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kessel
Kessel im Kesselhaus. Foto 2009

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 
Objektführer/ Köln / Chemie

Köln_Rheinische Gummiwarenfabrik Clouth
Niehler Straße

Texte und Dokumente
Walter Buschmann: Rheinische Gummiwarenfabrik Franz Clouth Köln

 

 

schaubild
Schaubild 1925


Walter Buschmann
Rheinische Gummiwarenfabrik Franz Clouth in Köln

In mehrfacher Hinsicht verdient die Gummifabrik Franz Clouth unser heutiges Interesse: es ist ein Kölner Traditionsunternehmen gegründet und zur überregionalen Bedeutung gebracht durch Franz Clouth, einen der  großen rheinischen Erfinder-Unternehmer – es war in Köln-Nippes die dominante, das Stadtteilleben und das Stadtbild wesentlich prägende Fabrik – es wurde hier Industriegeschichte geschrieben mit den wegen ihrer Elastizität faszinierenden Produkte aus Natur- und Kunstkautschuk – und es findet sich hier, entstanden nach gravierenden Kriegsschäden in seltener Komplexität eine ganze Fabrikstadt in der Architektur der 1950er Jahre.

Kautschuk war in Europa nach den Forschungsreisen des Franzosen Charles Marie de la Comdamine durch Äquatorialamerika seit 1745 bekannt. Die Anwendungsmöglichkeiten jedoch waren zunächst begrenzt. In England stellt man unter dem sprechenden Namen Rubber seit 1770 Radiergummi her. Die erste Fabrik für Hosenträger, Strumpfbänder und dergleichen entstand 1803 in Paris. Doch erst die Entdeckung des Amerikaners Goodyear von 1839 mit der Rohgummi durch Erhitzen unter Zugabe von Schwefel  zugleich elastisch war und auf Dauer auch blieb verhalf dem Rohstoff zu seinem großen Erfolg im 19. und 20. Jahrhundert. Nun entstanden auch in Deutschland zahlreiche Gummifabriken, besonders in den 1850er und dann in einer zweiten Gründungswelle in den 1870er Jahren. Zentren der neuen Industriebranche waren Hamburg, Hannover, Thüringen und das Rheinland, wobei in Köln gleich zwei erfolgreiche Unternehmen entstanden. 1843 hatte Ferdinand Kohlstadt zunächst unweit der  Eigelstein-Torburg in der nördlichen Altstadt, dann in Nippes und schließlich an der Deutz-Mülheimer-Straße eine Gummifädenfabrik gegründet, die sich noch heute mit eindrucksvollen, denkmalgeschützen Bauten aus der Zeit um 1910 am Nordrand von Deutz präsentiert. Franz Clouth gründete sein Unternehmen 1862 ebenfalls in der Kölner Altstadt, vertrieb wie anfangs Kohlstadt aus England eingeführte Produkte und entwickelte erst mit Verlegung des Betriebes nach Nippes 1862 eine größere eigene Produktion.

Die Gründungsanlage
Ein 1872 aus der Vogelperspektive erstelltes Schaubild der Rheinischen Gummiwarenfabrik in Nippes zeigt anschaulich ein Werk in der Größenordnung eines Kleinbetriebes mit etwa 70 Beschäftigten, dessen leistungsstarke Dampfmaschine durch die hohen, rauchenden Schornsteine angezeigt wird. Die beiden Blechschonsteine wurden erst 1873 durch einen 50 m hohen gemauerten Kamin, der über Jahrzehnte hinweg Wahrzeichen des Unternehmens und eine Landmarke in Nippes war ersetzt. Eingebunden in die Feldflur des noch landwirtschaftlich orientierten Nippes fällt besonders der gestaltete Garten auf mit einem Belvedere auf dem großen Fabrikgebäude, von dem sich sicher auch der nicht weit entfernt fließende Rhein beobachten ließ. Franz Clouth wohnte seit 1879 in Nippes, zunächst in der Florastraße(späteres Standesamt) und baute sich 1883 eine Villa direkt neben dem Werk an der Niehler Straße. Das Gebäude ist in stark veränderter Form erhalten und wurde schon in den 1920er Jahren zu Kleinwohnungen umgebaut. Franz Clouth wohnte hier bis zu seinem Tod im Jahr 1910 als das Werk inzwischen 680 Mitarbeiter zählte. Hergestellt wurden in der Gründungsanlage Haushaltsartikel, wie die, den Umzug aus der Kölner Altstadt vorangetriebenen Milchflaschensauger und zunehmend auch Artikel für den technischen Bedarf für Laboratorien und medizinische Anwendungen.

