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innen
Balloni-Shop. Foto 2001

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 
Objektführer / Köln

Köln_Kranfabrik Voss (Balloni)
Ehrenfeldgürtel 88-94 (Ehrenfeld)

Texte und Dokumente
Kurztext: Alexander Kierdorf
Patrik Lingenberg: Die Umnutzung der emehmaligen Maschinenfabrik Voss durch die Balloni-GmbH

Kurztext
Bauzeit: um 1885
Unweit der Venloer Straße liegen die Werkshallen der einst lokal renommierten Kranfabrik Voss. Um einen kleinen Innenhof sind die hohen Fabrikhallen mit Kranbahnen und das Verwaltungsgebäude angeordnet. Rohe, karge Backsteinmauern prägen die Erscheinung des vergleichsweise kleinen Industriebetriebes. Mit dem Einzug eines Dekorationsartikelhandels begann die Erneuerung der Anlage: die mittlere Halle wurde zum Laden umgenutzt, ohne daß wesentliche Elemente der Halle verändert worden sind. Die linke Halle wurde zum teilweise auf zwei Ebenen nutzbaren Veranstaltungsort umgebaut. Nackte Backsteinwände und industriellen Relikte dienen als Hintergrund für kulturelle und kommerzielle Events.

schaubild
Schaubild vom Ehrenfeldgürtel. Um 1900

 

Patrick Lingenberg
Die Umnutzung der ehemaligen Voss-Maschinenfabrik durch die Balloni-GmbH

Maschinenfabrik Fritz Voss
Erbaut 1882 gehörte die Maschinenfabrik Voss & Maak direkt am Ehrenfelder Bahnhof zu den Pionieren der industriellen Gründerzeit Köln-Ehrenfelds.

In den Anfangsjahren wurden hier unter eigenen Patenten Spezialartikel für Dampfmaschinen, wie etwa Expansionsregulierapparate zur Steuerung des Dampfdrucks, produziert.

historFoto

Bereits 1888 gingen die Partner getrennte Wege und Fritz Voss übernahm die Ehrenfelder Fabrik. Er erweiterte seine Produktion um Dampfmaschinen und Verbrennungskraftmaschinen. Als nach der Jahrhundertwende die vordringende Elektrifizierung deren Absatz beeinträchtigte erweiterte er erneut sein Produktionsprogramm, diesmal um Sauggasanlagen, Pumpen und Kompressoren, bis hin zu
Aufzügen, Kränen und Elektromotoren. Insbesondere im Bau von vielgestaltigen, (meist mehrmotorigen) Kränen jeglicher Art war die Firma zu Beginn der 1930er Jahre marktführend in Köln.

Die in Reihe gestellten, langen Fabrikhallen erstreckten sich ehemals vom Ehrenfeldgürtel bis hin zur Hansemannstrasse. (Damals Eisenbahnstraße und Jakobstraße). Auf der dem Bahnverlauf zugewandten Seite befand sich, direkt an die Produktionshallen anschließend, wie damals oft üblich, das Wohngebäude des Unternehmers.

Die stirnseitigen Fassaden sprangen vom Wohngebäude aus stufenweise zurück, sodass sich auf der Seite des Ehrenfeldgürtels (der ehemaligen Eisenbahnstraße) eine vorplatzartige Eingangssituation ausbildete.
Die Werkshallen grenzten direkt an die damals noch ebenerdig verlaufenden Bahngleise der Köln-Aachener Bahnverbindung.

Die auffälligste Veränderung beim Vergleich der baulichen Struktur von damals mit den erhaltenen Strukturen heute, ist die - wohl durch Kriegszerstörungen erfolgte - enorme Verkleinerung des Fabrikhallenkomplexes. Nicht einmal die Hälfte der ursprünglichen Längenausdehnung ist heute noch vorhanden.

Die Maschinenfabrik Voss war dem gravierenden Strukturwandel der 1970er/1980er Jahre unterworfen und da das Unternehmen nie in Serie fertigte, konnte sie keine hohen Stückzahlen erreichen und wurde so 1990 von der Kalker Stalvoss GmbH in Köln-Kalk übernommen und erlosch.

