungsprozesses kurz vor dem Ersten Weltkrieg, aber auch auf den Entwicklungsschub, der durch den Krieg selbst verursacht wurde. Denn die 50 MW Turbosätze wurden 1916 bestellt, waren also auf die vom Krieg verursachte Bedarfssteigerung ausgerichtet. Eine ähnliche Tendenz hat es für Zschornewitz gegeben. Eine gleichartig wichtige historische Dimension hatte der Wiederaufbau mit Hilfe amerikanischer Gelder. Erst angesichts dieser Technik und dieser Architekturen wird verständlich, wie ein durch den Krieg verwüstetes Land mit westlicher Hilfe wieder Anschluß finden konnte an den internationalen Standard. Die Tatsache, daß man nicht einfach an das Niveau der Vorkriegszeit anknüpfte, sondern gleich in neue Größenordnungen vorstieß zeigte, daß Westdeutschland als Motor für die Entwicklung in Westeuropa und als erfolgreiches Frontland gegen den Osten ausgebaut werden sollte. Auch in regionalgeschichtlicher Hinsicht ist das Goldenberg-Werk von großer Bedeutung. Seit dem ersten ernstzunehmenden Kraftwerk im westdeutschen Braunkohlenrevier, dem Kraftwerk Berggeist bei Brühl von 1898 war der Strom aus Braunkohle zum wichtigsten Produkt dieses Reviers geworden. Die Entwicklung des Braunkohlenbergbaus wäre ohne die Kraftwerke im Revier nicht denkbar gewesen. Neben Goldenberg ist insbesondere das Kraftwerk Fortuna bei Bergheim (1911), das Kraftwerk Zukunft bei Weisweiler (1913) und das Kraftwerk Frmmmersdorf bei Grevenbroich (1925) zu nennen. Daneben gab es zahlreiche Kraftwerke auf den einzelnen Bergwerken. Von der frühen Geschichte dieser Kraftwerke vor 1914 sind keine Zeugnisse erhalten geblieben. Die beschriebenen Bauten des Goldenberg-Werkes aus der Gründungszeit des Kraftwerkes sind also die ältesten Dokumente der Stromerzeugung im Revier und sind damit bedeutend für die Geschichte der Region. Von überragender Bedeutung ist das Goldenberg-Werk auch für die Architekturgeschichte. Der seit 1909 im Rheinland tätige Alfred Fischer wurde 1911 (bis 1933) Direktor der Handwerker- und Kunstgewerbeschule in Essen und war eine zentrale Persönlichkeit bei der Entwicklung einer neuen Architektursprache. Die „Essener Schule„, der Fischer zuzurechnen ist wies einen über das Rheinland hinaus bedeutenden Weg aus Historismus und den Übergangsstilen der Jahrhundertwende zur Architektur der klassischen Moderne. Fischer konzentrierte sich auf Industriebauten mit dem Motiv, aus dieser Bauaufgabe heraus neue Formen zu entwickeln. Die Tagesanlagen der Zeche Sachsen in Hamm (ab 1912), das Pumpwerk Alte Emscher in Duisburg (1914) und die dem GoldenbergWerk benachbarte Elektrodenfabrik gelten als Meilensteine der Architekturgeschichte zumindest für den westdeutschen Bereich. Zu den häufiger publizierten Bauten der Elektrodenfabrik (nicht erhalten) schrieb Müller-Wulkow 1919: die Architektur „... verrät jedenfalls zur Genüge die Kraft zur Bewältigung stärksten dynamischen Ausdrucks mit einfachsten Formen. Hierbei sind die Möglichkeiten technischer Gestaltung und architektonischer Durchbildung so klar erkannt, wie nur in wenigen Industriebauten unserer auf diesem Gebiet so tätigen Generation und es ist damit ein Typus geschaffen, der sich der Turbinenhalle der AEG und den Silobauten ebenbürtig anreiht.„ Die als Inkunabel der Architekturgeschichte geltende Turbinenhalle der AEG von Peter Behrens in Berlin wurde also gleichgestellt mit den zeitgenössischen Industriebauten von Alfred Fischer in Hürth. Da die Fischer-Bauten der Elektrodenfabrik nicht mehr erhalten sind muß es geradezu als Glücksfall gelten, daß diese wichtige Schaf fensperiode im Werk des Architekten wenn auch nur rudimentär im Goldenberg-Werk überliefert ist. LiteraturHeribert Sponheuer, 75 Jahre Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk (RWE) 1898 - 1973, in: Das Münster am Hellweg 27, 1974, Heft 10, S. 153 — 174 Adolf Zimmermann, Rheinisch-Westfälische Reisebriefe, in: Tägliche Rundschau 9., 11. und 26. Mai 1926 Georg Klingenberg, Bau großer Elektrizitätswerke, Berlin 1913 Willy Kretschmann, Neuzeitliche Braunkohlen-Großkraftwerke, in: Braunkohle, Wärme und Energie 1953, Heft 19/20, Karl Schröder (Hg), Große Dampfkraftwerke. Planung, Ausführung und Bau , Bd. 1 Kraftwerksatlas, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1962, 5. 422 Franz Vaeßen, Der Kaminkühler für 16000 in 3 Stundenleistung auf dem Goldenberg-Werk, in: Beton- und Stahlbetonbau 47, 1952, 5. 1 — 5 Alfred Fischer, Wohnhausfomm, Ravensburg 1950 Walter Müller-Wulkow, Arbeiten des Architekten Alfred Fischer in Essen, in: Die Rheinlande 29. Bd. 1919 |
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