1873
Schaubild 1873 . Historisches Archiv der Stadt Köln. Samlung Großstadt im Aufbruch

Produkte und Produktionsstätten bis 1918
Franz Clouth verfasste in den 1870er Jahren mehrere grundlegende Schriften über die Kautschukindustrie und ihre Rohstoffe. Mit diesem Wissen entwickelte Clouth eine breite Produktionspalette: Gummitreibriemen, Treibseile, Transportbänder, Bodenbeläge, Armeezelte, Schwimm- und Tauchanzüge und Reifen.

Aus der Beschäftigung mit der Kombination von Stoffen und Gummiüberzügen entstand eines der spektakulären Firmenprodukte. Schon vor Goodyear hatte der Schotte Charles Macintosh 1823 ein Verfahren zur Beschichtung von Baumwolltüchern mit Kautschuk entwickelt. Das „rubberised cotton“ wurde verwendet für regendichte Mäntel - den so genannten Starkregenmantel - sowie für Zelte und Gummiboote. Unter stetiger Verbesserung des Verfahrens produzierte Clouth auch beschichtete Gewebe für Fesselballons und im Zeitalter Zeppelins auch für Luftschiffe. Ferdinand Graf Zeppelin besuchte Clouth 1898 und entfachte bei Franz Clouth eine derartige Begeisterung, dass in Nippes 1908 ein eigenkonstruiertes Luftschiff entstand. Es wurde ein Jahr später ausgestellt auf der Internationalen Luftschiff-Ausstellung in Frankfurt, war dort aber mit seinen 42 m Länge nur ein Winzling unter den Giganten der Luft. Clouth hatte hier, wie auch mit seinen Zelten und Tauchapparaten besonders das Militär als Auftraggeber im Visier. Es entstand sogar östlich der Fabrik eine ebenfalls als Wahrzeichen verstandene 17 m hohe Luftschiff- und Ballonhalle. Eine Zukunft hatten diese Produkte in Nippes jedoch nicht. Die Luftschiffproduktion wurde 1910 nach Berlin verkauft und die Halle fiel in den 1930er Jahren einem Brand zum Opfer.

Luftschiff
Luftschiff Franz Clouth. Foto: Rheinische-Westfälisches Wirtschaftsarchiv 184 Nr. 116

Anders als die augenfälligen aber wenig einträglichen Leuchtturm-Produkte Luftschiffe und Freiballons erlangte die Kabelproduktion herausragende Bedeutung. Seit den 1880er Jahren gab es Verhandlungen zwischen Franz Carl Guilleaume und Franz Clouth über eine Zusammenarbeit beider Unternehmen. Aus dem 1874 gegründeten Carlswerk in Köln-Mülheim sollte der Draht, aus Nippes das Material für guttaperchaisolierte Drähte und Kabel kommen. Aus diesem Projekt gegenseitiger Belieferung wurde zunächst nichts. Franz Clouth richtete 1890 eine eigene Abteilung für die Herstellung von Kabel ein, warb Fachleute bei Siemens & Halske und Siemens Bros. in England ab und stellte mit dem Elektroingenieur Georg Zapf einen der besten Köpfe dieses Genres ein. Zapf war Assistent bei Oskar von Miller und hatte 1891 an der legendären Elektrotechnischen Ausstellung in Frankfurt mitgewirkt. Diese Ausstellung hatte mit der Fernleitung zwischen dem Wasserkraftwerk in Lauffen am Rhein und dem Ausstellungsgelände in Frankfurt wesentlichen Anteil an der Entstehung dieses neuen, auf Strom und Telefon gegründeten Zeitalters nach der Dampfmaschine. Zapf wurde Direktor der eigenständig unter dem Namen Land- und Seekabelwerke geführten Kabelproduktion. Neben der Gummifabrik entstand ein neues Werk mit großflächigen Shedhallen entlang der Niehler Straße. Produziert wurden Licht-, Kraft-, Fernsprech- und Telegraphenkabel, Signaldrähte für Militär, Feuerwehren und Bergwerke. Clouth gehörte zu den Lieferanten der Reichspost. Unter den kommunalen Auftraggebern waren Kaiserlautern, München, St. Petersburg und Stockholm. Aufsehen erregte das Unterwasserkabel zwischen Wangerooge und dem Leuchtturm Roter Sand und die Verkabelung des Nord-Ostsee-Kanals. Im Erfolg war jedoch auch der Keim für den Verlust der Selbständigkeit enthalten. Letztlich konnte sich Clouth gegen die Kraft des übermächtigen örtlichen Konkurrenten Felten & Guilleaume nicht behaupten und die Kabelproduktion wurde von diesem 1905 übernommen. Zapf wechselte über nach Köln-Mülheim, ins Carlswerk und prägte dort, seit 1914 als technischer Direktor und seit 1921 als Generaldirektor eine neue Ära dieses Kölner Großunternehmens. Das Kabelwerk in Nippes wurde weiter betrieben und sorgte in enger Gemengelage mit dem Gummiwerk für eine baulich allerdings wenig spürbare Dualität der immer größer werdenden Werksanlage an der Niehler Straße.