Kurz darauf wurden die von da an brachliegenden Fabrikbauten von der Firma „Balloni“ (Firma für Dekorationen und Veranstaltungen) übernommen, um sie für eine neue Nutzung herzurichten und auszubauen. Seit 1996 bietet „Balloni“ in einer der Hallen ein kunterbuntes Sortiment an Dekorations- und Geschenkartikeln zum Verkauf an. Eine weitere Halle wird auf zwei Ebenen für Veranstaltungen aller Art genutzt. 

Balloni
Die beiden Gründer Sibylle Hartung und Wilhelm Blume begannen 1977, mit Perlen und Konfetti befüllte Luftballons auf Trödelmärkten zur Finanzierung ihres Studiums zu verkaufen. Schon bald darauf eröffneten sie eigene Ausstellungs- und Verkaufsräume in einem Hinterhof einer Ehrenfelder Seitenstraße. Neben der Gestaltung etablierte sich Balloni in zunehmendem Maße auch in der Organisation von firmeninternen
Veranstaltungen sowie Messeauftritten und entwickelte sich langsam zu einem der erfolgreichsten Unternehmen im Bereich des Eventmanagements. Mit der starken Ausweitung ihres Dienstleistungsangebots erwiesen sich bald nicht nur die Räumlichkeiten der Firma als zu klein. Auch entstand bei den Machern zunehmend “kreative Unzufriedenheit”, da sie an den unterschiedlichen Veranstaltungsorten immer wieder unerfreuliche Kompromisse eingehen mussten.  Die Betriebsstätte der “Kranfabrik Voss” schien dafür die idealen Voraussetzungen zu bieten.

Auch wenn den meisten Bewohnern Köln Ehrenfelds die Firma BALLONI nach wie vor hauptsächlich als Einkaufsquelle für Dekorationsmaterialien, ungewöhnliche Geschenkartikel und Luftballons ein Begriff ist, so erzielen die mittlerweile 42 festen Angestellten den größten Teil ihres siebenstelligen Umsatzes mit der Planung und der Durchführung von jährlich etwa 500 Hochzeiten, Jubiläen, Modenschauen und Produktpräsentationen.

panoramafoto
Ansicht vom Ehrenfeldgürtel. Foto 2009

Vor dem Einzug der Firma Balloni in die alten Kranbahnhallen 1996, standen weitreichende Umbaumaßnahmen nach Plänen des Architekturbüros „RüdigerArchitekten“ aus Braunschweig an.
Im ersten Bauabschnitt begann man mit der Umgestaltung der größten der drei Hallen sowie der Nebengebäude in ein weitläufiges Ladenlokal nebst Büros. Nach geschäftlich erfolgreichem Start wagte man sich zwei Jahre später auch an den Umbau der zwei übrigen Hallen in ein multifunktionales Ausstellungs- und Veranstaltungszentrum sowie den Neubau eines Eingangs- und Küchentraktes.

Im Einzelnen gliedert sich der Balloni-Komplex heute in folgende Einheiten:

Balloni-Shop
Die mittlere Halle beinhaltet den BALLONI-SHOP. Diese wurde an den stirnseitigen, freien Fassaden und über Dach großzügig zur Belichtung geöffnet. Symmetrie und Längsausrichtung wurden auf diese Weise gestützt. Im Inneren präsentiert sich dem Besucher eine neu eingezogene, U-förmige Stahlempore, auf der sich nun die durch Laufbalkone und interne Durchgänge verbundenen Büros befinden. “...Sie greift die Leichtigkeit der Dachkonstruktion auf, ohne die räumliche Ruhe zu stören. Die erhöhte Position und die raumhohen Glaswände ermöglichen Angestellten wie Firmenleitung einen ungestörten Blick in den Laden, wie auf die selbst entworfenen und gebauten, universell einsetzbaren Möbel-Module ...” (Selbstdarstellung Fa. Balloni). Zu den vielfältigen, bunten und größtenteils luftig-leichten Ausstellungsstücken (gasgefüllte Ballons etc.) bietet die beibehaltene raue Industrie-Architektur einen stabilen Hintergrund.

ballonishop
Balloni-Shop. Auf den Emporen befinden sich die Büros. Foto 2009

Veranstaltungshalle
Die zur linken Seite gelegene Halle bietet auf einer Grundfläche von 500m² Raum für Veranstaltungen verschiedenster Art. Um die industrielle Atmosphäre dieser Halle zu bewahren und einen möglichst flexiblen, neutralen Raum anbieten zu können, wurde der Innenraum hier noch zurückhaltender gestaltet.

veranstaltungshalle
Veranstaltungshalle. Foto 2009

“...Nackte Backsteinwände und industriellen Relikte (wie etwa erhaltene Original-Laufkräne) dienen als Hintergrund für anspruchsvolle private und geschäftliche, kulturelle und kommerzielle Events. Ausgestattet mit modernster Technik, voll klimatisiert und abdunkelbar genügt sie hohen TV-Ansprüchen. So ist etwa die für Radio- und Fernsehübertragungen notwendige Medienverkabelung ebenso in den Boden integriert, wie die zahlreichen Thekenanschlüsse. Beleuchtungskörper verlieren durch die Montage an beweglichen Kranbahnen ihre übliche optische Dominanz...