Herausragend war auch die Rolle der Clouth-Werke bei der Entwicklung von Kunst-Kautschuk. Erste Bemühungen in diese Richtung gab es schon vor dem Ersten Weltkrieg, veranlasst durch  eine dramatische Hochpreisphase für Naturkautschuk seit 1903. Treibende Kraft war wie immer, wenn es um den Ersatz teurer und knapper Naturprodukte ging, die chemische Industrie. Carl Duisberg, Generaldirektor der Bayerwerke hatte 1906 einen Wettbewerb unter den Chemikern seiner Werke ausgeschrieben und erlangte mit der Erfindung von Fritz Hoffmann 1909 weltweit für Bayer ein erstes Patent auf Kunstkautschuk. Duisberg war zur Entwicklung von Anwendungen an einer Zusammenarbeit mit Clouth interessiert und besuchte das Werk 1911. Nur rechtliche Probleme verhinderten eine 49% Beteiligung von Bayer bei Clouth. Der von Bayer entwickelte Methylkautschuk hatte jedoch auch einige problematische Materialeigenschaften, baute sich spontan schnell ab, ließ sich nur schlecht vulkanisieren und war damit ein technisch kaum brauchbares Produkt. Conti-Gummi lehnte 1912 eine Verwendung von Methylkautschuk ab zumal mit dem günstigen Plantagenkautschuk aus Asien – England hatte das eigentlich südamerikanische Rohmaterial dort eingeführt – ein inzwischen wieder preisgünstiges Material zur Verfügung stand. Erst durch den Rohstoffmangel während des Ersten Weltkrieges konnte das Material noch einmal Bedeutung erlangen und wurde in den 1930er Jahren durch das dann durchschlagend erfolgreiche Butardien aus den Buna-Fabriken ersetzt. Butardien oder Buna wurde seither auch bei Clouth erfolgreich verarbeitet.

Reorganisation und Neubauten der 1920er
Mit dem Tod von Franz Clouth im Jahr 1911 war eine Ära zu Ende gegangen. Den Betrieb führte seither sein Sohn Max Clouth. Die 1920er Jahre entwickelten sich zunächst zu einer Krisenzeit für das Unternehmen. Die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft 1920 unter Mitwirkung der Deutschen Bank, des Bankhauses Oppenheim und weiterer Kölner Privatbanken mit Mac Clouth als Vorstand war nur eine Überganglösung. Schon 1922 gab es nach entsprechenden Akteinkäufen eine Anteilsmehrheit für Felten & Guilleaume und 1925 hatte der Konkurrent aus Köln-Mülheim das gesamte Akteinkapital erworben. Kabel- und Gummifabrik waren nun wieder in einer Hand, wurden nun aber aus Mülheim geführt. Ganz im Rahmen von Rationalisierungsüberlegungen jener Zeit, sollten Produktionsteile zusammengeführt und damit zentralisiert werden. Clouth sollte sich optimal in das Gesamtunternehmen einfügen. Wie Pläne aus den 1920er Jahren zeigen gab es sogar Überlegungen das Werk in Nippes zu schließen, die Werksanlagen abzubrechen und das Gelände durch neue Straßen wohl für eine Wohnbebauung zu erschließen. Diese Pläne wurden jedoch nicht realisiert. Vielmehr wurde am Standort Nippes die Gummiproduktion konzentriert und ausgebaut während diese Sparte zukünftig in Mülheim nicht mehr vertreten war.

Wie in Mülheim, war auch für die Neubauplanung in Nippes das Gespann aus Generaldirektor Georg Zapf mit dem Werksarchitekten Heinrich Fürth verantwortlich. In Mülheim hatte das Carlswerk schon vor dem Ersten Weltkrieg nach Plänen von Fürth eine neue repräsentative Westfront erhalten. Kabelfabrik I und Hauptverwaltung in Backstein zeigten die besonders in Berlin bei der AEG(Peter Behrens) und Siemens entwickelten, anspruchsvollen Pfeilerarchitektur. Die 1925 für Nippes geplante Gummifabrik war in Größenordnung und Architektur stark am Mülheimer Vorbild orientiert. Geplant war eine etwa doppelt so große Werksanlage entlang der Xantener Straße, als das, was dann tatsächlich bis 1926 gebaut wurde. Wie in Mülheim entstand in der Straßenflucht ein Geschoßbau mit Backsteinfassaden in prägnanter Pfeilerarchitektur.

gummifabrik
Gummifabrik 1925/26. Gebäude an der Xantener Straße. Foto 2009

Der gut erhaltene Geschossbau der Gummifabrik von 1925/26(Halle 18b) an der Xantener Str.ist formal streng vertikal gestaltet, wobei die aufwärts gerichtete Bewegung in der Fassade auch hier in Nippes durch ein stark ausgeprägtes Traufgesims aufgefangen wird. Anders als bei der Kabelfabrik I in Mülheim besteht die Innenkonstruktion aus einer reinen Betonstruktur mit doppelten Stützenreihen auf allen Geschossen und Betondecken. Ebenfalls andersartig ist das Dach. Während in Mülheim ein mächtiges Mansarddach den Baukörper oben abschloss(nach dem Krieg durch zwei Vollgeschosse ersetzt), entstand in Nippes ein Satteldach. Für die Dachkonstruktion wurden Stahlvollwandträger verwendet mit zu den Auflagern am Drempel gerundeten Trägerformen. Das Dach gibt in den Giebelansichten diese Form der Dachbinder wieder.

gummifabrik, innen
Gummifabrik an der Xantender Straße. Innenkonstruktion des Geschossbaus. Foto 2009

gummifabrik.dachgeschoss
Gummifabrik. Dachgeschoss. Foto 2009

Hinter dem Geschossbau und mit diesem direkt verbunden erstreckten sich weitere Hallen für die neue Gummifabrik mit schöner Backsteinarchitektur zum Werkshof. Zusätzlich erstreckte sich rechtwinklig zum Hauptbau eine lang gestreckte Halle in Backstein. Diese Halle, nach dem Krieg in der Breite verdoppelt und mit neuen Dachbindern versehen, ist eine der noch heute das innere Werksgelände stark prägenden Hallenbauten. Die Halle diente als Abt. Auskleidung(Halle 17) einem lukrativen Geschäftszweig: Großbehälter, Rohre, Zentrifugen, Kessel, Deckel, Rohrleitungen wurden hier zum Schutz gegen aggressive Stoffe, Korrosion und mechanische Beanspruchungen mit Hartgummi ausgekleidet.

Abt. Auskleidung
Halle 17. Abteilung Auskleidung. Die im Bild rechte Hallenhälfte wurde 1925/26 erbaut. Die linke Hallehnhälfte mit Dachbindern entstande nach dem Krieg. Foto 2009

Die Werkserweiterung der Jahre 1925/26 erfolgte auf dem Gelände der schon 1909 erworbenen Feldschlößchen-Brauerei von Henning und Neumann. Die Neubauten an der Xantener Straße wurden auf den Gewölben der Brauerei errichtet, so dass sich noch heute ausgedehnte Kellergeschosse unter den Gebäuden der neuen Gummifabrik befinden.   

Zerstörung und Wiederaufbau
Clouth war im Zweiten Weltkrieg zwischen 1942 und 1944 heftigen Luftangriffen ausgesetzt. Schon 1942 waren die Anlagen zu 70-80% zerstört und wurden nach Wiederherstellung erneut 1943 und 1944 schwer getroffen. Im Oktober 1944 waren die Werksanlagen zu 90% vernichtet. Die Produktion in Nippes musste eingestellt werden. Neben Planungen für ein neues Werk in Neitersen bei Altenkirchen im Westerwald gab es alternativ auch Planungen für den Wiederaufbau in Nippes.