Indem die Architekten das Dach oberhalb der alten Schalung aufdoppelten und mit neuer Aluminiumhaut überzogen, gelang es, auch trotz erhöhter Anforderungen an den Schall- und Wärmeschutz, die Integrität des Innenraumes zu bewahren. Somit zeugt das Gebäudeäußere allerdings auch unübersehbar von der neuen inneren Funktion: Krakengleich überziehen gigantische Lüftungskanäle das schallschutzoptimierte Dach...”(Selbstdarstellung Fa. Balloni).

Anbau
“...Der Glasbau schließlich, ein moderner, horizontal gegliederter Baukörper, fügt sich in den Versatz der beiden Gründerzeithallen ein und rundet so das Gesamtensemble zur Straße hin ab. Hinter seinen verstellbaren Blechsegeln verbirgt sich ein kleiner Veranstaltungssaal (von etwa 140m²) für intimere Feierlichkeiten. In seinem Erdgeschoß befinden sich das Foyer, sowie eine professionell ausgestattete Küche. Mit seiner leichten Konstruktion und der technoiden Gestaltung trägt der Neubau maßgeblich dazu bei, die klinkerdominierten Gebäude der Firma Voss in eindeutig zeitgenössische “Balloni-Hallen” zu verwandeln...” (Selbstdarstellung Fa. Balloni).

innenhof
Innenhof mit Anbau. Foto 2009

Das Dekorations- und Veranstaltungs-Ensemble ergänzte jüngst der  BALLONI-FLORISTIK-SHOP. Gelegen im Erdgeschoss des Verwaltungsgebäudes, sorgt er für zusätzliche Belebung des kleinen Innenhofes.

Erhaltungs- und Ergänzungsmaßnahmen
Prägend für das Erscheinungsbild dieser „Gründerzeit-Industrie-Architektur“ sind die rohen, kargen Backsteinmauern. Im Zuge der Umbauarbeiten wurde dieses Backsteinmauerwerk gereinigt, bzw. durch Abbruchziegel im ursprünglichen Mauerwerksverband ergänzt. Unvermeidbar waren dabei entstehende leichte Farbvariationen. Die Ziegel lassen sich sowohl anhand der Oberflächenstruktur, als auch der Farbigkeit als Feldbrandziegel/Handstrichziegel identifizieren.

Die große, fast schon kathedralhaft wirkende und wohl prägnanteste Fassade am Ehrenfeldgürtel, spiegelt die Proportion des dahinter liegenden Baukörpers beeindruckend wider. Sie weist eine dezente aber prägnante Ornamentik auf. Die beiden großen Bogen-Fenster wurden zur klimatischen Verbesserung des Innenraums als Kastenfenster ausgeführt, wodurch die Anschaulichkeit der Fassade von Außen bewahrt wird. Gelbliche, bzw. helle Feldbrandziegel setzen sich von dunkleren, Roten sowohl farblich als auch plastisch ab. Diese schlichte gemauerte Ornamentik ist typisch für die Industriebauten dieser Zeit und Region.
 
Der gläserne Anbau auf der linken Seite der großen Fassade umhüllt das Fluchttreppenhaus und will sich genau wie der große gläserne Anbau zur Rechten in seiner Materialität und Formensprache klar vom historischen Bestand absetzen. Letzteren dominieren große Sonnenschutzlamellen.

strassenansicht
Ansicht vom Ehrenfeldgürtel. Links Anbau für Fluchttreppe. Foto 2001

Die schmalen Lichtschlitze unterhalb der beiden Bogenfenster sind ebenfalls  ihrer Materialität und Form nach als eindeutig neue, nachträglich eingefügte Bestandteile erkennbar. Zieht man historisches Bildmaterial hinzu, fällt auf, dass sie ein nunmehr verschwundenes Eingangsportal nachzeichnen.