Trotz der Zerstörungen waren verbliebene Bauten in Nippes im März 1945 von US-Truppen besetzt worden. In einem bemerkenswerten, tagebuchartigen Dokument vom März/April 1945 wird unter anderem die damals schon vorhandene Verbindung zwischen Clouth und dem Bergbau im Aachener Revier und im Braunkohlengebiet deutlich. Der Bergbau war auf die Förderbänder bzw. auf Austauschteile für diese Bänder aus Nippes angewiesen. Das war ein sehr starkes Argument gegenüber den Alliierten für die Wiederaufnahme der Produktion – denn Kohle bedeutete Energie und Energie war für den Wiederaufbau in Deutschland und Westeuropa unverzichtbar. Seit Mitte 1945 gab es wieder eine zaghafte Produktion, doch erst Mitte 1946 folgte die Erlaubnis zur Wiederaufnahme mehrere Produktionszweige. Der luxemburgischen ARBED als Mutterkonzern von Felten & Guilleaume war es gelungen, auch das Werk in Nippes vor der Demontage zu retten. So konnte nach Enttrümmerungsarbeiten mit erhalten gebliebenen Maschinen unter Zeltplanen, Notdächern oder unter freien Himmel die Produktion wieder aufgenommen werden.

Nach Plänen des Ingenieurs Jakob Richartz entstand seit 1947 eine weitgehend neue Werksanlage. Die bis etwa 1960 errichteten Bauten atmen zugleich noch die Formvorstellungen der NS-Zeit, die finanziellen Beschränkungen der Nachkriegsjahre und den Willen für einen Neubeginn.

Am deutlichsten wird dies am Verwaltungsgebäude mit den daran anschließenden Werkshallen entlang der Niehler Straße.

Das 1951 begonnene und erst 1957 mit allen Trakten  fertig gestellte Verwaltungsgebäude lagert sich um einen von der Niehler Straße aus erschlossenem Ehrenhof. Die Anlage ist im Kern nach dem Vorbild des Hôtel de Ville, dem Pariser Adelspalais des 17. Jahrhunderts organisiert. Der zurückliegende Hauptflügel am Kopf des Hofes überragt mit seinen drei Geschossen die beiden Seitenflügel. Die schlichte Lochfassade mit den von Kunststeinlaibungen umrahmten Fenstern entspricht noch am stärksten den Formvorstellungen der NS-Zeit. Dazu gehört auch die mittig in der 10-achisgen Fassade gelegene große, doppelflügelige Türöffnung.

verwaltung
Verwaltung und Tor 2. Foto 2009

Die Wahl einer Dreiflügelanlage war allerdings nicht rein formalistisch orientiert  sondern entsprach auch einem Charakteristikum des nach wie vor in zwei Grundsparten unterteilten Werkes: im nördlichen Seitenflügel war die Direktion des Kabelwerkes, im Südflügel die Leitung des Gummiwerkes untergebracht. Beide Flügelbauten entsprechen stärker als der Hauptflügel den Formvorstellungen der 1920er Jahre. Die Rechteckfenster sind mit Kunststeinlaibungen zu horizontalen Bändern zusammengefasst und die Stoßfugen im Mauerwerk sind – wie bei den Prairie-Häusern von Frank Lloyd Wright - unterdrückt zugunsten vorstehender Wulstbildungen für die Lagerfugen. Der damit bewirkte Horizontalismus wird noch unterstrichen durch die knapp vorspringenden Traufgesimse. Die Dächer spielen im Bild der Anlage keine Rolle, verbergen sich hinter den Traufgesimsen, so dass insgesamt der Kubismus der 1920er das Gesamtbild beherrscht.  Aufgelockert werden die strengen Orthogonalformen durch die halbrund zur Niehler Straße sich vorschiebende, mittig dem Ehrenhof vorgelagerte Pförtnerloge sowie die optisch mit einem Verbindungsdach an dieser Stelle zusammengebundenen Seitenflügel, die hier mit halbrund vorspringenden Treppenhäuser das Bild stark prägen. Direkt diesen Treppenhäusern zugeordnet, lagen an den Ostenden der Seitenflügel die Direktionszimmer. Traditionalismus und Regionalismus sind in Details und Oberflächenausbildungen ablesbar. So werden die Treppenhäuser mit mächtigen Fensterstöcken gegliedert, die Oberflächen dieser Fensterstöcke sind nach Art der Natursteinarchitektur scharriert, die Fenster in Buntverglasung ausgeführt und der Verbindungsgang zwischen den beiden Seitenflügeln ist unter dem Dach mit lebendigen Natursteinplatten in unregelmäßigen Bruchformaten belegt. Erst 1957 konnte der Ehrenhof nach Norden mit dem Flügel entlang der Niehler Straße fortgesetzt werden, weil hier noch ältere Wohngebäude erst aufgekauft und niedergelegt werden mussten. Der Sozialbau an der Xantener Straße mit großem Speisesaal, Werksküche, Garderoben und Toiletten wurde erst 1967-70 angefügt. Der Speisesaal bot im Obergeschoß 500 Sitzplätze an Tischen und wurde auch für Feste und Versammlungen z. B. in der Karnevalszeit genutzt.

Verwaltung und Sozialgebäude waren direkt eingebunden in die Hallen der Kabelfabrik. Die zu diesen Hallen gehörenden Fassaden zur Niehler Straße sind beginnend 1949 ebenfalls in mehreren Bauphasen entstanden. Allen Hallenteilen gemeinsam sind die schlanken Hochrechteckfenster, eingefasst mit vorspringenden Fensterlaibungen aus Kunststein. Die Hallen selbst sind 1986 weitgehend durch Brand zerstört worden und wurden anschließend in Stahlkonstruktion erneuert. Nur in Teilbereichen(Halle 26, 25 und 23 b-d) finden sich noch die alten trapez- und satteldachförmigen Dachbinder mit Belichtungsaufsätze im Firstbereich aus den 1950er Jahren.

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Hallen der nach 1948 neu entstandenen Kabelfabrik. Foto 2009

Zur Gummifabrik gehören die Hallen ganz im Süden des Werksgeländes unmittelbar am Tor 1. Das im Vergleich zu den Hallen der Kabelfabrik relativ schmale südliche Eckgebäude verdeutlicht die Lage der Ursprungsbauten aus den Anfangstagen des Werkes. Es diente zur Produktion von Formartikeln. Wie das dem Verwaltungsflügeln vorgelagerte Pförtnerhaus am Tor 2 ist auch das Pförtnerhaus von Tor 1 zur Niehler Straße auf halbrund geformtem Grundriss errichtet. Jenseits der südlich daran vorführenden Werksstraße befindet sich die umgebaute Fabrikantenvilla von Franz Clouth.  

Hinter diesem tief in das Werksgelände sich hineinerstreckenden Streifen der die Niehler Straße begleitenden Bauten, folgen die ebenfalls der Wiederaufbauzeit 1947-60 zuzurechnenden Hallen für die Herstellung von Schläuchen, beschichteten Geweben, Gummiwalzen und zur Produktion weiterer Formartikel. Besonders hervorzuheben ist das 1949/50 entstandene Kesselhaus mit drei Kessel darunter einem Steilrohrkessel von 1956. Kesselhaus und Kessel sind von besonderer Bedeutung für die Werksgeschichte, da hier der Dampf für die im Vulkanisierverfahren notwendige Prozesshitze erzeugt wurde.

kesselhaus
Kesselhaus. Foto 2009

Bekohlung
Kohlenlager und Bekohlung mit dem auf das Kesselhaus zuführenden Förderband. Die Braunkohle wurde mit LKWs geliedert. Foto 2009

Eine wichtige Funktion im Werksgelände hatten auch Magazin und Verladung. Die Versandhalle(Halle 9) entstand 1957 als 9-schiffige Shedhalle mit Backsteinfassaden. Die Halle diente sowohl zum Versand von Kabel und Gummiwaren. Gegenüber liegt das 1963 erbaute Magazin(Halle 10) mit den zeittypischen großen durch Glasbausteine geschlossenen Fensteröffnungen und im Inneren mit den eleganten aus dem Geist der Betonbauweise entstandenen Pilzstützen.

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Versandhalle. Foto 2009

Das Werksgelände wird im Osten abgeschlossen durch die lang gestreckte Förderbandhalle(Halle 1). Seit den 1920er Jahren spielte die Herstellung von Förderbändern besonders für den Bergbau eine immer größere Rolle. Anfangs verstärkt mit Baumwollgewebe, später auch mit Zellwolle, Polyamid und Polyester-Einlage wurden seit 1948 Stahlseile in die Bänder eingebunden. Zur Aufnahme der Großproduktion von Stahlseilbändern entstand dann nach Plänen von Helmut Witt seit 1958 die neue Förderbandhalle. Die knapp 200m lange Haupthalle ist ein von Rahmenbindern geprägter Shedbau, dessen sägezahnförmigen Dächer zur Werksstraße verdeckt werden durch einen zweigeschossig vorgeblendeten Seitentrakt für Büros und Sozialräume. Die Backsteinfassade wird durch Rechteckfenster in Dreiergruppen gegliedert, wobei die Fenster durch knapp vorspringende, schmale Laibungen aus glasierten Formsteinen eingefasst werden. Vorspringende Treppenhäuser gliedern die lange Flucht zur Werksstraße. Ganz im Norden ist diesem Seitentrakt das Pförtnerhaus für das Tor 4 vorgelagert. Dieses Tor 4 ist zudem durch ein quer über die Einfahrt reichendes Dach auf dünnen Stahlstützen in V-Form gekennzeichnet.