Die vom neuen Glaskubus verdeckte, zurückspringende, “zweite” Fassade wurde insofern erhalten, als dass sie nun den Innenraum des gläsernen Anbaus “schmückt”.

Im Inneren der Hallen dominieren heute noch die imposante Dachkonstruktion, sowie die noch erhaltenen Laufkräne das Erscheinungsbild. Sie zeugen von Alter und Funktion der Hallen (und transportieren somit einen Teil ihrer Geschichte). Bei den Dachkonstruktionen handelt es sich um dreiecksförmige
Stahl-Binder in Form eines Satteldaches. Sie erreichen in der Verkaufhalle eine Spannweite von etwa 12m.
In der Veranstaltungshalle reduzieren Mittelstützen die Spannweite auf 6m und gliedern sowohl Dachkonstruktion als auch den lang gestreckten Innenraum.

“...Die Bauherren und Architekten zielten weniger auf eine optische Veredelung oder die Schaffung eines starken Kontrastes zwischen Alt und Neu ab. Vielmehr sollten neue Gebäudeelemente der ursprünglichen Rauheit der Industriearchitektur folgen und den nicht denkmalgeschützten Bestand mit einfachen und modernen Mitteln fortschreiben. Wieder verwendete Bauteile, wie Stahlunterzüge, Ziegelsteine, Kranbahnen oder Lampen, erzeugen dabei den erwünschten “archaischen” Rahmen. Im Zusammenspiel mit den ebenfalls robusten, neuen Elementen aus Sichtbeton oder Glas, entstanden für wechselnde Dekorationen nutzbare, “omnipotente Hüllen” mit individueller und zeitgenössischer Gestalt. Dabei sehen die Bauherren im Entwurf einen Aufbruch, der das Bestehende nicht als Pflegefall behandelt, sondern respektiert und zu nutzen weiß....” (Selbstdarstellung Fa. Balloni).

Städtebauliche Situation
Direkt neben dem Ehrenfelder Bahnhof gelegen, ist das Gebäudeensemble eines der frühindustriellen Wahrzeichen dieses ehemaligen Arbeiterviertels. “...Mit der Umwidmung der drei Produktionshallen nebst Verwaltungsgebäude in die “Balloni-Hallen” strebten die Bauherren eine Ausweitung der Einkaufsmeile Venloer Straße an.

Zugleich sollte das Unternehmen durch seine Verflechtung mit der existierenden Infrastruktur zu einem integralen Bestandteil des Quartiers werden und nebenbei für eine Aufwertung des Stadtteils sorgen. Eine (erhoffte) Torfunktion etwa ergibt sich bisher nur gegenüber Bahnreisenden, die sich von Westen nähern und zwangsläufig auf den Umbau aufmerksam werden. Um einen ähnlichen Effekt für den quer zur Zugstrecke verlaufenden, vernachlässigten Ehrenfeldgürtel zu erzielen, bedürfte es eines baulichen Gegenstücks jenseits der Straße. Dies allerdings könnte – wie sich auch die Balloni-Macher wünschen -  ein prominentes Gebäude wie etwa ein neues Bezirksrathaus an dieser Stelle werden.

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Ansicht vom Ehrenfeldgürtel. Foto 2009

Sollte man die nun angestrebte Sanierung der Bahnbögen ebenfalls realisieren, ließe sich tatsächlich der Kern der Ehrenfelder Mitte verlagern, und die Engpässe im Viertel würden entlastet. Vergessen darf man dabei allerdings nicht, dass die ehemaligen Hallen nunmehr in erster Linie Ladenlokal, darüber hinaus dann Veranstaltungsort sind, und das in beiden Fällen als nicht-öffentliche Einrichtung....” (Selbstdarstellung Fa. Balloni).

“...Zwar ist für einen Stadtteil „in Zeiten leerer Kassen“ kaum etwas erfreulicher als engagierte und investitionsfreudige Bürger. Nur: In Bezug auf den öffentlichen Raum können dabei schnell Missverständnisse aufkommen. So kann manch private Einrichtung vorzeitig Errungenschaften vortäuschen, wo öffentlicher Raum gar nicht gewonnen wurde. Dem Projekt ist das nicht vorzuwerfen, im Gegenteil – es profitiert davon. Und es kommt hinzu, dass dieses privat-finanzierte Projekt aus wirtschaftlichen Gründen eher zahlungskräftigen Gästen zur Verfügung steht. Die Gestaltung öffentlichen Raums jedenfalls steht hier weiterhin aus...” (Selbstdarstellung Fa. Balloni).