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Förderbandhalle. Foto 2009

Zur Werksgeschichte der Nachkriegszeit gehört eine direkt südlich des Werksgeländes angelegte Siedlung. Die neun Einzelhäuser, zugänglich von der Florastraße sind geradlinig und giebelständig an einer Fluchtlinie aufgereiht. Die Architektur besticht durch schlichte Backsteinformen mit Lochfassaden und die hohen, steilen Satteldächer.  

Betriebsende, Gegenwart und Zukunft
Wie in vielen anderen Branchen und Betrieben war auch für Clouth die Nachkriegszeit eine Boomphase. Die Zahl der Beschäftigten stieg von rund 700 im Jahr 1951 auf 2100 im Jahr 1970. Seit 1966 löste Continental Felten & Guilleaume als Hauptaktionär ab. Die Kabelproduktion wurde 1984-85 nach Mülheim verlagert. Die freiwerdenden Hallen kaufte Clouth und vermietete die Flächen für Lagerzwecke unter anderem an Ford. In den Bestrebungen zur vollständigen Übernahme von Clouth war Continental schließlich 1990 erfolgreich. Schrittweise wurden einzelne Produktionsbereiche stillgelegt oder verlagert. Mit dem stetigen Rückgang der industriellen Produktion kam es noch unter Regie der alten Werksleitung zu einer langsamen Einlagerung neuer Nutzungen in den alten Gebäuden und Hallen mit Künstlerateliers, kleingewerblichen Nutzern, Kleinbüros in den Verwaltungstrakten und einer temporären Hallennutzung für Filmproduktionen. 2003 erwarb die Stadt Köln das Werksgelände und lobte einen Wettbewerb aus, mit dem Ziel nach Abbruch alter Fabrikbauten neue Wohnflächen zu gewinnen. Die Erhaltungsvorstellungen der Denkmalpflege konzentrierten sich auf die Zone längs der Niehler Straße und auf den Geschoßbau von 1925(Gummifabrik) an der Xantener Straße. Mit der Vorgabe, die Denkmalbauten einzubeziehen, wurde mit dem ersten Preis ein Konzept bedacht, welches tatsächlich auch nur diese erhalten wollte und ansonsten ein komplett neue Baustruktur für  das Gesamtgelände vorsah. Der Rat der Stadt gab später dem zweiten Preis im Wettbewerb von Scheuvens, Wachten, Gerber den Verzug. Der Plan berücksichtigte das Netz der vorhandenen Werksstraßen und enthielt den Vorschlag zur Bewahrung zusätzlicher Altbauten. Mit dieser substanzorientierten Planung wurde die Möglichkeit einer behutsamen Erneuerung eröffnet. Eine Entwicklungsgesellschaft sollte für den auch als Bebauungsplan verabschiedeten Entwurf sorgen. Mit dem in Aussicht gestellten Einverständnis der Stadt wurde die Halle 10  durch die in der Kunstszene der Stadt Köln inzwischen fest verankerte Künstlerkolonie in eine Ausstellungs- und Veranstaltungshalle umgestaltet. Die Halle hat sich durch regelmäßige Kunstausstellungen und Einbeziehung in die einschlägigen Kölner Veranstaltungsreihen(plan, Tag der offenen Galerien, Lange Nacht der Museen) bewährt und einen guten Namen erworben. Die Erhaltung der Halle ist mit den zugehörigen Künstlerateliers inzwischen durch ein einstimmiges Votum im Rat der Stadt Köln gesichert.

halle10
Halle 10. Foto-Eollage Artur Staroszyk

Dominierendes Thema der aktuellen Planungen wurde die starke Kontamination der Gebäude und Flächen mit Altlasten, insbesondere Nitrosaminen. Aufgrund jüngst bekanntgewordener Langzeitvergleiche gibt es jedoch deutliche Anzeichen für einen starken natürlichen Rückgang dieser Belastungen. Zur Durchführung von Abbrüchen wurde inzwischen den Mietern auf dem Gelände gekündigt. Möglich ist nun eine Flächensanierung von der man sich effektive und kostengünstige Resultate erhofft. Auf der Strecke bleibt dabei das nach dem Entwicklungskonzept realisierbare schrittweise Vorgehen mit der Perspektive, zusätzlich zum Denkmalbestand weitere historische Bauten zu erhalten. Hier dürfte es noch mancher Kontroversen zwischen Rat und Verwaltung geben, weil der Rat 2005 ausdrücklich gefordert hatte, nach Möglichkeit dem Erhalt von Gebäuden den Vorzug vor Neubauten zu geben. Nur so wäre diese beeindruckende Fabrikstadt der 1950er Jahre auch als städtebauliche Einheit der Architektur- und Stadtbaugeschichte zu erhalten. Der große Zuspruch, den zahlreiche Führungen über das Gelände erfahren, tausende von  Besuchern in den Kunstausstellungen und dutzende gut besuchte Diskussion mit Kulturpolitikern bezeugen, dass die von der Verwaltung favorisierte Flächensanierung von einer zunehmend kritischen Öffentlichkeit begleitet und in Frage gestellt  wird.

Literatur

75 Jahre Clouth 1862-1937. Festschrift zum 75-jährigen Bestehen der Firma Franz Clouth Rheinische Gummiwarenfabrik AG Köln-Nippes, Köln (1937)

90 Jahre Franz Clouth Rheinische Gummiwarenfabrik Aktiengesellschaft Köln-Nippes 1862-1952, Köln (1952)

Backhausen, Manfred: Leben in Nippes – Arbeiten bei Clouth. Aus der Clouth’schen Familien-, Sozial- und Industriegeschichte, Pulheim 2007 (2. Auflage)

Buschmann, Walter: Die Rheinische Gummiwarenfabrik Franz Clouth in Köln, in: Denkmalpflege im Rheinland 28/Heft 1, 2011, S. 1-9

Clouth, Franz: Gummi und Guttapercha. Ihr Ursprung, Vorkommen, Gewinnung, Verarbeitung und Verwendung, Köln 1873; 2. Aufl. Weimar 1879, 3. aufl. Weimar 1898

Clouth, Franz: Gummi, Guttapercha und Balata. Ihr Ursprung und Vorkommen, ihre Gewinnung, Verarbeitung und Gewinnung, Leipzig 1899

Franz Clouth Rheinische Gummiwarenfabrik Aktiengesellschaft(Hg.): Wagnis – Arbeit – Erfolg. 100 Jahre Clouth 1862-1962(Text unter Mitwirkung von Herbert Sinz), Köln-Nippes 1962

Franz Clouth. Rheinische Gummiwarenfabrik M. B. H: Cöln-Nippes. Denkschrift zum 50-jährigen Bestehen der Firma 1862-1912, Cöln 1912

Franz Clouth. Rheinische Gummiwarenfabrik mbH Cöln-Nippes, Cöln etwa 1909, in: Praktische Sozialpolitiker aus allen Ständen, hg. Von j. H. Schütz, Cöln etwa 1909, S. 222-224

Histor. Komm bei der Bayrischen Akademie der Wissenschaften: Neue deutsche Biographie, Bd. 3 1957, S. 295

Hundhausen, Emil: 1862-1962. Hundert Jahre Clouth-Werke, in: Heimatblätter des Rhein-Sieg-Kreises 42, 1974, H. 104, S. 34-44; Staa Kö Cd 44/42

Soénius, Ulrich: Von Land und See zu F&G: Georg Zapf als Angestellten-Unternehmer zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus. In: Wilfried Feldenkirchen u.a. (Hrsg.): Geschichte - Unternehmen - Archive, Essen 2008, S. 227-258.

Vierhaus, Rudolf(Hg.): Deutsche biographische Enzyklopadie, Bd. 2 2005, S. 346

Wessel, Horst A.: Franz Clouth (1838-1910), (= Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsbiographien Bd. 13: Kölner Unternehmer im 19. Und 20. Jh., S. 113-130), Münster 1946

Wessel, Horst: Die Entwicklung des elektrischen Nachrichtenwesens in Deutschland und die rheinische Industrie,(=Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, hg. von Hans Pohl und Wilhelm Treue, Beiheft 25)Wiesbaden 1983


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