Fazit
Im Zuge des Umbaus ist es weitestgehend gelungen die Anschaulichkeit der alten Hallen sowohl im Inneren, wie auch von Außen zu bewahren und zudem mit einer neuen, sinnvollen Nutzung zu beleben.
Kleinteilige Büroräume im Inneren des Balloni-Shops beispielsweise, integrieren sich derart in die historische Raumdisposition, dass die Anschaulichkeit des großzügigen Innenraumes kaum gestört wird.
Dachdämmung und Anlagen zur Klimatechnik beeinträchtigen zwar das äußere Erscheinungsbild erheblich, werden aber von der nun fast unverfälschten Innenraumansicht legitimiert. Und so verhält es sich auch mit dem Gesamtkomplex, bei dessen Umnutzung historische Bausubstanz stellenweise verschwinden oder aber verändert werden musste, um an anderer Stelle Elemente, bzw. Erscheinungsbilder erhalten zu können. Die außenliegende Dachisolierung und die auffälligen, krakenartigen Klimaschläuche sind hier wohl das beste Beispiel für eine Entscheidungssuche, an deren Ende nur ein Kompromiss stehen kann.

innen
Balloni-Shop. Foto 2009

Und Kompromisse zwischen den Interessen des Bauherren und denen der Denkmalpflege mussten mit Sicherheit noch an mehreren Stellen eingegangen werden. So ist von der ehemaligen Straßenfassade am Ehrenfeldgürtel auf Grund des gläsernen Anbaus nur ein kleiner Teil im Straßenbild wirksam geblieben. Das Schließen der Raumkante an dieser Stelle verbaut den Blick auf den Rest der alten Fassade.

Zugute halten kann man den Umbaumaßnahmen aber wiederum, dass gerade im Detail behutsam mit dem Bestand umgegangen wurde. So wurden die Backsteinwände nicht zu aggressiv gereinigt und ein
gewisses Maß an Patina blieb erhalten.

Im städtische Kontext könnte man die Umnutzung der Fritz Voss Hallen außerdem auf einen weiteren Aspekt ausweiten: Neben dem Effekt, durch den Erhalt der Hallen ein Stück weit Geschichte konserviert zu haben, zeigt eben diese Umnutzung sinnbildlich den fortlaufenden Strukturwandel des Stadtteils. Die neue Nutzung kommt schließlich nicht von ungefähr. Die Nachfrage forderte dazu heraus.

So zwang der wirtschaftliche Strukturwandel Fritz Voss immer wieder seine Produktionspalette anzupassen und so befindet sich Balloni mit seinem rasanten, der Nachfrage angepassten Unternehmenswachstum, vom Luftballon-Verkäufer zum “Groß-Event-Manager”, im fortlaufenden Strukturwandel.

Allgemein resultiert aus der Umnutzung historischer Bausubstanz ein beidseitiges Profitieren. Zum einen ist eine Umnutzung bestehender Gebäude für den Bauherren oftmals bedeutend kostengünstiger als die
Neubauvariante. Zum anderen trägt die spezielle Atmosphäre solcher Industriebauten zur Attraktivitätssteigerung und teils auch zur Image-Bildung der Unternehmen bei. Bei letzterem Effekt profitiert der Kunde von der indirekten Geschichtsvermittlung.

Dem Argument, dass selbst eine reduziert anmutende Umbaumaßnahme offensichtlich derart kostenintensiv ist, dass eine Nutzung aus wirtschaftlichen Gründen vor allem zahlungskräftigen Gästen zur Verfügung steht, steht ein anderes Argument gegenüber: Nämlich das der öffentlichen Zugänglichkeit und der damit verbundenen Geschichts- und Kulturvermittlung. Eine historisch wertvolle Bausubstanz wird der Öffentlichkeit in stärkerem Maße zugänglich gemacht, bei der Einrichtung einer zumindest teilweise öffentlich zugänglichen Nutzung, als es eine wieder belebte, industriell produzierende Nutzung erlauben würde. Und dies obwohl letztere, aus denkmalpflegerischer Sicht, die eigentlich sinnvollste Umnutzung, also Weiternutzung darstellt.

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